LEXIKON

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z A-Z

A

  • Alkohol
  • Alkohol

    Alkohol spielt im Strafrecht eine große Rolle. Vor allem Gewaltdelikte, wie etwa Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Raub, räuberische Erpressung, Nötigung, aber auch Sexualstrafdelikte wie die sexuelle Nötigung, die Vergewaltigung oder Missbrauchsdelikte sonstiger Art werden häufig begangen von alkoholisierten Tätern. Auch Kapitalstrafsachen wie Mord oder Totschlag werden vielfach unter Alkohol verwirklicht.

    Eine große Bedeutung hat der Alkohol auch im Bereich der Straßenverkehrsdelikte. Neben der Trunkenheit im Verkehr ist auch die Gefährdung des Straßenverkehrs, begangen von alkoholisierten Fahrzeugführern, die in der Praxis häufigste Anwendungsform.

    Wenn Alkohol im Spiel ist, geht es häufig um die Promillezahlen. Die Alkoholgrenzwerte spielen dabei an zwei Stellen eine Rolle:

    Zum Einen – vor allem bei den verkehrsstrafrechtlichen Delikten – spielt die Alkoholisierung des Täters (Promillezahl) bereits bei der Frage eine Rolle, ob überhaupt der Tatbestand des jeweiligen Verkehrsstrafdeliktes erfüllt ist.

    Deshalb ist es – gerade im Verkehrsstrafrecht – für die Polizei und Staatsanwaltschaft so wichtig zu ermitteln, wie viel Promille tatsächlich der jeweilige Täter (in der Regel Fahrzeugführer) hatte. Dazu wird in der Praxis regelmäßig von einem Arzt Blut abgenommen.

    Alkohol auf Tatbestandsebene

    Für die Frage, ob eine Trunkenheit im Verkehr vorliegt (§ 316 StGB) oder aber eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) sind folgende Alkohol- Grenzwerte wichtig:

    - Ab 1,1‰ (Promille) liegt bei Kraftfahrern (Autofahrern, Lkw-Fahrern, Motorradfahrern) eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. Bei Radfahrern wird die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,6 ‰ (Promille) angenommen.

    Absolute Fahruntüchtigkeit bedeutet, dass eine unwiderlegbare Vermutung einer sog. alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit vorliegt. In der Praxis kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob tatsächlich etwa das Reaktionsvermögen oder aber die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist. Sofern deshalb mindestens 1,1 ‰ (Promille) bei Kraftfahrern bzw. mindestens 1,6 ‰ (Promille) bei Radfahrern zur Tatzeit vorliegt, ist immer von einer Tatbestandsverwirklichung der Trunkenheit im Verkehr bzw. – wenn es zu einem sog. Beinahe-Unfall kommt – von einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) auszugehen

    - Zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,09‰ (Promille) (bei Kraftfahrern wie Pkw-Fahrern, Lkw-Fahrern bzw. Motorradfahren) bzw. zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,59 ‰ (Promille) (bei Radfahrern) liegt eine sog. relative Fahruntüchtigkeit vor. Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit liegt auch eine Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs dann vor, wenn es aufgrund der Alkoholisierung zu sog. alkoholbedingten Ausfallerscheinungen kommt. Solche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen können z.B. sein ein Schlangenlinienfahren, ein unsicheres Fahren, ein nicht verkehrsbedingtes Bremsen etc. Diesen Nachweis der alkoholbedingten Ausfallerscheinung müssen die Ermittlungsbehörden in der Praxis erbringen; darauf kann man häufig eine erfolgreiche Verteidigung aufbauen. Bei einer Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs wird grundsätzlich auch eine Sperre verhängt, wobei die Sperrfrist gem. § 69 a StGB zwischen sechs Monaten und 5 Jahren liegt.

    - Ab 0,5‰ (Promille) bei Kraftfahrern (Pkw-Fahrer, Lkw-Fahrer, Motorradfahrer) liegt in jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit vor, die zwar nicht mit einer Geldstrafe, aber mit einem Bußgeld belegt wird. Dies ist in § 24 a StVG geregelt. Eine solche Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG führt in jedem Fall zu einem Fahrverbot. In der Praxis ist festzustellen, dass ein Fahrverbot von einem Monat verhängt wird bei einer Promillezahl von 0,5 – 0,7 ‰ (Promille), zwei Monate Fahrverbot in der Regel zwischen 0,7 und 0,9 ‰ (Promille) und drei Monate Fahrverbot bei 0,9 bis 1,09‰ ( Promille).

    Gerade bei den Gewaltdelikten finden sich in der Praxis häufig stark alkoholisierte Täter. Der Alkoholisierungsgrad erreicht dabei oft Grenzen von 2 Promille bzw. sogar 3‰ (Promille). Alkohol spiel im Strafrecht dann eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB oder gar eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB angenommen werden kann.

    In der strafrechtlichen Praxis werden für die Fragen der Schuldfähigkeit aufgrund eines Alkoholkonsums häufig psychiatrische Sachverständigengutachten eingeholt.

    Feste Grenzwerte wie für die Frage des Tatbestandes (s.o.) gibt es bei Alkohol als Kriterium einer sog. krankhaften seelischen Störung (Schuldfähigkeit / verminderte Schuldfähigkeit) nicht. Feststellen kann man jedoch, dass ab einer Promillezahl von 2‰ (Promille) oder mehr die Frage der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden muss und – nicht nur im Einzelfall – häufig angenommen werden muss. Dies gilt zumindest bei Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo). Die Frage der verminderten Schuldfähigkeit aufgrund des Alkoholes spielt für den Angeklagten deshalb eine große Rolle, weil dadurch eine gesetzliche Strafrahmenverschiebung im Sinne einer deutlichen Strafmilderung nach § 21 StGB i.V.m. § 49 StGB angenommen werden kann. Dadurch wird in der Praxis vielfach der Angeklagte spürbar weniger hart bestraft.

    Eine Schuldunfähigkeit – und damit eine Straflosigkeit nach dem jeweiligen Delikt – ist naheliegend ab einem Promillewert von 3‰ (Promille). War der Täter bei Begehung der Tat schuldunfähig, wozu auch eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit gehört, kann er dafür nicht bestraft werden.

    Häufig kann dann aber eine Verurteilung wegen Vollrausches (§ 323 a StGB) erfolgen.Geht die hohe Alkoholisierung und der hohe Alkoholisierungsgrad auf eine Alkoholkrankheit zurück, besteht in diesen Fällen vielfach auch die Möglichkeit bzw. die Gefahr, dass eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – anstelle oder neben der Strafe – durch das Gericht angeordnet wird. Dies kann für den Angeklagten bei einer erkannten Alkoholkrankheit natürlich eine große Chance bieten. Andererseits wird – bei Abbruch einer solchen Therapie – die dadurch faktisch erlittene Freiheitsentziehung nur teilweise auf die zu verbüßende Strafe angerechnet.

    Zu beachten ist, dass die Frage der Alkoholisierung sowohl für die Tatbestandmäßigkeit (Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs), als auch für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit immer zur Tatzeit zu ermitteln ist. In der Regel erfolgt ja die Blutentnahme einige Zeit (oft einige Stunden) nach der Tatbegehung. Dann ist zur Ermittlung der genauen Alkoholisierung zur Tatzeit zurückzurechnen. Da hierbei auch Sicherheitszuschläge zu Gunsten des Angeklagten gemacht werden, kann über diese Rückrechnung häufig ein für den Angeklagten „günstigeres“ Ergebnis begründet werden. In der Praxis lässt sich feststellen, dass bei dieser Rückrechnungsproblematik auf den Alkoholisierungsgrad zur Tatzeit viele Fehler gemacht werden, manchmal wird die Rückrechnung sogar vergessen.

    Der Umfang mit alkoholisierten Tätern ist in der Strafverteidigerpraxis komplex und schwierig. Es sind – neben dem eigentlichen strafrechtlichen System- viele weitere Aspekte wie Maßregeln der Besserung und Sicherung zu berücksichtigen. Auch mit dem Mandanten / Angeklagten selbst muss die Frage des Umgangs mit seiner Alkoholisierung genau erörtert und besprochen werden. Denn vielfach kann ein Strafverfahren, welches einen alkoholisierten Täter zu beurteilen hat, dazu genutzt werden, dem Angeklagten eine Hilfestellung für ein mögliches Alkoholproblem zu geben. Dies setzt aber eine Bereitschaft des Mandanten voraus, ein evtl. Alkoholproblem zu erkennen und behandlungswillig für dieses Alkoholproblem zu sein.

    All diese Aspekte müssen bei einer erfolgreichen Strafverteidigung mit alkoholisierten Tätern berücksichtigt werden.

  • Arzneimittelstrafrecht
  • Arzneimittelstrafrecht

    Aufgrund unseres medizinstrafrechtlichen Schwerpunkts haben wir viel mit arzneimittelrechtlichen Vorwürfen zu tun.

    Das Arzneimittelrecht (AMG – Arzneimittelgesetz) birgt für den dortigen Adressatenkreis der Ärzte und Apotheker eine schier unübersehbare Vielzahl von Tücken. Die jeweiligen Verfahrensregelungen sind im Verstoßenfalle mit Bußgeldern oder gar Geldstrafen bedroht. Dabei führt häufig nicht nur der vorsätzliche Verstoß, sondern auch fahrlässige Begehungsweisen zu einer Sanktion, die nicht nur haftungsträchtig sind, sondern auch berufsrechtlich relevant.

    In jüngerer Zeit finden sich beispielsweise verstärkt Ermittlungen zur Eigenherstellung von Arzneimitteln. Beim bloßen Anfangsverdacht hiergegen müssen betroffene Ärzte und Apotheker nicht nur mit strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wie Durchsuchungen und Beschlagnahmen rechnen. Vielmehr knüpft das Gesetz an die formalen Verstöße auch Gewinnabschöpfungsmaßnahmen, die aufgrund des Bruttoprinzips im Einzelfall immens hoch sein können. Gleich zu Beginn werden vielfach Arrestbeschlüße erlassen und – etwa durch Eintragungen von Zwangssicherungshypotheken und Kontopfändungen umgesetzt.

    Hier gilt es für den medizinstrafrechtlich tätigen Rechtsanwalt unverzüglich zu reagieren. Es ist notwendig, die arzneimittelrechtlichen Zusammenhänge zu kennen und zu verstehen. Denn nur mit der entsprechenden Erfahrung gelingt es, frühzeitig die Weichen für eine effektive Verteidigung im Arzneimittelstrafrecht zu stellen.

  • Ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung
  • Ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung

    Nach der Rechtsprechung wird auch der ärztliche Heileingriff seit mehr als 100 Jahren als tatbestandliche und vorsätzliche Körperverletzung bewertet. Es kommt danach weder auf den heilenden Zweck des Eingriffs an, aber auch nicht auf den Heilungserfolg.

    Dem gegenüber geht die überwiegende Literatur davon aus, dass ein ärztlicher Heileingriff bereits tatbestandlich keine Körperverletzung sein kann; es liege ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG jedenfalls bei erfolgreichen Eingriffen vor. Ein kunstgerechter und auf Heilung des Körpers gerichteter Eingriff stelle gerade keine Verletzung der Interessen des Körpers dar, sondern diene – im Gegenteil dazu – der Wiederherstellung der körperlichen Integrität.

    Dem gegenüber sucht die Rechtsprechung die Lösung über die rechtfertigende Einwilligung. Die Einwilligung kann ausdrücklich, konkludent oder mutmaßlich (etwa bei einer Operationserweiterung) vorliegen.

    Der zivilrechtliche Gesetzgeber hat in § 630 d BGB Aufklärungserfordernisse kodifiziert. Letztlich hat der Gesetzgeber eine jahrzehntelange zivilrechtliche Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen. Die in § 630 d BGB genannten Aufklärungspflichten können für eine strafrechtliche Überlegung im Ausgangspunkt herangezogen werden. Sie können allerdings nicht vollständig übertragen werden. Das Haftungsprinzip des Zivilrechts ist schadensersatzorientiert und nicht deckungsgleich mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit.

    Die (rechtsfertigende) Einwilligung hat ihren Ursprung in dem grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Patienten (Art. 2 Abs. 2 GG). Der Patient hat die Dispositionsmacht über seine eigene körperliche Integrität.

    Eine Einwilligung kann deshalb nur wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Der Patient muss die für seine Entscheidung bedeutsamen Umstände kennen. Als bedeutsam werden der medizinische Befund, die Art des geplanten Eingriffs, seine voraussichtliche gesundheitliche Tragweite, sowie – bezogen auf die jeweilige konkrete Situation des einzelnen Patienten – die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden Heilungsaussichten angesehen. Aber auch mögliche andere medizinisch sinnvolle Behandlungsweisen, ferner die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden oder möglichen, nicht völlig unerheblichen Risiken einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes dieses Patienten werden als bedeutsam bewertet.

    Erst wenn ein Patient diese Umstände in ihrer Gesamtheit und Bedeutung kennt, ermöglicht ihm dies eine Abwägung dahin, ob er sich dem Eingriff durch diesen Arzt unterziehen will oder nicht. Der Patient muss für sich die Auffassung und Überzeugung gewinnen, dass der Eingriff notwendig, sinnvoll und hinreichend erfolgversprechend ist.

    Die entscheidende Frage in der Praxis ist, wie weit die Aufklärungspflichten reichen.

    Allgemein wird eine Aufklärung für erforderlich erachtet in Bezug auf Anlass, Dringlichkeit, Umfang, Schwere, Risiken, Art und Folgen, möglichen Nebenwirkungen des geplanten Eingriffs, dessen Erfolgsaussichten und die Heilungschancen sowie die Folgen einer Nichtbehandlung.

    Zu den Aufklärungspflichten werden nur solche Umstände gezählt, die vom Schutzzweck der Aufklärungspflicht erfasst sind; dem Patienten müssen solche Umstände mitgeteilt werden, die es ihm ermöglichen, von der Behandlung wegen von ihm besorgter Nachteile für seine körperliche Integrität Abstand zu nehmen.

    Nicht zum Schutzzweck der Aufklärungspflichten werden Kosten einer ärztlichen Behandlung gezählt; aber auch fehlerhaft vermittelte Vorstellungen über die Operationsdauer oder aber die Verweildauer im Krankenhaus stellen – für die Frage der Wirksamkeit der Einwilligung – nach der bisherigen Rechtsprechung einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.

    Die Aufklärungspflichten bei ärztlichen Heileingriffen werden in Diagnoseaufklärung, Verlaufsaufklärung und Risikoaufklärung unterteilt.

    Im Rahmen der Diagnoseaufklärung ist der Patient zutreffend über den ärztlichen Befund aufzuklären.

    Zur Verlaufsaufklärung gehören Informationen über den voraussichtlichen Verlauf der Erkrankung in unbehandeltem Zustand sowie über den Ablauf der medizinisch indizierten Behandlung. Hierzu gehören auch Aufklärungen über absehbare Operationserweiterungen oder evtl. Nachoperationen.

    Im Rahmen der Risikoaufklärung muss der Patient “im Großen und Ganzen” wissen, worin er einwilligt. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.

    Gegenstand der Risikoaufklärung sind die eingriffstypischen, unvermeidlichen Gefahren der Behandlung, mit deren Eintreten nach dem Stand ärztlicher Erfahrung und Wissenschaft gerechnet werden muss. Dazu gehört auch der Hinweis auf das schwerste in Betracht kommende Risiko, welches dem Eingriff spezifisch anhaftet. Aber auch auf besonders häufige Risiken muss der Patient aufmerksam gemacht werden.

    Letztlich muss der Patient auch über nicht so schwere Risiken aufgeklärt werden, die dem Eingriff spezifisch anhaften und die für die konkrete Lebensführung dieses Patienten besonders belastend sind (z.B. Pianisten = Finger; Sänger = Stimmbänder etc.).

    Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Aufklärung sind umgekehrt proportional zur Dringlichkeit und zu den Heilungsaussichten zu sehen. Je geringer der Dringlichkeitsgrad des medizinischen Eingriffs ist, desto größer ist die Aufklärungslast – und umgekehrt.

    Je problematischer eine Methode ist, je mehr der Arzt von eingeführten und anerkannten Verfahren abweichen möchte und je stärker er von dem abgehen will, was der Patient erwarten darf, desto weiter reichen die Informationspflichten. Will der Arzt keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anwenden, so hat er den Patienten auch darüber aufzuklären und ebenso über die möglichen unbekannten Risiken.

    Bei der Anwendung einer Außenseitermethode erweitert die Rechtsprechung die Aufklärungspflicht auch auf den Umstand, dass der geplante Eingriff nicht medizinischer Standard ist und seine Wirksamkeit statistisch nicht abgesichert ist.

    Ungefragt muss der Arzt grundsätzlich nicht darüber aufklären, welche Behandlungsmethoden in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere Methode spricht. Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes.

    Die Aufklärung über gleichermaßen indizierte Behandlungsalternativen kann allerdings dann erforderlich sein, wenn diese zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder gewichtige unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten und der Patient deshalb eine echte Wahlmöglichkeit hat.

    Risikostatistiken gehören grundsätzlich nicht zur Aufklärungspflicht. Wenn aber zwei Methoden das selbe Risiko anhaftet und dieses bei einer Methode höher ist oder länger fortbesteht, so ist der Patient auch über die Größenordnung des vorliegenden Unterschiedes zu informieren.

    Der Grundsatz, dass die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes ist und es insoweit regelmäßig keiner Aufklärung des Patienten bedarf, gilt auch dann nicht, wenn die angewendete Therapie nicht dem medizinischen Standard entspricht oder ernsthaft umstritten ist.

    Ein weiteres in der Praxis vielfach zu beobachtendes Problem ist die Dokumentation der Einwilligung in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht. Zwar gibt es im Strafrecht keine „Beweislastumkehr“ oder einen „prima-facie-Beweis“, jedoch werden aus mangelnden oder fehlenden Dokumentationen von den Ermittlungsbehörden oftmals Verdachtsgründe hergeleitet.

    Die zum ärztlichen Heileingriff ergangene Rechtsprechung ist umfangreich und komplex. Suchen Sie sich frühzeitig anwaltlichen Rat.

    Das Medizinstrafrecht gehört zu den Schwerpunktthemen der von unserer Kanzlei bearbeiteten strafrechtlichen Rechtsgebiete.

Alkohol

Alkohol spielt im Strafrecht eine große Rolle. Vor allem Gewaltdelikte, wie etwa Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Raub, räuberische Erpressung, Nötigung, aber auch Sexualstrafdelikte wie die sexuelle Nötigung, die Vergewaltigung oder Missbrauchsdelikte sonstiger Art werden häufig begangen von alkoholisierten Tätern. Auch Kapitalstrafsachen wie Mord oder Totschlag werden vielfach unter Alkohol verwirklicht.

Eine große Bedeutung hat der Alkohol auch im Bereich der Straßenverkehrsdelikte. Neben der Trunkenheit im Verkehr ist auch die Gefährdung des Straßenverkehrs, begangen von alkoholisierten Fahrzeugführern, die in der Praxis häufigste Anwendungsform.

Wenn Alkohol im Spiel ist, geht es häufig um die Promillezahlen. Die Alkoholgrenzwerte spielen dabei an zwei Stellen eine Rolle:

Zum Einen – vor allem bei den verkehrsstrafrechtlichen Delikten – spielt die Alkoholisierung des Täters (Promillezahl) bereits bei der Frage eine Rolle, ob überhaupt der Tatbestand des jeweiligen Verkehrsstrafdeliktes erfüllt ist.

Deshalb ist es – gerade im Verkehrsstrafrecht – für die Polizei und Staatsanwaltschaft so wichtig zu ermitteln, wie viel Promille tatsächlich der jeweilige Täter (in der Regel Fahrzeugführer) hatte. Dazu wird in der Praxis regelmäßig von einem Arzt Blut abgenommen.

Alkohol auf Tatbestandsebene

Für die Frage, ob eine Trunkenheit im Verkehr vorliegt (§ 316 StGB) oder aber eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) sind folgende Alkohol- Grenzwerte wichtig:

- Ab 1,1‰ (Promille) liegt bei Kraftfahrern (Autofahrern, Lkw-Fahrern, Motorradfahrern) eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. Bei Radfahrern wird die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,6 ‰ (Promille) angenommen.

Absolute Fahruntüchtigkeit bedeutet, dass eine unwiderlegbare Vermutung einer sog. alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit vorliegt. In der Praxis kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob tatsächlich etwa das Reaktionsvermögen oder aber die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist. Sofern deshalb mindestens 1,1 ‰ (Promille) bei Kraftfahrern bzw. mindestens 1,6 ‰ (Promille) bei Radfahrern zur Tatzeit vorliegt, ist immer von einer Tatbestandsverwirklichung der Trunkenheit im Verkehr bzw. – wenn es zu einem sog. Beinahe-Unfall kommt – von einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) auszugehen

- Zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,09‰ (Promille) (bei Kraftfahrern wie Pkw-Fahrern, Lkw-Fahrern bzw. Motorradfahren) bzw. zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,59 ‰ (Promille) (bei Radfahrern) liegt eine sog. relative Fahruntüchtigkeit vor. Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit liegt auch eine Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs dann vor, wenn es aufgrund der Alkoholisierung zu sog. alkoholbedingten Ausfallerscheinungen kommt. Solche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen können z.B. sein ein Schlangenlinienfahren, ein unsicheres Fahren, ein nicht verkehrsbedingtes Bremsen etc. Diesen Nachweis der alkoholbedingten Ausfallerscheinung müssen die Ermittlungsbehörden in der Praxis erbringen; darauf kann man häufig eine erfolgreiche Verteidigung aufbauen. Bei einer Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs wird grundsätzlich auch eine Sperre verhängt, wobei die Sperrfrist gem. § 69 a StGB zwischen sechs Monaten und 5 Jahren liegt.

- Ab 0,5‰ (Promille) bei Kraftfahrern (Pkw-Fahrer, Lkw-Fahrer, Motorradfahrer) liegt in jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit vor, die zwar nicht mit einer Geldstrafe, aber mit einem Bußgeld belegt wird. Dies ist in § 24 a StVG geregelt. Eine solche Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG führt in jedem Fall zu einem Fahrverbot. In der Praxis ist festzustellen, dass ein Fahrverbot von einem Monat verhängt wird bei einer Promillezahl von 0,5 – 0,7 ‰ (Promille), zwei Monate Fahrverbot in der Regel zwischen 0,7 und 0,9 ‰ (Promille) und drei Monate Fahrverbot bei 0,9 bis 1,09‰ ( Promille).

Gerade bei den Gewaltdelikten finden sich in der Praxis häufig stark alkoholisierte Täter. Der Alkoholisierungsgrad erreicht dabei oft Grenzen von 2 Promille bzw. sogar 3‰ (Promille). Alkohol spiel im Strafrecht dann eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB oder gar eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB angenommen werden kann.

In der strafrechtlichen Praxis werden für die Fragen der Schuldfähigkeit aufgrund eines Alkoholkonsums häufig psychiatrische Sachverständigengutachten eingeholt.

Feste Grenzwerte wie für die Frage des Tatbestandes (s.o.) gibt es bei Alkohol als Kriterium einer sog. krankhaften seelischen Störung (Schuldfähigkeit / verminderte Schuldfähigkeit) nicht. Feststellen kann man jedoch, dass ab einer Promillezahl von 2‰ (Promille) oder mehr die Frage der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden muss und – nicht nur im Einzelfall – häufig angenommen werden muss. Dies gilt zumindest bei Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo). Die Frage der verminderten Schuldfähigkeit aufgrund des Alkoholes spielt für den Angeklagten deshalb eine große Rolle, weil dadurch eine gesetzliche Strafrahmenverschiebung im Sinne einer deutlichen Strafmilderung nach § 21 StGB i.V.m. § 49 StGB angenommen werden kann. Dadurch wird in der Praxis vielfach der Angeklagte spürbar weniger hart bestraft.

Eine Schuldunfähigkeit – und damit eine Straflosigkeit nach dem jeweiligen Delikt – ist naheliegend ab einem Promillewert von 3‰ (Promille). War der Täter bei Begehung der Tat schuldunfähig, wozu auch eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit gehört, kann er dafür nicht bestraft werden.

Häufig kann dann aber eine Verurteilung wegen Vollrausches (§ 323 a StGB) erfolgen.Geht die hohe Alkoholisierung und der hohe Alkoholisierungsgrad auf eine Alkoholkrankheit zurück, besteht in diesen Fällen vielfach auch die Möglichkeit bzw. die Gefahr, dass eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – anstelle oder neben der Strafe – durch das Gericht angeordnet wird. Dies kann für den Angeklagten bei einer erkannten Alkoholkrankheit natürlich eine große Chance bieten. Andererseits wird – bei Abbruch einer solchen Therapie – die dadurch faktisch erlittene Freiheitsentziehung nur teilweise auf die zu verbüßende Strafe angerechnet.

Zu beachten ist, dass die Frage der Alkoholisierung sowohl für die Tatbestandmäßigkeit (Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs), als auch für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit immer zur Tatzeit zu ermitteln ist. In der Regel erfolgt ja die Blutentnahme einige Zeit (oft einige Stunden) nach der Tatbegehung. Dann ist zur Ermittlung der genauen Alkoholisierung zur Tatzeit zurückzurechnen. Da hierbei auch Sicherheitszuschläge zu Gunsten des Angeklagten gemacht werden, kann über diese Rückrechnung häufig ein für den Angeklagten „günstigeres“ Ergebnis begründet werden. In der Praxis lässt sich feststellen, dass bei dieser Rückrechnungsproblematik auf den Alkoholisierungsgrad zur Tatzeit viele Fehler gemacht werden, manchmal wird die Rückrechnung sogar vergessen.

Der Umfang mit alkoholisierten Tätern ist in der Strafverteidigerpraxis komplex und schwierig. Es sind – neben dem eigentlichen strafrechtlichen System- viele weitere Aspekte wie Maßregeln der Besserung und Sicherung zu berücksichtigen. Auch mit dem Mandanten / Angeklagten selbst muss die Frage des Umgangs mit seiner Alkoholisierung genau erörtert und besprochen werden. Denn vielfach kann ein Strafverfahren, welches einen alkoholisierten Täter zu beurteilen hat, dazu genutzt werden, dem Angeklagten eine Hilfestellung für ein mögliches Alkoholproblem zu geben. Dies setzt aber eine Bereitschaft des Mandanten voraus, ein evtl. Alkoholproblem zu erkennen und behandlungswillig für dieses Alkoholproblem zu sein.

All diese Aspekte müssen bei einer erfolgreichen Strafverteidigung mit alkoholisierten Tätern berücksichtigt werden.

B

  • Besuchserlaubnis
  • Besuchserlaubnis

    Eine Besuchserlaubnis braucht man, wenn man in der JVA (Justizvollzugsanstalt) einen Häftling in der Untersuchungshaft (U-Haft) aufsuchen / besuchen will.

    Dies gilt grundsätzlich auch für die Rechtsanwälte, wobei der als Rechtsanwalt tätige Strafverteidiger eine sog. Dauerbesuchserlaubnis erhält. Der Strafverteidiger kann und darf jederzeit, auch mehrfach pro Tag, seinen Mandanten in der Untersuchungshaft besuchen. Die Kommunikation, also die Gespräche mit dem Verteidiger, werden auch nicht überwacht. Der Verteidiger darf auch die Akten und Ermittlungsakten in die JVA nehmen. Dem inhaftierten Beschuldigten darf man auch Kopien aus der Ermittlungsakte überlassen und er kann diese in die JVA mitnehmen. Der „Verkehr“ zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger ist grundsätzlich von „jedweder staatlicher Überwachung frei“.

    Dies gilt nicht für Rechtsanwälte, die keine strafrechtliche Vollmacht haben. Wer also in Untersuchungshaft ist und mit seinen zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälten eine Besprechung führen möchte, kann dies nur dann tun, wenn für die zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälte eine Besuchserlaubnis ausgestellt wurde.

    Eine Besuchserlaubnis ist auch für die Angehörigen, sogar für die nächsten Angehörigen, wie die Ehefrau oder die Kinder, erforderlich.

    Die Besuchserlaubnis wird schriftlich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt. In der Regel ist dazu eine Kopie des Personalausweises bzw. die Vorlage des Originals bei der Abholung der Besuchserlaubnisse erforderlich.

    Ich selbst will den Angehörigen in der schlimmen Zeit der Untersuchungshaft nach Möglichkeit beistehen, weshalb ich für die Angehörigen grundsätzlich Besuchserlaubnisse beantrage.

    Der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte hat auch Anspruch darauf, dass er regelmäßig Besuch erhält. Man muss sich dabei immer in Erinnerung rufen, dass der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte unschuldig ist, es liegt ja noch kein rechtskräftiges Urteil vor.

    In der Regel haben die jeweiligen Justizvollzugsanstalten eigene Besuchsregeln, die zuvor in Erfahrung zu bringen sind. Da auch die Besuchsräume in tatsächlicher Hinsicht nur begrenzt sind, liegt es auf der Hand, dass die Angehörigen nicht jeden Tag ihre Verwandten in der JVA besuchen können. In der Regel besteht ein Besuchsrecht alle 14 Tage; dies kann jedoch im Einzelfall variieren.

    Eine Besuchserlaubnis darf von der Staatsanwaltschaft nur dann verweigert werden, wenn Gründe dafür bestehen. Solche Gründe werden häufig dann bejaht, wenn der Verdacht besteht, dass der Besucher selbst in die zu ermittelnde Straftat verwickelt ist. Mit der Verweigerung der Besuchserlaubnis will die Strafverfolgungsbehörde verhindern, dass im Rahmen von Besuchen in der JVA Absprachen getroffen werden.

    Eine Verweigerung der Besuchserlaubnisse wegen des Verdachts der Beteiligung an der Straftat darf auch gegenüber den engsten Verwandten und engsten Angehörigen, erstrecht auch gegen Bekannte oder Freunde ausgesprochen werden.

    Der Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis kann jederzeit gestellt und auch jederzeit wiederholt werden.

    In der strafrechtlichen Praxis findet sich gelegentlich die Situation, dass der Beschuldigte in der JVA Besuch erhält, den er gar nicht wünscht. Als Verteidiger trage ich dann dafür Sorge, dass dies unterbleibt. Selbstverständlich muss sich der in U-Haft befindliche Beschuldigte keinen Besuch aufzwängen lassen.

    Die Besucher werden vor dem Betreten der JVA zunächst anhand des Personalausweises / Reisepasses identifiziert. Sie müssen zu der jeweiligen Besuchszeit rechtzeitig erscheinen. Als Besucher sollte man mindestens eine halbe Stunde vor Besuchsbeginn an der JVA sein, weil am Eingang eine körperliche Durchsuchung stattfindet. Dies ist zulässig, weil die Beamten der Justizvollzugsanstalt berechtigt und verpflichtet sind zu überwachen, dass keine illegalen Gegenstände (Waffen, Betäubungsmittel, Geld etc.) in die JVA eingeschleust werden. Am Eingang der JVA befindet sich auch ein Metalldetektor, vergleichbar der Sicherheitsschleuse am Flughafen. Metallische Gegenstände werden dann durch ein akustisches Signal erkannt.

    Wenn Anklage erhoben wurde, dann ist nicht mehr die Staatsanwaltschaft für die Erteilung von Besuchserlaubnissen zuständig, sondern das mit der Sache befasste Gericht.

  • Beschuldigter / Beschuldigte
  • Beschuldigter / Beschuldigte

    Als Beschuldigter/Beschuldigte werden die Personen bezeichnet, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Sobald die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, wird der Beschuldigte auch Angeschuldigter genannt. Wenn die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird (sog. Eröffnungsbeschluss), so wird der Beschuldigte oder Angeschuldigte zum Angeklagten.

    Als Beschuldigter gelten Sie von Gesetzes wegen als unschuldig (sog. Unschuldsvermutung). Erst nach rechtskräftiger Verurteilung entfällt diese Unschuldsvermutung und es treten die gesetzlichen Folgen einer solchen Verurteilung ein.

    Gesetzliche Folgen einer Verurteilung sind bspw. die Eintragung im Bundeszentralregister (BZR), Verkehrszentralregister (VZR) oder Erziehungsregister.

    Manchmal hat eine Verurteilung auch ein Berufsverbot zur Folge.

    Der Beschuldigte hat viele Rechte. Darauf wird der Beschuldigte von den Ermittlungsbehörden oftmals nicht deutlich genug hingewiesen.

    So hat der Beschuldigte ein vollumfängliches Schweigerecht. Darüber ist er zu belehren, bevor er irgendwelche Angaben zur Sache macht. Dieses Schweigerecht des Beschuldigten gilt nicht nur gegenüber den Richtern oder Staatsanwälten, sondern gegenüber sämtlichen Ermittlungspersonen. Auch gegenüber der Polizei, den Beamten des Hauptzollamtes oder den Beamten der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamtes muss man keinerlei Angaben machen.

    Strategisch betrachtet ist es meistens sinnvoll, als Beschuldigter von diesem Schweigerecht Gebrauch zu machen und zunächst über einen Strafverteidiger die Ermittlungsakten einzusehen. Je weniger der Beschuldigte den Ermittlungsbehörden berichtet hat, desto größer ist die Möglichkeit einer effektiven Strafverteidigung. Unter den Verhaltensregeln wird dargestellt, wie Sie sich sinnvoller Weise verhalten sollen/können, um die anschließende Strafverteidigung so effektiv wie möglich zu gestalten.

    Als Beschuldigter sind Sie nach dem Gesetz aber auch darüber zu belehren, dass Sie jederzeit einen Strafverteidiger anrufen und um Hilfe/Rat bitten können. Erfahrungsgemäß rät der Strafverteidiger dem Beschuldigten, zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.

    Weil die Ermittlungen gegen den Beschuldigten oftmals ins Stocken geraten, sobald ein Strafverteidiger auftritt, hat man gelegentlich das Gefühl, dass die Beschuldigten möglichst lange in Unkenntnis über ihr Schweigerecht und das Recht der Anwaltskonsultation bleiben sollen. All zu häufig berichten die Beschuldigten dem Strafverteidiger, über ihr Schweigerecht oder ihr Recht, einen Anwalt anzurufen, nicht belehrt worden zu sein.

    Trotz der sicherlich vorhandenen Nervosität und der Aufregung des Beschuldigten beim Umgang mit den Ermittlungsbehörden ist es kaum denkbar, dass in allen berichteten Fällen die Erinnerung des Beschuldigten an die Belehrung getrübt ist oder fehlt.

    Meiner Überzeugung nach sollte gerade wegen der nervenaufreibenden Situation (Kontakt mit der Polizei, Staatsanwaltschaft etc.) die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht und die Belehrung des Beschuldigten über das Recht, einen Anwalt anzurufen, in aller Deutlichkeit erfolgen. Nur so kann ein rechtsstaatlich gewünschtes faires Verfahren herbeigeführt werden.

    Der Beschuldigte hat darüber hinaus viele weitere Rechte, aber auch Pflichten. Die Rechte des Beschuldigten zu wahren, ist die primäre Aufgabe und oberste Pflicht des Strafverteidigers. Eine echte Waffengleichheit zwischen den Ermittlungsbehörden und dem Beschuldigten kann erst mit der Beauftragung eines Strafverteidigers hergestellt werden.

    Seinem Strafverteidiger gegenüber kann sich der Beschuldigte rückhaltlos offenbaren. Der Strafverteidiger hat – wie jeder Rechtsanwalt – eine strenge Pflicht, alle Informationen des Beschuldigten vertraulich zu behandeln und sie niemanden zu offenbaren. Dies gilt selbstverständlich über das bestehende Mandat hinaus. Auch wenn der Beschuldigte etwa seinen Anwalt wechselt, darf der frühere Anwalt über die erlangten Informationen niemandem berichten. Diese Schweigepflicht des Strafverteidigers ist sogar strafrechtlich abgesichert. Verletzt der Rechtsanwalt diese Schweigepflicht, macht er sich strafbar. Auch die Rechtsanwaltskammer überwacht die Einhaltung dieser Schweigepflicht und reagiert bei Verletzungen mit berufsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Entziehung der Zulassung als Rechtsanwalt.

    Als Beschuldigter/Beschuldigte sind Sie gut beraten, wenn Sie so früh wie möglich einen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht mit ihrer Strafverteidigung beauftragen.

  • Berufsverbot als GmbH-Geschäftsführer und Vorstand einer AG
  • Berufsverbot als GmbH-Geschäftsführer und Vorstand einer AG

    Das Strafgericht kann nach § 70 StGB im Urteil ein Berufsverbot anordnen, wenn der Angeklagte eine rechtswidrige Tat unter Missbrauch seines Berufes oder seines Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit dem Beruf verbundenen Pflichten begangen hat. Diese Vorschrift soll –so der Wille des Gesetzgebers – die Allgemeinheit vor der Gefahr der Begehung von Straftaten durch den Täter im Rahmen seiner Berufs- oder Gewerbeausübung schützen. Das im Urteil angeordnete Berufsverbot hat deshalb mit der Strafe im eigentlichen Sinne überhaupt nichts zu tun. Dieses Berufsverbot ist eine reine Sicherungsmaßnahme.

    Daneben gibt es Berufsverbote, die kraft Gesetzes eintreten. Eine zusätzliche Anordnung durch das Strafgericht im Urteil ist nicht erforderlich. In der Praxis der Strafverteidiger sind dabei das Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH (§ 6 GmbHG) sowie das Berufsverbot als Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 76 AG) am Häufigsten.

    Kraft Gesetzes kann Geschäftsführer oder Vorstand nicht sein, wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten

    - des Unterlassen der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenz- verfahrens (Insolvenzverschleppung),

    - nach den §§ 283 bis 283 b StGB (Insolvenzstraftaten),

    - der falschen Angabe nach § 399 AG oder § 82 GmbHG,

    - der unrichtigen Darstellung nach § 400 AG, § 331 HGB, § 313 UmwG oder § 17 PubG

    oder

    - nach den §§ 263 bis 264 a StGB oder §§ 265 b bis 266 a StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr

    verurteilt worden ist.

    Das gesetzliche Berufsverbot gilt für die Dauer von 5 Jahren ab Rechtskraft des Urteils.

    Dieses gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Vorstand einer AG ist durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) erheblich ausgeweitet worden. Diese neue und schärfere Rechtslage hat seit dem 01.11.2008 Gültigkeit.

    Das gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG gilt seit 01.11.2008 nämlich nicht nur für die Insolvenzdelikte im engeren Sinne (§§ 283 bis 283 d StGB), sondern auch nach jeder rechtskräftigen Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung. Dies war bis zum 01.11.2008 nicht der Fall.

    Ebenso ist das gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG auch auf sonstige Delikte und Straftatbestände erweitert worden, die üblicher Weise im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppung einhergehen. Solche typischen Delikte im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppung sollen nach dem Gesetzgeber die §§ 263 bis 264 a StGB sowie §§ 265 b bis 266 a StGB sein. Typische Insolvenzstraftaten sollen deshalb sein:

    - Betrug nach § 263 StGB: Im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten finden sich häufig Ermittlungen im Rahmen von Rundschreiben an sämtliche Kreditoren (Gläubiger, Lieferanten, Vertragspartner) des Gemeinschuldners. Dem Geschäftsführer der GmbH bzw. Vorstand der AG wird häufig vorgeworfen, trotz fehlender Liquidität Bestellungen veranlasst zu haben, obwohl der Geschäftsführer bzw. Vorstand damit rechnen musste, im Fälligkeitszeitpunkt die Rechnung nicht mehr bezahlen zu können.

    - § 263 a Computerbetrug: Danach ist strafbar, wer durch unlautere Einwirkung auf den EDV-Ablauf eines Computers z.B. Bestellungen veranlasst und dadurch bei einem anderen einen Schaden herbeiführt. Im Zusammenhang mit den Insolvenzstraftaten und dem damit verbundenen Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Vorstand einer AG scheint die Einbeziehung des Computerbetruges eher ein gesetzgeberisches Versehen zu sein.

    - § 264 StGB Subventionsbetrug: Wegen Subventionsbetrug wird bestraft, wer bei einer Behörde oder sonstigen Stelle (Subventionsgeber) unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Vorteile, etwa in Form einer Subvention oder Subventionsberechtigung erlangt. Im Zusammenhang mit Insolvenzstraf- taten kann dies dann eine Rolle spielen, wenn das Unternehmen eine solche Subvention beantragt, um eine Liquiditätskrise oder gar Insolvenz- gründe (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) zu beseitigen.

    - § 264 a StGB Kapitalanlagebetrug: Strafbar ist wegen Kapitalanlagebetruges, wer in Prospekten oder in Darstellungen oder in Übersichten über den Vermögensstand gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Absichten verschweigt und in diesem Zusammenhang Wertpapiere oder Bezugrechte vertreibt oder Anteile an einem Unternehmen gewährt. Auch dieses Delikt findet sich gelegentlich im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Insolvenzstraftaten, wenn bspw. Gesellschaftsanteile oder Aktienanteile zur Beschaffung von Liquidität veräußert werden sollen.

    - § 265 b StGB Kreditbetrug: Wegen Kreditbetruges macht sich strafbar, wer einem Betrieb oder Unternehmen einen Kredit beschaffen will und gegenüber dem Kreditgeber unrichtige oder unvollständige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse macht, insbesondere unrichtige oder unvollständige Unterlagen, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen oder sonstige unrichtige Vermögens- übersichten vorlegt. Ebenso macht sich ein Geschäftsführer oder Vorstand strafbar, der eine solche Verschlechterung in den wirtschaftlichen Verhältnissen bei der Vorlage an den Kreditgeber nicht mitteilt.

    - § 266 StGB Untreue Wegen Untreue macht sich strafbar, wer eine ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder für andere Verträge abzuschließen, missbraucht und dadurch demjenigen, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Ermittlungen wegen Verdachts der Untreue gibt es im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten häufig. Es ist oft zu beobachten, dass der Geschäftsführer oder Vorstand versucht, in der Krise (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung)werthaltige Vermögensteile, Bankguthaben etc. „zu sichern“, um sie dem Zugriff potentieller Gläubiger oder einem späteren Insolvenzverwalter zu entziehen. Häufig versucht der Geschäftsführer oder Vorstand aber auch im Rahmen eines Sanierungs- konzepts lukrative Betriebsteile zu retten, um nach der Insolvenz weiter- arbeiten zu können. Dieses an sich verständliche Bestreben des Geschäfts- führers und Vorstandes wird im Insolvenzstrafrecht besonders kritisch beäugt. Die Untreue nach § 266 StGB gerät hier häufig in Konflikt mit dem Bankrott nach § 283 StGB.

    - § 266 a StGB Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Die Beitragsvorenthaltung ist ein häufig beobachtetes Delikt im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten. Der Geschäftsführer oder Vorstand versucht häufig Liquidität dadurch zu beschaffen, indem er Beiträge seiner Mitarbeiter an die Krankenkassen nicht oder nicht rechtzeitig abführt. Während früher allein das Nichtabführen der Arbeitnehmeranteile strafbar war, ist zwischenzeitlich – unter bestimmten Voraussetzungen – auch das Nichtabführen der Arbeitgeberbeiträge unter Strafe gestellt.

    Das gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG nach den §§ 263 bis 264 a StGB oder §§ 265 b bis 266 a StGB gilt nur, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verhängt wird.

    Diese Freiheitsstrafe von einem Jahr erfordert in machen Fällen die Mitteilung an die Staatsanwaltschaften oder Strafgerichte, dass der Beschuldigte als GmbH-Geschäftsführer oder Vorstand einer AG weiterhin tätig ist. In vielen Fällen kann dann „gestalterisch“ ein solches Ergebnis erzielt werden, dass die Verurteilung zu den vorgenannten Delikten bei knapp unter einem Jahr bleibt. Der Geschäftsführer bzw. Vorstand ist dann zwar verurteilt, das gesetzliche Berufsverbot kann jedoch verhindert werden.

Besuchserlaubnis

Eine Besuchserlaubnis braucht man, wenn man in der JVA (Justizvollzugsanstalt) einen Häftling in der Untersuchungshaft (U-Haft) aufsuchen / besuchen will.

Dies gilt grundsätzlich auch für die Rechtsanwälte, wobei der als Rechtsanwalt tätige Strafverteidiger eine sog. Dauerbesuchserlaubnis erhält. Der Strafverteidiger kann und darf jederzeit, auch mehrfach pro Tag, seinen Mandanten in der Untersuchungshaft besuchen. Die Kommunikation, also die Gespräche mit dem Verteidiger, werden auch nicht überwacht. Der Verteidiger darf auch die Akten und Ermittlungsakten in die JVA nehmen. Dem inhaftierten Beschuldigten darf man auch Kopien aus der Ermittlungsakte überlassen und er kann diese in die JVA mitnehmen. Der „Verkehr“ zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger ist grundsätzlich von „jedweder staatlicher Überwachung frei“.

Dies gilt nicht für Rechtsanwälte, die keine strafrechtliche Vollmacht haben. Wer also in Untersuchungshaft ist und mit seinen zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälten eine Besprechung führen möchte, kann dies nur dann tun, wenn für die zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälte eine Besuchserlaubnis ausgestellt wurde.

Eine Besuchserlaubnis ist auch für die Angehörigen, sogar für die nächsten Angehörigen, wie die Ehefrau oder die Kinder, erforderlich.

Die Besuchserlaubnis wird schriftlich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt. In der Regel ist dazu eine Kopie des Personalausweises bzw. die Vorlage des Originals bei der Abholung der Besuchserlaubnisse erforderlich.

Ich selbst will den Angehörigen in der schlimmen Zeit der Untersuchungshaft nach Möglichkeit beistehen, weshalb ich für die Angehörigen grundsätzlich Besuchserlaubnisse beantrage.

Der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte hat auch Anspruch darauf, dass er regelmäßig Besuch erhält. Man muss sich dabei immer in Erinnerung rufen, dass der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte unschuldig ist, es liegt ja noch kein rechtskräftiges Urteil vor.

In der Regel haben die jeweiligen Justizvollzugsanstalten eigene Besuchsregeln, die zuvor in Erfahrung zu bringen sind. Da auch die Besuchsräume in tatsächlicher Hinsicht nur begrenzt sind, liegt es auf der Hand, dass die Angehörigen nicht jeden Tag ihre Verwandten in der JVA besuchen können. In der Regel besteht ein Besuchsrecht alle 14 Tage; dies kann jedoch im Einzelfall variieren.

Eine Besuchserlaubnis darf von der Staatsanwaltschaft nur dann verweigert werden, wenn Gründe dafür bestehen. Solche Gründe werden häufig dann bejaht, wenn der Verdacht besteht, dass der Besucher selbst in die zu ermittelnde Straftat verwickelt ist. Mit der Verweigerung der Besuchserlaubnis will die Strafverfolgungsbehörde verhindern, dass im Rahmen von Besuchen in der JVA Absprachen getroffen werden.

Eine Verweigerung der Besuchserlaubnisse wegen des Verdachts der Beteiligung an der Straftat darf auch gegenüber den engsten Verwandten und engsten Angehörigen, erstrecht auch gegen Bekannte oder Freunde ausgesprochen werden.

Der Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis kann jederzeit gestellt und auch jederzeit wiederholt werden.

In der strafrechtlichen Praxis findet sich gelegentlich die Situation, dass der Beschuldigte in der JVA Besuch erhält, den er gar nicht wünscht. Als Verteidiger trage ich dann dafür Sorge, dass dies unterbleibt. Selbstverständlich muss sich der in U-Haft befindliche Beschuldigte keinen Besuch aufzwängen lassen.

Die Besucher werden vor dem Betreten der JVA zunächst anhand des Personalausweises / Reisepasses identifiziert. Sie müssen zu der jeweiligen Besuchszeit rechtzeitig erscheinen. Als Besucher sollte man mindestens eine halbe Stunde vor Besuchsbeginn an der JVA sein, weil am Eingang eine körperliche Durchsuchung stattfindet. Dies ist zulässig, weil die Beamten der Justizvollzugsanstalt berechtigt und verpflichtet sind zu überwachen, dass keine illegalen Gegenstände (Waffen, Betäubungsmittel, Geld etc.) in die JVA eingeschleust werden. Am Eingang der JVA befindet sich auch ein Metalldetektor, vergleichbar der Sicherheitsschleuse am Flughafen. Metallische Gegenstände werden dann durch ein akustisches Signal erkannt.

Wenn Anklage erhoben wurde, dann ist nicht mehr die Staatsanwaltschaft für die Erteilung von Besuchserlaubnissen zuständig, sondern das mit der Sache befasste Gericht.

E

  • EMCS-Verfahren und Hinterziehung von Verbrauchssteuern (z.B. Biersteuer)
  • EMCS-Verfahren und Hinterziehung von Verbrauchssteuern (z.B. Biersteuer)

    Das EMCS-Verfahren spielt in der forensischen Praxis vor allem bei der Hinterziehung von Verbrauchssteuern eine Rolle.

    Als Verbrauchssteuern werden solche Steuerarten bezeichnet, die auf den Verbrauch von einzelnen Gütern oder Dienstleistungen erhoben werden. Verbrauchssteuern sind die ältesten Steuern, sie sind einfach zu erheben und die Besteuerung betrifft nur eine kleine Zahl von Händlern oder Herstellern der jeweiligen Produkte. Mit Verbrauchssteuern wird auf politischer Ebene auch eine Lenkungswirkung erreicht. Die Tabaksteuer beispielsweise soll der Förderung der Gesundheit dienen, eine Spielbankabgabe der Hebung der Moral und die CO2-Steuer dem Schutz der Umwelt etc.

    Bekannte Verbrauchssteuern sind etwa die Biersteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Tabaksteuer, Zuckersteuer und Energiesteuer. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Verbrauchssteuern.

    Das EMCS-Verfahren (EMCS bedeutet Excise Movement and Control System) dient der zolltechnischen Abwicklung von Beförderungsvorgängen zwischen Steuerlagern auch über Ländergrenzen von EU-Ländern hinweg. Es gilt seit dem 01.01.2011 in der gesamten EU.

    Mit dem EMCS-Verfahren wird die steuerfreie Verbringung von Waren zwischen Steuerlagern dokumentiert. Ob tatsächlich Waren transportiert werden, vermag das EMCS-Verfahren nicht zu überprüfen. In der Praxis gibt es nur stichprobenartige Kontrollen der zuständigen Zollbehörden.

    Das EMCS-Verfahren ist deshalb nicht in der Lage zu überprüfen, ob beispielsweise tatsächlich ein Wareneingang im empfangenden Steuerlager stattgefunden hat. Eine effektive Kontrolle, ob die Waren also beim vermeintlichen Empfangssteuerlager tatsächlich ankommen oder aber ob die Ware aus dem behaupteten Liefervorgang ausgeschleust wird, kann das EMCS-Verfahren nicht kontrollieren.

    Das EMCS-Verfahren ist ein elektronisches Verfahren, bei dem das versendende Steuerlager ein elektronisches Verwaltungsdokument, welches – auch in der Praxis – eVD genannt wird, generiert. Dieses eVD enthält für jede einzelne Lieferung eine individuelle Referenznummer und wird an das empfangende Lager weitergeleitet.

    Das eVD enthält für jede einzelne Lieferung die exakten Daten der jeweiligen Ware, so also – etwa bei Bier – die Menge des transportierten Bieres, die Biersorte, Alkoholgehalt, Abgangslager und Ziellager. Ebenso enthält das eVD exakte Daten über den LKW, der das Bier transportiert, einschließlich Kfz-Kennzeichen, Frachtführer, Stand des Transports (laufende/erledigt) etc.

    Die europäischen Zollbehörden haben Einsicht in diese Daten.

    Während des Transports muss der Spediteur einen sogenannten vereinfachten Frachtbrief in Papierform mitführen. Dieser wird beim Ziellager gestempelt und unterschrieben. Dieser Frachtbrief muss sodann – elektronisch oder in Papierform – an das versendende Lager zurückgesandt werden.

    Nach Eingang der transportierten Ware im Ziellager muss von dort unverzüglich die Erledigung des Transports, also etwa der Eingang des Bieres  im EMCS-System gegenüber dem Empfangsmitgliedstaat bestätigt werden. Der Empfangsmitgliedstaat leitet das eVD sodann an den Entsendestaat zurück. Das versendende Lager erhält über den eigenen Entsendestaat daraufhin diese Bestätigung zurück.

    Wie dargestellt findet keine physikalische Kontrolle der einzelnen Lieferungen durch die Zollbehörden statt, es gibt lediglich Stichproben. Nur wenn im EMCS-Verfahren ein Transport unerledigt bleibt, der Eingang der transportierten Ware also vom empfangenen Steuerlager nicht bestätigt wird, erhalten die Zollbehörden einen Hinweis auf den noch offenen Vorgang und beginnen vor Ort zu überprüfen.

    Manche Beschuldigte machen sich die erheblichen Gefälle unterschiedlicher Verbrauchssteuer in den verschiedenen Ländern der EU zu Nutze und versuchen – zu Lasten des Fiskus – zum Teil erhebliche Gewinne zu generieren. Aufgrund der starken Gefälle der unterschiedlichen Verbrauchssteuern kommen hierbei schnell beträchtliche Steuerschäden zusammen, die – unter Berücksichtigung der steuerstrafrechtlichen Rechtsprechung – häufig mit nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafen enden.

    Das System der Verbrauchssteuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg soll exemplarisch anhand der Biersteuer dargestellt werden:

    Bier unterliegt in Deutschland der sogenannten Biersteuer, bei der es sich – wie oben dargestellt – um eine Verbrauchssteuer im Sinne der Abgabenordnung (AO) handelt, § 1 Abs. 1 BierStG. Eine Biersteuer fällt aber dann nicht an, solange sich das Bier in einem genehmigten Steuerlager und damit in einem Verfahren der Steueraussetzung befindet, § 4 BierStG.

    Steuerfrei ist auch ein Transport zwischen genehmigten Steuerlagern, insbesondere auch die Verbringung aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedsstaat der EU in ein deutsches Steuerlager (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BierStG). Die Biersteuer fällt erst dann an, wenn das Bier an den Groß- und Einzelhandel oder aber direkt an den Endverbraucher abgegeben wird. Das Biersteuergesetz spricht davon, dass das Bier nunmehr in den sogenannten freien Verkehr gelangt (§ 15 Abs. 1 BierStG).

    Allerdings fällt sofort die Biersteuer an, wenn es beim angeblichen Transport zwischen Steuerlagern zu Unregelmäßigkeiten kommt (§ 13 BierStG). Dies gilt vor allem dann, wenn das Bier dem Transportvorgang entnommen wird oder aber der Transport nicht an das vorher angemeldete Ziel durchgeführt wird.

    Folge solcher Unregelmäßigkeiten ist, dass u.a. der versendende Steuerlagerinhaber Schuldner der Biersteuer wird (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 BierStG).

    Der – steuerfreie – Transport zwischen Steuerlagern findet regelmäßig im vorgenannten EMCS-Verfahren statt.

    In Europa gibt es ein enormes Gefälle bei der Biersteuerbelastung. Die Biersteuer in Deutschland zählt zu den niedrigsten in der EU. Seit 2009 fällt in Deutschland für einen Hektoliter Bier mit 12 Grad Stammwürze oder 4,8 % Vol. Alkohol ein Betrag von 9,44 € Biersteuer an.

    Zum Vergleich:

    Im Jahre 2017 fiel in Frankreich für dieselbe Menge Bier 35,37 €, also die fast vierfache Menge an Biersteuer an. In Großbritannien betrug die Biersteuer für dieselbe Menge Bier sogar 100,51 €.

    Dieses starke Gefälle bei der Biersteuerbelastung ist für viele Beschuldigte ein gewichtiger Anreiz zur Begehung von Verbrauchssteuerhinterziehungen.

    Das System der Biersteuerkarusselle funktioniert in der Praxis wie folgt:

    Bier, das sich in einem Steuerlager in einem Land mit hoher Biersteuer befindet (etwa in Frankreich oder in Großbritannien), wird „auf dem Papier“ in ein deutsches Steuerlager verbracht und von dort „auf dem Papier“ in den freien Verkehr veräußert. Dabei fällt – auf dem Papier – nur die deutlich geringere deutsche Biersteuer an.

    Vielfach werden durch die Täter diese deutsche Biersteuer auch angemeldet und tatsächlich entrichtet. So wird nach außen der Anschein aufrechterhalten, ein ordnungsgemäßes deutsches Steuerlager zu führen; der Widerruf der Erlaubnis zum Betreiben eines Steuerlagers wird vermieden.

    Durch die Erklärung und die Zahlung der deutschen Biersteuer wird zugleich verschleiert, dass es beim Abtransport der Ware aus dem Hochsteuerland zu Unregelmäßigkeiten im Sinne des Verbrauchssteuerrechts gekommen ist. Es wird verschleiert, dass der absendende Steuerlagerinhaber durch die Unregelmäßigkeiten an sich verpflichtet ist, den dort geltenden höheren Verbrauchssteuersatz zu zahlen.

    Tatsächlich wird das Bier in der Regel schwarz im Hochsteuerland selbst in den freien Verkehr gebracht und schwarz verkauft – manchmal wird das Bier auch in ein Land mit noch höherer Biersteuer geschmuggelt und dort auf dem Schwarzmarkt verkauft.

    In meiner forensischen Praxis finden sich vielfach Biersteuerkarusselle zwischen den Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien. Dabei werden in den allermeisten Fällen fingierte Lieferungen im EMCS-Verfahren an ein deutsches Biersteuerlager vorgegeben und in Deutschland auch tatsächlich die – angebliche – geringe Biersteuer angemeldet und bezahlt. Der tatsächliche Verkauf des Bieres auf dem Schwarzmarkt findet demgegenüber  in Frankreich statt – oder das Bier wird nach Großbritannien geschmuggelt und dort verkauft.

    Aufgrund des starken Gefälles der Biersteuer in der EU und der gesetzlichen Haftungsvorschriften für die Biersteuer für alle am Biersteuerkarussell Beteiligten, kommen schnell hohe Steuerschadensbeträge im 6- bzw. 7-stelligen Bereich zusammen. Aufgrund des grenzüberschreitenden Warenverkehrs handelt es sich in Fällen von Biersteuerkarussellen auch um umfangreiche und komplexe steuerstrafrechtliche Ermittlungen, für die vielfach Untersuchungshaftbefehle ausgestellt und – europaweit – vollstreckt werden.

    Häufig werden auch Biersteuerlagerinhaber in ihrer Gutgläubigkeit ausgenutzt und – ganz unbewusst – in derartige Steuerkarusselle eingebunden.

    Lassen Sie sich frühzeitig professionell beraten, wenn Sie in den Verdacht geraten, Teilnehmer eines solchen Steuerkarussells zu sein. Neben dem Risiko einer (Untersuchungs-) Haft und dem Verlust der Freiheit, gehen mit strafrechtlichen Steuerkarussellen meistens auch enorme steuerrechtliche Haftungsverfahren einher, die oft auf Lebenszeit zu einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen.

     

    Edgar Gärtner
    Rechtsanwalt

EMCS-Verfahren und Hinterziehung von Verbrauchssteuern (z.B. Biersteuer)

Das EMCS-Verfahren spielt in der forensischen Praxis vor allem bei der Hinterziehung von Verbrauchssteuern eine Rolle.

Als Verbrauchssteuern werden solche Steuerarten bezeichnet, die auf den Verbrauch von einzelnen Gütern oder Dienstleistungen erhoben werden. Verbrauchssteuern sind die ältesten Steuern, sie sind einfach zu erheben und die Besteuerung betrifft nur eine kleine Zahl von Händlern oder Herstellern der jeweiligen Produkte. Mit Verbrauchssteuern wird auf politischer Ebene auch eine Lenkungswirkung erreicht. Die Tabaksteuer beispielsweise soll der Förderung der Gesundheit dienen, eine Spielbankabgabe der Hebung der Moral und die CO2-Steuer dem Schutz der Umwelt etc.

Bekannte Verbrauchssteuern sind etwa die Biersteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Tabaksteuer, Zuckersteuer und Energiesteuer. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Verbrauchssteuern.

Das EMCS-Verfahren (EMCS bedeutet Excise Movement and Control System) dient der zolltechnischen Abwicklung von Beförderungsvorgängen zwischen Steuerlagern auch über Ländergrenzen von EU-Ländern hinweg. Es gilt seit dem 01.01.2011 in der gesamten EU.

Mit dem EMCS-Verfahren wird die steuerfreie Verbringung von Waren zwischen Steuerlagern dokumentiert. Ob tatsächlich Waren transportiert werden, vermag das EMCS-Verfahren nicht zu überprüfen. In der Praxis gibt es nur stichprobenartige Kontrollen der zuständigen Zollbehörden.

Das EMCS-Verfahren ist deshalb nicht in der Lage zu überprüfen, ob beispielsweise tatsächlich ein Wareneingang im empfangenden Steuerlager stattgefunden hat. Eine effektive Kontrolle, ob die Waren also beim vermeintlichen Empfangssteuerlager tatsächlich ankommen oder aber ob die Ware aus dem behaupteten Liefervorgang ausgeschleust wird, kann das EMCS-Verfahren nicht kontrollieren.

Das EMCS-Verfahren ist ein elektronisches Verfahren, bei dem das versendende Steuerlager ein elektronisches Verwaltungsdokument, welches – auch in der Praxis – eVD genannt wird, generiert. Dieses eVD enthält für jede einzelne Lieferung eine individuelle Referenznummer und wird an das empfangende Lager weitergeleitet.

Das eVD enthält für jede einzelne Lieferung die exakten Daten der jeweiligen Ware, so also – etwa bei Bier – die Menge des transportierten Bieres, die Biersorte, Alkoholgehalt, Abgangslager und Ziellager. Ebenso enthält das eVD exakte Daten über den LKW, der das Bier transportiert, einschließlich Kfz-Kennzeichen, Frachtführer, Stand des Transports (laufende/erledigt) etc.

Die europäischen Zollbehörden haben Einsicht in diese Daten.

Während des Transports muss der Spediteur einen sogenannten vereinfachten Frachtbrief in Papierform mitführen. Dieser wird beim Ziellager gestempelt und unterschrieben. Dieser Frachtbrief muss sodann – elektronisch oder in Papierform – an das versendende Lager zurückgesandt werden.

Nach Eingang der transportierten Ware im Ziellager muss von dort unverzüglich die Erledigung des Transports, also etwa der Eingang des Bieres  im EMCS-System gegenüber dem Empfangsmitgliedstaat bestätigt werden. Der Empfangsmitgliedstaat leitet das eVD sodann an den Entsendestaat zurück. Das versendende Lager erhält über den eigenen Entsendestaat daraufhin diese Bestätigung zurück.

Wie dargestellt findet keine physikalische Kontrolle der einzelnen Lieferungen durch die Zollbehörden statt, es gibt lediglich Stichproben. Nur wenn im EMCS-Verfahren ein Transport unerledigt bleibt, der Eingang der transportierten Ware also vom empfangenen Steuerlager nicht bestätigt wird, erhalten die Zollbehörden einen Hinweis auf den noch offenen Vorgang und beginnen vor Ort zu überprüfen.

Manche Beschuldigte machen sich die erheblichen Gefälle unterschiedlicher Verbrauchssteuer in den verschiedenen Ländern der EU zu Nutze und versuchen – zu Lasten des Fiskus – zum Teil erhebliche Gewinne zu generieren. Aufgrund der starken Gefälle der unterschiedlichen Verbrauchssteuern kommen hierbei schnell beträchtliche Steuerschäden zusammen, die – unter Berücksichtigung der steuerstrafrechtlichen Rechtsprechung – häufig mit nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafen enden.

Das System der Verbrauchssteuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg soll exemplarisch anhand der Biersteuer dargestellt werden:

Bier unterliegt in Deutschland der sogenannten Biersteuer, bei der es sich – wie oben dargestellt – um eine Verbrauchssteuer im Sinne der Abgabenordnung (AO) handelt, § 1 Abs. 1 BierStG. Eine Biersteuer fällt aber dann nicht an, solange sich das Bier in einem genehmigten Steuerlager und damit in einem Verfahren der Steueraussetzung befindet, § 4 BierStG.

Steuerfrei ist auch ein Transport zwischen genehmigten Steuerlagern, insbesondere auch die Verbringung aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedsstaat der EU in ein deutsches Steuerlager (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BierStG). Die Biersteuer fällt erst dann an, wenn das Bier an den Groß- und Einzelhandel oder aber direkt an den Endverbraucher abgegeben wird. Das Biersteuergesetz spricht davon, dass das Bier nunmehr in den sogenannten freien Verkehr gelangt (§ 15 Abs. 1 BierStG).

Allerdings fällt sofort die Biersteuer an, wenn es beim angeblichen Transport zwischen Steuerlagern zu Unregelmäßigkeiten kommt (§ 13 BierStG). Dies gilt vor allem dann, wenn das Bier dem Transportvorgang entnommen wird oder aber der Transport nicht an das vorher angemeldete Ziel durchgeführt wird.

Folge solcher Unregelmäßigkeiten ist, dass u.a. der versendende Steuerlagerinhaber Schuldner der Biersteuer wird (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 BierStG).

Der – steuerfreie – Transport zwischen Steuerlagern findet regelmäßig im vorgenannten EMCS-Verfahren statt.

In Europa gibt es ein enormes Gefälle bei der Biersteuerbelastung. Die Biersteuer in Deutschland zählt zu den niedrigsten in der EU. Seit 2009 fällt in Deutschland für einen Hektoliter Bier mit 12 Grad Stammwürze oder 4,8 % Vol. Alkohol ein Betrag von 9,44 € Biersteuer an.

Zum Vergleich:

Im Jahre 2017 fiel in Frankreich für dieselbe Menge Bier 35,37 €, also die fast vierfache Menge an Biersteuer an. In Großbritannien betrug die Biersteuer für dieselbe Menge Bier sogar 100,51 €.

Dieses starke Gefälle bei der Biersteuerbelastung ist für viele Beschuldigte ein gewichtiger Anreiz zur Begehung von Verbrauchssteuerhinterziehungen.

Das System der Biersteuerkarusselle funktioniert in der Praxis wie folgt:

Bier, das sich in einem Steuerlager in einem Land mit hoher Biersteuer befindet (etwa in Frankreich oder in Großbritannien), wird „auf dem Papier“ in ein deutsches Steuerlager verbracht und von dort „auf dem Papier“ in den freien Verkehr veräußert. Dabei fällt – auf dem Papier – nur die deutlich geringere deutsche Biersteuer an.

Vielfach werden durch die Täter diese deutsche Biersteuer auch angemeldet und tatsächlich entrichtet. So wird nach außen der Anschein aufrechterhalten, ein ordnungsgemäßes deutsches Steuerlager zu führen; der Widerruf der Erlaubnis zum Betreiben eines Steuerlagers wird vermieden.

Durch die Erklärung und die Zahlung der deutschen Biersteuer wird zugleich verschleiert, dass es beim Abtransport der Ware aus dem Hochsteuerland zu Unregelmäßigkeiten im Sinne des Verbrauchssteuerrechts gekommen ist. Es wird verschleiert, dass der absendende Steuerlagerinhaber durch die Unregelmäßigkeiten an sich verpflichtet ist, den dort geltenden höheren Verbrauchssteuersatz zu zahlen.

Tatsächlich wird das Bier in der Regel schwarz im Hochsteuerland selbst in den freien Verkehr gebracht und schwarz verkauft – manchmal wird das Bier auch in ein Land mit noch höherer Biersteuer geschmuggelt und dort auf dem Schwarzmarkt verkauft.

In meiner forensischen Praxis finden sich vielfach Biersteuerkarusselle zwischen den Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien. Dabei werden in den allermeisten Fällen fingierte Lieferungen im EMCS-Verfahren an ein deutsches Biersteuerlager vorgegeben und in Deutschland auch tatsächlich die – angebliche – geringe Biersteuer angemeldet und bezahlt. Der tatsächliche Verkauf des Bieres auf dem Schwarzmarkt findet demgegenüber  in Frankreich statt – oder das Bier wird nach Großbritannien geschmuggelt und dort verkauft.

Aufgrund des starken Gefälles der Biersteuer in der EU und der gesetzlichen Haftungsvorschriften für die Biersteuer für alle am Biersteuerkarussell Beteiligten, kommen schnell hohe Steuerschadensbeträge im 6- bzw. 7-stelligen Bereich zusammen. Aufgrund des grenzüberschreitenden Warenverkehrs handelt es sich in Fällen von Biersteuerkarussellen auch um umfangreiche und komplexe steuerstrafrechtliche Ermittlungen, für die vielfach Untersuchungshaftbefehle ausgestellt und – europaweit – vollstreckt werden.

Häufig werden auch Biersteuerlagerinhaber in ihrer Gutgläubigkeit ausgenutzt und – ganz unbewusst – in derartige Steuerkarusselle eingebunden.

Lassen Sie sich frühzeitig professionell beraten, wenn Sie in den Verdacht geraten, Teilnehmer eines solchen Steuerkarussells zu sein. Neben dem Risiko einer (Untersuchungs-) Haft und dem Verlust der Freiheit, gehen mit strafrechtlichen Steuerkarussellen meistens auch enorme steuerrechtliche Haftungsverfahren einher, die oft auf Lebenszeit zu einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen.

 

Edgar Gärtner
Rechtsanwalt

F

  • Funktionsarzneimittel
  • Funktionsarzneimittel

    Der Arzneimittelbegriff ist in § 2 AMG legaldefiniert. § 2 Abs. 1 AMG differenziert zwischen sog. Funktionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) und sog. Präsentationsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) – siehe dazu „Präsentationsarzneimittel“.

    Funktionsarzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

    Für die Einordnung als Funktionsarzneimittel kommt es deshalb auf die Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper an (siehe auch BGHSt 54, 243).

    Dabei muss die Eignung, die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, wissenschaftlich festgestellt werden. Es reicht nicht aus, dass diese Wirkung lediglich nicht ausgeschlossen werden kann (siehe dazu etwa EuGH NVwZ 2009, 439).

    Bei einem Funktionsarzneimittel ist deshalb ein wissenschaftlicher Ansatz maßgeblich, dies ist anders beim sog. Präsentationsarzneimittel.

    Die Einstufung als (Funktions-) Arzneimittel ist für die Frage von Strafbarkeiten nach § 95 AMG oder § 96 AMG, aber ebenso für die Einstufung als Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG von ganz grundsätzlicher und richtungsweisender Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung von Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln, Medizinprodukte oder Kosmetika.

    Aufgrund unseres medizinstrafrechtlichen Schwerpunktes haben wir hierzu nicht nur eigene (forensische) Erfahrungen, sondern auch die erforderlichen Kontakte und Netzwerke zu qualifizierten Gutachtern und Sachverständigen.

Funktionsarzneimittel

Der Arzneimittelbegriff ist in § 2 AMG legaldefiniert. § 2 Abs. 1 AMG differenziert zwischen sog. Funktionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) und sog. Präsentationsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) – siehe dazu „Präsentationsarzneimittel“.

Funktionsarzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Für die Einordnung als Funktionsarzneimittel kommt es deshalb auf die Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper an (siehe auch BGHSt 54, 243).

Dabei muss die Eignung, die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, wissenschaftlich festgestellt werden. Es reicht nicht aus, dass diese Wirkung lediglich nicht ausgeschlossen werden kann (siehe dazu etwa EuGH NVwZ 2009, 439).

Bei einem Funktionsarzneimittel ist deshalb ein wissenschaftlicher Ansatz maßgeblich, dies ist anders beim sog. Präsentationsarzneimittel.

Die Einstufung als (Funktions-) Arzneimittel ist für die Frage von Strafbarkeiten nach § 95 AMG oder § 96 AMG, aber ebenso für die Einstufung als Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG von ganz grundsätzlicher und richtungsweisender Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung von Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln, Medizinprodukte oder Kosmetika.

Aufgrund unseres medizinstrafrechtlichen Schwerpunktes haben wir hierzu nicht nur eigene (forensische) Erfahrungen, sondern auch die erforderlichen Kontakte und Netzwerke zu qualifizierten Gutachtern und Sachverständigen.

G

  • Gefährliches Werkzeug bei ärztlichen Instrumenten
  • Gefährliches Werkzeug bei ärztlichen Instrumenten

    Es ist ständige Rechtsprechung, dass eine medizinische Behandlung von Patient:innen tatbestandlich eine Körperverletzung nach § 223 StGB darstellt. Die Rechtsprechung löst die Frage des ärztlichen (Heil-) Eingriffs über die Ebene der Rechtswidrigkeit. In der Praxis spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob eine rechtfertigende Einwilligung durch die Patient:innen vorliegt. An dieser Stelle werden komplexe Fragen der Rechtzeitigkeit der Aufklärung, der Verständigkeit der Aufklärung etc. relevant.

    Die meisten ärztlichen Eingriffe werden nicht mit den bloßen Händen gemacht, sondern mit ärztlichen Instrumenten. Skalpelle, Zangen, Klammern etc. sind einige ärztliche Instrumente, die exemplarisch für eine Vielzahl weiterer Instrumente stehen sollen.

    Wird ein ärztlicher Eingriff mit einem solchen ärztlichen Instrument vollzogen, so stellt sich die Frage, ob sich diese Handlung als „gefährliche Körperverletzung“ im Sinne von § 224 StGB darstellt.

    Anders als die einfache Körperverletzung hat die gefährliche Körperverletzung einen relativ hohen Strafrahmen: Es drohen Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Auch die Verjährungsfrist ist bei der gefährlichen Körperverletzung mit 10 Jahren nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB doppelt so lang, wie für die einfache Körperverletzung. Faktisch droht bei einer Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung zwingend ein Eintrag im Führungszeugnis, der betroffene Arzt gilt im Rechtssinne als vorbestraft.

    Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass ein ärztliches Instrument, welches bestimmungsgemäß durch Ärzt:innen eingesetzt wird, nicht als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB angesehen werden können. Fehlt deshalb eine (wirksame) Einwilligung des Patienten, so ist der Arzt wegen einfacher Körperverletzung zu bestrafen, nicht aber wegen gefährlicher Körperverletzung.

    Begründet wurde dies von der bisherigen Rechtsprechung mit der vormaligen Gesetzesfassung. Gefährliche Werkzeuge waren danach nur Beispiele für Waffen. Hieraus folgerte der BGH bislang, dass Werkzeuge nur dann gefährlich im Sinne des § 224 StGB – vormals § 223 a StGB – sein können, wenn sie mit Waffen vergleichbar sind. Dies setzt eine Verwendung zu Angriff- oder Kampfzwecken voraus. Daran fehlt es aber bei ärztlichen Instrumenten in der Hand von Ärtz:innen, wenn diese bestimmungsgemäß eingesetzt werden – dies gilt auch dann, wenn die Heilzwecke verfehlt werden.

    Die aktuelle Gesetzesfassung des § 224 StGB hat jedoch das Verhältnis von Oberbegriff und Unterbegriff genau umgekehrt. Waffen sind nur noch Beispiele für gefährliche Werkzeuge.

    Darauf hat nunmehr das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 16.03.2022 – 1 WS 47/22 – Bezug genommen und entschieden, dass ein ärztliches Instrument auch in der Hand der Ärzt:innen bei bestimmungsgemäßer Verwendung eine gefährliche Körperverletzung begründet.

    Im genannten Fall wurde einem Zahnarzt vorgeworfen, in mehr als 30 Fällen Patient:innen mittels einer Zange verschiedene Zähne gezogen zu haben, obwohl es aussichtsreiche andere Behandlungsalternativen gab. Diese „Beratung“ seiner Patient:innen ist deshalb erfolgt, weil der angeklagte Zahnarzt durch den anschließenden Zahnersatz einen höheren Verdienst hatte. Die Extraktion der Zähne wurde als zwingend notwendig empfohlen – was nicht lege artis war.

    Das OLG Karlsruhe hat in dem genannten Beschluss die für die Extraktion verwendete Zange als gefährliches Werkzeug eingestuft. Dies gilt auch dann, obgleich der Einsatz der Zange von den Patient:innen gar nicht wahrgenommen wurde, weil sie lokal anästhesiert waren. Als schmerzhaft empfunden wurde der unmittelbare Eingriff nicht. Dies hinderte das OLG Karlsruhe nicht, eine gefährliche Körperverletzung anzunehmen.

    Begründet wurde dies damit, dass die Schmerzen im Nachgang auftreten würden. Außerdem wurde die „Endgültigkeit“ der Zahnextraktion in den Vordergrund gestellt: Denn mit der Herausnahme des Zahnes wurde dieser vom versorgenden Nerv getrennt, was einen unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses bedeutet.

    Die Entscheidung des OLG Karlsruhe macht deutlich, wie groß strafrechtliche Haftungsrisiken der Ärzte sind und welche gravierenden Folgen Aufklärungsmängel nach sich ziehen können.

    Ärzt:innen ist dringend nahezulegen, ein besonderes Augenmerk und eine besondere Sorgfalt auf eine ordnungsgemäße Aufklärung zu legen. Dies gilt umso mehr dann, wenn sie bei der Behandlung ärztliche Instrumente einsetzen, die Schmerzen zufügen können oder aber zu unwiederbringlichen Veränderungen bei der körperlichen Unversehrtheit der Patient:innen führen.

    Die sorgfältige Dokumentation der Aufklärung spielt zwar für die Wirksamkeit einer Einwilligung eines Patienten keine Rolle. Die Dokumentation spielt aber eine gewichtige Rolle bei der forensischen Beweisführung. Fehlt es an der Dokumentation, fällt es beschuldigten Ärzt:innen regelmäßig schwer, die Behauptung von Patient:innen zu widerlegen, sie seien nicht sachgerecht aufgeklärt worden.

    Wenn Sie als Ärzt:in mit strafbaren Vorwürfen konfrontiert werden, lassen Sie sich frühzeitig qualifiziert anwaltlich beraten. Diese anwaltliche Beratung sollte in jedem Fall erfolgen, bevor Sie als betroffene Ärzt:in eine Aussage bei der Polizei – oder aber im Rahmen der Durchsuchungssituation - gegenüber den Durchsuchungsbeamt:innen tätigen.

    Wir als Anwälte raten grundsätzlich bei Durchsuchungen/Vernehmungen dazu zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen und schnellstmöglich einen Anwalt zu befragen.

    Für eilige Fälle und für Notfälle – insbesondere bei Durchsuchungen – stehen wir Ihnen auch am Wochenende oder am Feiertag unter der Notrufnummer: 0179/4806223 zur Verfügung.

Gefährliches Werkzeug bei ärztlichen Instrumenten

Es ist ständige Rechtsprechung, dass eine medizinische Behandlung von Patient:innen tatbestandlich eine Körperverletzung nach § 223 StGB darstellt. Die Rechtsprechung löst die Frage des ärztlichen (Heil-) Eingriffs über die Ebene der Rechtswidrigkeit. In der Praxis spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob eine rechtfertigende Einwilligung durch die Patient:innen vorliegt. An dieser Stelle werden komplexe Fragen der Rechtzeitigkeit der Aufklärung, der Verständigkeit der Aufklärung etc. relevant.

Die meisten ärztlichen Eingriffe werden nicht mit den bloßen Händen gemacht, sondern mit ärztlichen Instrumenten. Skalpelle, Zangen, Klammern etc. sind einige ärztliche Instrumente, die exemplarisch für eine Vielzahl weiterer Instrumente stehen sollen.

Wird ein ärztlicher Eingriff mit einem solchen ärztlichen Instrument vollzogen, so stellt sich die Frage, ob sich diese Handlung als „gefährliche Körperverletzung“ im Sinne von § 224 StGB darstellt.

Anders als die einfache Körperverletzung hat die gefährliche Körperverletzung einen relativ hohen Strafrahmen: Es drohen Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Auch die Verjährungsfrist ist bei der gefährlichen Körperverletzung mit 10 Jahren nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB doppelt so lang, wie für die einfache Körperverletzung. Faktisch droht bei einer Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung zwingend ein Eintrag im Führungszeugnis, der betroffene Arzt gilt im Rechtssinne als vorbestraft.

Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass ein ärztliches Instrument, welches bestimmungsgemäß durch Ärzt:innen eingesetzt wird, nicht als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB angesehen werden können. Fehlt deshalb eine (wirksame) Einwilligung des Patienten, so ist der Arzt wegen einfacher Körperverletzung zu bestrafen, nicht aber wegen gefährlicher Körperverletzung.

Begründet wurde dies von der bisherigen Rechtsprechung mit der vormaligen Gesetzesfassung. Gefährliche Werkzeuge waren danach nur Beispiele für Waffen. Hieraus folgerte der BGH bislang, dass Werkzeuge nur dann gefährlich im Sinne des § 224 StGB – vormals § 223 a StGB – sein können, wenn sie mit Waffen vergleichbar sind. Dies setzt eine Verwendung zu Angriff- oder Kampfzwecken voraus. Daran fehlt es aber bei ärztlichen Instrumenten in der Hand von Ärtz:innen, wenn diese bestimmungsgemäß eingesetzt werden – dies gilt auch dann, wenn die Heilzwecke verfehlt werden.

Die aktuelle Gesetzesfassung des § 224 StGB hat jedoch das Verhältnis von Oberbegriff und Unterbegriff genau umgekehrt. Waffen sind nur noch Beispiele für gefährliche Werkzeuge.

Darauf hat nunmehr das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 16.03.2022 – 1 WS 47/22 – Bezug genommen und entschieden, dass ein ärztliches Instrument auch in der Hand der Ärzt:innen bei bestimmungsgemäßer Verwendung eine gefährliche Körperverletzung begründet.

Im genannten Fall wurde einem Zahnarzt vorgeworfen, in mehr als 30 Fällen Patient:innen mittels einer Zange verschiedene Zähne gezogen zu haben, obwohl es aussichtsreiche andere Behandlungsalternativen gab. Diese „Beratung“ seiner Patient:innen ist deshalb erfolgt, weil der angeklagte Zahnarzt durch den anschließenden Zahnersatz einen höheren Verdienst hatte. Die Extraktion der Zähne wurde als zwingend notwendig empfohlen – was nicht lege artis war.

Das OLG Karlsruhe hat in dem genannten Beschluss die für die Extraktion verwendete Zange als gefährliches Werkzeug eingestuft. Dies gilt auch dann, obgleich der Einsatz der Zange von den Patient:innen gar nicht wahrgenommen wurde, weil sie lokal anästhesiert waren. Als schmerzhaft empfunden wurde der unmittelbare Eingriff nicht. Dies hinderte das OLG Karlsruhe nicht, eine gefährliche Körperverletzung anzunehmen.

Begründet wurde dies damit, dass die Schmerzen im Nachgang auftreten würden. Außerdem wurde die „Endgültigkeit“ der Zahnextraktion in den Vordergrund gestellt: Denn mit der Herausnahme des Zahnes wurde dieser vom versorgenden Nerv getrennt, was einen unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses bedeutet.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe macht deutlich, wie groß strafrechtliche Haftungsrisiken der Ärzte sind und welche gravierenden Folgen Aufklärungsmängel nach sich ziehen können.

Ärzt:innen ist dringend nahezulegen, ein besonderes Augenmerk und eine besondere Sorgfalt auf eine ordnungsgemäße Aufklärung zu legen. Dies gilt umso mehr dann, wenn sie bei der Behandlung ärztliche Instrumente einsetzen, die Schmerzen zufügen können oder aber zu unwiederbringlichen Veränderungen bei der körperlichen Unversehrtheit der Patient:innen führen.

Die sorgfältige Dokumentation der Aufklärung spielt zwar für die Wirksamkeit einer Einwilligung eines Patienten keine Rolle. Die Dokumentation spielt aber eine gewichtige Rolle bei der forensischen Beweisführung. Fehlt es an der Dokumentation, fällt es beschuldigten Ärzt:innen regelmäßig schwer, die Behauptung von Patient:innen zu widerlegen, sie seien nicht sachgerecht aufgeklärt worden.

Wenn Sie als Ärzt:in mit strafbaren Vorwürfen konfrontiert werden, lassen Sie sich frühzeitig qualifiziert anwaltlich beraten. Diese anwaltliche Beratung sollte in jedem Fall erfolgen, bevor Sie als betroffene Ärzt:in eine Aussage bei der Polizei – oder aber im Rahmen der Durchsuchungssituation - gegenüber den Durchsuchungsbeamt:innen tätigen.

Wir als Anwälte raten grundsätzlich bei Durchsuchungen/Vernehmungen dazu zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen und schnellstmöglich einen Anwalt zu befragen.

Für eilige Fälle und für Notfälle – insbesondere bei Durchsuchungen – stehen wir Ihnen auch am Wochenende oder am Feiertag unter der Notrufnummer: 0179/4806223 zur Verfügung.

H

  • Hauptverhandlung
  • Hauptverhandlung

    Von einer Hauptverhandlung spricht man im Strafrecht, wenn grundsätzlich öffentlich vor Gericht ein strafrechtlicher Vorwurf überprüft wird. Das Hauptverfahren beginnt mit dem Eröffnungsbeschluss (Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung). Nach einer Vorbereitung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden (Termine, Terminsladungen der Zeuge, Sachverständigen etc.) beginnt die Hauptverhandlung mit dem sog. „Aufruf zur Sache“.

    Dieser Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) ist strafprozessual auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil ab diesem Zeitpunkt bestimmte prozessuale Handlungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sind. So ist bspw. die Rücknahme eines Einspruchs gegen den Strafbefehl ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) möglich. Nach dem Beginn der Hauptverhandlung muss die Staatsanwaltschaft der Einspruchsrücknahme zustimmen.

    Ob eine Hauptverhandlung eine Stunde dauert oder mehrere Tage, Wochen oder gar Jahre , hängt vom Umfang des Verfahrens, dem Umfang der Beweismittel (z.B. Anzahl der Zeugen) und auch davon ab, ob der Angeklagte geständig ist oder die Vorwürfe bestreitet. Bei einem geständigen Angeklagten kann naturgemäß die Dauer der Hauptverhandlung deutlich abgekürzt werden, was sich in der Regel am Strafmaß (sog. strafmildernde Wirkung eines Geständnisses) bemerkbar macht.

    Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich. Öffentlichkeit bedeutet, dass jeder Zugang zum Gericht hat, ohne dass eine Vorauswahl durch das Gericht oder sonst jemand getroffen werden kann. In Strafprozessen, die in der (Medien-) Öffentlichkeit ein gewisses Interesse gefunden haben, ist es möglich, einzelne Plätze bevorzugt für Medienvertreter zu reservieren. Dies ist Ausfluß der Meinungs- und Pressefreiheit.

    Der Angeklagte hat grundsätzlich keinen Einfluss darauf, wer im Zuschauerraum und damit in der Öffentlichkeit Platz nimmt und wer nicht. Es ist auch nicht zulässig und prozessual nicht möglich, das eigene Aussageverhalten davon abhängig zu machen, ob das Gericht bestimmte Personen „aus dem Gerichtssaal wirft“. Dies ist einem Gericht grundsätzlich verwehrt.

    Keineswegs ist es aber so, dass der Angeklagte und sein Verteidiger überhaupt keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben. Es gibt zahlreiche Konstellationen und Fälle, bei denen der Verteidiger beantragen kann, die Öffentlichkeit zumindest für Teile der Verhandlung auszuschließen. Dies gilt nicht nur für die Einlassung des Angeklagten, sondern auch für die verschiedenen Zeugenvernehmungen.

    Wichtig ist, dass ein Verteidiger in diesem Fall nach eingehender Beratung mit seinem Mandanten rechtzeitig den Antrag stellt. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit sollte auch sorgfältig begründet werden. Dies dient auch dazu, einen evtl. Fehler des Gerichts revisibel zu machen.

    In der Praxis erlebt man vielfach, dass Verteidiger nicht genügend vorbereitet sind, wenn es um Fragen der Öffentlichkeit geht. Häufig werden mündlich Anträge gestellt und nicht sorgfältig begründet. Dies hat oft zur Folge, dass das Gericht den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnt.

    Umgekehrt kann die Öffentlichkeit für den Verteidiger auch dazu genutzt werden herauszufinden, welche Zeugen beeinflusst sind oder wer sonst – aus dem Hintergrund – das Verfahren steuert. Als Verteidiger sollte man während einer Hauptverhandlung nicht nur den Blick nach vorne, also zum Gericht und zur Staatsanwaltschaft richten, sondern der Verteidiger muss immer auch die Öffentlichkeit im Blick haben. Es ist bemerkenswert, wer alles Interesse am Verlauf und dem Ausgang eines Strafverfahrens hat, aus welchem „Lager“ die interessierte Öffentlichkeit kommt, wie die verschiedenen Personen der Öffentlichkeit sich untereinander und miteinander verhalten und nicht zuletzt mit welchen Gesten und Zeichen versucht wird, auf den Angeklagten und sein Aussageverhalten Einfluss zu nehmen. All diese Aspekte sind für die Frage der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen entscheidend, etwa zur Frage, aus welchem „Lager“ ein Zeuge kommt; ob dieser Zeuge also eine sog. Belastungstendenz oder Begünstigungstendenz mitbringt.

    Manchmal ergeben sich für den Verteidiger aus dem Verhalten der Personen in der Öffentlichkeit auch Möglichkeiten, Anträge auf ergänzende Beweiserhebung zu stellen.

    Ein sorgfältger und umsichtiger Verteidiger wird deshalb die Beobachtung einer Hauptverhandlung durch die Öffentlichkeit genau im Blick haben. Er wird daraus die für seinen Mandanten wichtigen und ihm dienlichen Schlüsse ziehen und darauf strafprozessual reagieren.

    Die Hauptverhandlung selbst endet jeweils mit einer Abschlussentscheidung. Dies muss nicht zwingend ein Urteil sein. In vielen Fällen endet eine Hauptverhandlung auch durch einen Einstellungsbeschluss. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und auch mit Zustimmung des Verteidigers kann nämlich ein Strafverfahren noch in der laufenden Hauptverhandlung ohne Auflagen (§ 153 Abs. 2 StPO) oder aber mit Auflage (§ 153 a Abs. 2 StPO) eingestellt werden. Wenn ein Freispruch nicht erreicht werden kann, muss die Bemühung des Strafverteidigers in der laufenden Hauptverhandlung darauf gerichtet sein, zumindest eine Verurteilung zu verhindern. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Verteidiger aktiv auf die Verfahrenserledigung außerhalb eines Urteils hinwirkt.

    Schüchterne Zurückhaltung durch den Verteidiger oder passives Verhalten sind dabei fehl am Platze.

Hauptverhandlung

Von einer Hauptverhandlung spricht man im Strafrecht, wenn grundsätzlich öffentlich vor Gericht ein strafrechtlicher Vorwurf überprüft wird. Das Hauptverfahren beginnt mit dem Eröffnungsbeschluss (Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung). Nach einer Vorbereitung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden (Termine, Terminsladungen der Zeuge, Sachverständigen etc.) beginnt die Hauptverhandlung mit dem sog. „Aufruf zur Sache“.

Dieser Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) ist strafprozessual auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil ab diesem Zeitpunkt bestimmte prozessuale Handlungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sind. So ist bspw. die Rücknahme eines Einspruchs gegen den Strafbefehl ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) möglich. Nach dem Beginn der Hauptverhandlung muss die Staatsanwaltschaft der Einspruchsrücknahme zustimmen.

Ob eine Hauptverhandlung eine Stunde dauert oder mehrere Tage, Wochen oder gar Jahre , hängt vom Umfang des Verfahrens, dem Umfang der Beweismittel (z.B. Anzahl der Zeugen) und auch davon ab, ob der Angeklagte geständig ist oder die Vorwürfe bestreitet. Bei einem geständigen Angeklagten kann naturgemäß die Dauer der Hauptverhandlung deutlich abgekürzt werden, was sich in der Regel am Strafmaß (sog. strafmildernde Wirkung eines Geständnisses) bemerkbar macht.

Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich. Öffentlichkeit bedeutet, dass jeder Zugang zum Gericht hat, ohne dass eine Vorauswahl durch das Gericht oder sonst jemand getroffen werden kann. In Strafprozessen, die in der (Medien-) Öffentlichkeit ein gewisses Interesse gefunden haben, ist es möglich, einzelne Plätze bevorzugt für Medienvertreter zu reservieren. Dies ist Ausfluß der Meinungs- und Pressefreiheit.

Der Angeklagte hat grundsätzlich keinen Einfluss darauf, wer im Zuschauerraum und damit in der Öffentlichkeit Platz nimmt und wer nicht. Es ist auch nicht zulässig und prozessual nicht möglich, das eigene Aussageverhalten davon abhängig zu machen, ob das Gericht bestimmte Personen „aus dem Gerichtssaal wirft“. Dies ist einem Gericht grundsätzlich verwehrt.

Keineswegs ist es aber so, dass der Angeklagte und sein Verteidiger überhaupt keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben. Es gibt zahlreiche Konstellationen und Fälle, bei denen der Verteidiger beantragen kann, die Öffentlichkeit zumindest für Teile der Verhandlung auszuschließen. Dies gilt nicht nur für die Einlassung des Angeklagten, sondern auch für die verschiedenen Zeugenvernehmungen.

Wichtig ist, dass ein Verteidiger in diesem Fall nach eingehender Beratung mit seinem Mandanten rechtzeitig den Antrag stellt. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit sollte auch sorgfältig begründet werden. Dies dient auch dazu, einen evtl. Fehler des Gerichts revisibel zu machen.

In der Praxis erlebt man vielfach, dass Verteidiger nicht genügend vorbereitet sind, wenn es um Fragen der Öffentlichkeit geht. Häufig werden mündlich Anträge gestellt und nicht sorgfältig begründet. Dies hat oft zur Folge, dass das Gericht den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnt.

Umgekehrt kann die Öffentlichkeit für den Verteidiger auch dazu genutzt werden herauszufinden, welche Zeugen beeinflusst sind oder wer sonst – aus dem Hintergrund – das Verfahren steuert. Als Verteidiger sollte man während einer Hauptverhandlung nicht nur den Blick nach vorne, also zum Gericht und zur Staatsanwaltschaft richten, sondern der Verteidiger muss immer auch die Öffentlichkeit im Blick haben. Es ist bemerkenswert, wer alles Interesse am Verlauf und dem Ausgang eines Strafverfahrens hat, aus welchem „Lager“ die interessierte Öffentlichkeit kommt, wie die verschiedenen Personen der Öffentlichkeit sich untereinander und miteinander verhalten und nicht zuletzt mit welchen Gesten und Zeichen versucht wird, auf den Angeklagten und sein Aussageverhalten Einfluss zu nehmen. All diese Aspekte sind für die Frage der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen entscheidend, etwa zur Frage, aus welchem „Lager“ ein Zeuge kommt; ob dieser Zeuge also eine sog. Belastungstendenz oder Begünstigungstendenz mitbringt.

Manchmal ergeben sich für den Verteidiger aus dem Verhalten der Personen in der Öffentlichkeit auch Möglichkeiten, Anträge auf ergänzende Beweiserhebung zu stellen.

Ein sorgfältger und umsichtiger Verteidiger wird deshalb die Beobachtung einer Hauptverhandlung durch die Öffentlichkeit genau im Blick haben. Er wird daraus die für seinen Mandanten wichtigen und ihm dienlichen Schlüsse ziehen und darauf strafprozessual reagieren.

Die Hauptverhandlung selbst endet jeweils mit einer Abschlussentscheidung. Dies muss nicht zwingend ein Urteil sein. In vielen Fällen endet eine Hauptverhandlung auch durch einen Einstellungsbeschluss. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und auch mit Zustimmung des Verteidigers kann nämlich ein Strafverfahren noch in der laufenden Hauptverhandlung ohne Auflagen (§ 153 Abs. 2 StPO) oder aber mit Auflage (§ 153 a Abs. 2 StPO) eingestellt werden. Wenn ein Freispruch nicht erreicht werden kann, muss die Bemühung des Strafverteidigers in der laufenden Hauptverhandlung darauf gerichtet sein, zumindest eine Verurteilung zu verhindern. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Verteidiger aktiv auf die Verfahrenserledigung außerhalb eines Urteils hinwirkt.

Schüchterne Zurückhaltung durch den Verteidiger oder passives Verhalten sind dabei fehl am Platze.

K

  • Kindergeld und Steuerhinterziehung
  • Kindergeld und Steuerhinterziehung

    Die Berechtigung zum Erhalt von Kindergeld wird primär an die Einkommenssteuerpflicht geknüpft. Erhält ein Elternteil deshalb zu Unrecht Kindergeld, wird ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Der unberechtigte Erhalt von Kindergeld folgt deshalb den Regeln eines Steuerstrafverfahrens.

    Relevant wird die Frage, ob Kindergeld bezogen werden kann immer dann, wenn ein Umzug ins Ausland erfolgt.

    Leben deutsche Staatsangehörige im Ausland, muss zunächst die rechtliche Grundlage betrachtet werden, nach der Kindergeld bezahlt wird. Kindergeld wird entweder als Steuervergünstigung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder aber als Sozialleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gezahlt. Vorrang genießt der Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).

    Im Grunde kann man zur Frage der rechtlichen Grundlage für das Kindergeld wie folgt differenzieren:

    - Wenn der Antragsteller in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, so folgt der Bezug des Kindergeldes als Steuervergünstigung nach dem EStG;
    - Ist der Antragsteller demgegenüber in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so wird Kindergeld als Sozialleistung nach dem BKGG gewährt.

    a) Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG – unbeschränkt steuerpflichtig

    Anspruch auf Kindergeld aus dem EStG hat, wer in Deutschland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 62 Abs. EStG i.V.m. §§ 8, 9 AO).

    Auf Antrag können unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG auch Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, dann steht auch diesem Personenkreis ein Anspruch auf Kindergeld zu. Hierzu müssen (siehe § 1 Abs. 3 EStG) unter anderem mindestens 90 % der Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommenssteuer unterliegen.

    b) Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG – wohnhaft im Ausland und beschränkt steuerpflichtig

    Aus dem Bundeskindergeldgesetz kann sich ein Anspruch auf Kindergeld ergeben, wenn der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt außerhalb Deutschlands liegt und der Antragsteller beschränkt steuerpflichtig ist.

    Nach § 1 Abs. 4 EStG ist beschränkt steuerpflichtig, wer im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, im Inland aber Einkünfte nach § 49 EStG erzielt.

    Der Antragsteller muss – für den Erhalt von Kindergeld – eine der nachgenannten Voraussetzungen erfüllen:

    - Dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen;
    - Im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst oder Amtsverhältnisses jedenfalls vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert sein (darunter fallen etwas Diplomaten der Botschaft, Mitarbeiter der NATO etc.);
    - Als Entwicklungshelfer oder Missionar tätig sein;
    - Rente nach deutschen Vorschriften beziehen und in einem Mitgliedstaat der EU wohnen.

    Wichtig! Zu beachten ist stets:

    c) Voraussetzungen in der Person des Kindes

    Neben den zuvor genannten allgemeinen Voraussetzungen für Kindergeld besteht ein Anspruch nur dann, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. §§ 8, 9 AO) in Deutschland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR-Staat) hat. Diese Voraussetzung in der Person des Kindes gilt ungeachtet der Frage, ob die Ansprüche aus dem EStG oder dem BKGG abgeleitet werden.

    Fazit

    Zusammenfassend kann man sagen:

    Wer als deutscher Staatsangehöriger im Ausland lebt und in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem steht auch im Ausland ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG zu.

    Wer im Ausland wohnt und in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem kann ein Kindergeldanspruch als Sozialleistung nach dem BKGG zustehen.

    Sonderregelungen gelten für den Erhalt von Kindergeld für Grenzgänger. Arbeitet ein Elternteil beispielsweise in Österreich, obgleich die Familie in Deutschland wohnt, ist Österreich aufgrund der dortigen Erwerbstätigkeit primär zur Zahlung von Kindergeld verpflichtet. Der Kindergeldanspruch in Deutschland ruht solange. Deutschland stockt allerdings das Kindergeld auf, wenn die Ansprüche im grenznahen Ausland geringer sind.

    Kind zur Schulbildung /Studium / Berufsausbildung im Ausland

    Besonderheiten gelten auch, wenn das Kind in einem Staat außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Schul- oder Berufsausbildung aufhältig ist. Das gilt auch für ein dortiges Studium.

    Nach derzeit gültiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt es für den Erhalt von Kindergeld in Deutschland darauf an, ob das Kind durch regelmäßige Besuche in Deutschland seinen inländischen Wohnort nicht aufgegeben hat und diesen inländischen Wohnsitz aufgrund der starken Bindung zu seiner in Deutschland wohnhaften Familie beibehalten will. In der Regel ist der Bezug von Kindergeld dann unproblematisch, wenn der Auslandsaufenthalt weniger als 1 Jahr dauert.

    Entscheidend ist aber stets der Einzelfall.

    Besonderheiten bei türkischer Herkunft

    Hat ein deutscher Staatsangehöriger türkischer Abstammung in Deutschland seinen Wohnsitz und arbeitet er in Deutschland, ist er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Lebt sein Kind in der Türkei, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.

    Lebt nämlich ein Elternteil in Deutschland, kann Kindergeld in diesen Fällen nur bezogen werden, wenn das Kind in Deutschland, einem EU-Land oder in Island, Norwegen bzw. Lichtenstein wohnt. Die Türkei gehört explizit nicht dazu. Weil der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, kann er sich auch nicht auf das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit berufen. Dieses Abkommen gilt lediglich für türkische Arbeitnehmer.

    Anders ist es, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland lediglich beschränkt steuerpflichtig ist und mit seinem Kind in der Türkei lebt. In diesen Fällen kann ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, weil das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit diese Fälle erfasst.

    Wenn es um steuerstrafrechtliche Fragen beim angeblich unberechtigten Bezug von Kindergeld geht, kommt es stets auf den Einzelfall an. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob man sich überhaupt strafbar gemacht hat, sondern vor allem auch für die Frage der Strafzumessung.

    Fragen Sie deshalb in jedem Fall einen Rechtsanwalt.

Kindergeld und Steuerhinterziehung

Die Berechtigung zum Erhalt von Kindergeld wird primär an die Einkommenssteuerpflicht geknüpft. Erhält ein Elternteil deshalb zu Unrecht Kindergeld, wird ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Der unberechtigte Erhalt von Kindergeld folgt deshalb den Regeln eines Steuerstrafverfahrens.

Relevant wird die Frage, ob Kindergeld bezogen werden kann immer dann, wenn ein Umzug ins Ausland erfolgt.

Leben deutsche Staatsangehörige im Ausland, muss zunächst die rechtliche Grundlage betrachtet werden, nach der Kindergeld bezahlt wird. Kindergeld wird entweder als Steuervergünstigung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder aber als Sozialleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gezahlt. Vorrang genießt der Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).

Im Grunde kann man zur Frage der rechtlichen Grundlage für das Kindergeld wie folgt differenzieren:

- Wenn der Antragsteller in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, so folgt der Bezug des Kindergeldes als Steuervergünstigung nach dem EStG;
- Ist der Antragsteller demgegenüber in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so wird Kindergeld als Sozialleistung nach dem BKGG gewährt.

a) Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG – unbeschränkt steuerpflichtig

Anspruch auf Kindergeld aus dem EStG hat, wer in Deutschland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 62 Abs. EStG i.V.m. §§ 8, 9 AO).

Auf Antrag können unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG auch Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, dann steht auch diesem Personenkreis ein Anspruch auf Kindergeld zu. Hierzu müssen (siehe § 1 Abs. 3 EStG) unter anderem mindestens 90 % der Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommenssteuer unterliegen.

b) Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG – wohnhaft im Ausland und beschränkt steuerpflichtig

Aus dem Bundeskindergeldgesetz kann sich ein Anspruch auf Kindergeld ergeben, wenn der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt außerhalb Deutschlands liegt und der Antragsteller beschränkt steuerpflichtig ist.

Nach § 1 Abs. 4 EStG ist beschränkt steuerpflichtig, wer im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, im Inland aber Einkünfte nach § 49 EStG erzielt.

Der Antragsteller muss – für den Erhalt von Kindergeld – eine der nachgenannten Voraussetzungen erfüllen:

- Dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen;
- Im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst oder Amtsverhältnisses jedenfalls vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert sein (darunter fallen etwas Diplomaten der Botschaft, Mitarbeiter der NATO etc.);
- Als Entwicklungshelfer oder Missionar tätig sein;
- Rente nach deutschen Vorschriften beziehen und in einem Mitgliedstaat der EU wohnen.

Wichtig! Zu beachten ist stets:

c) Voraussetzungen in der Person des Kindes

Neben den zuvor genannten allgemeinen Voraussetzungen für Kindergeld besteht ein Anspruch nur dann, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. §§ 8, 9 AO) in Deutschland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR-Staat) hat. Diese Voraussetzung in der Person des Kindes gilt ungeachtet der Frage, ob die Ansprüche aus dem EStG oder dem BKGG abgeleitet werden.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen:

Wer als deutscher Staatsangehöriger im Ausland lebt und in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem steht auch im Ausland ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG zu.

Wer im Ausland wohnt und in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem kann ein Kindergeldanspruch als Sozialleistung nach dem BKGG zustehen.

Sonderregelungen gelten für den Erhalt von Kindergeld für Grenzgänger. Arbeitet ein Elternteil beispielsweise in Österreich, obgleich die Familie in Deutschland wohnt, ist Österreich aufgrund der dortigen Erwerbstätigkeit primär zur Zahlung von Kindergeld verpflichtet. Der Kindergeldanspruch in Deutschland ruht solange. Deutschland stockt allerdings das Kindergeld auf, wenn die Ansprüche im grenznahen Ausland geringer sind.

Kind zur Schulbildung /Studium / Berufsausbildung im Ausland

Besonderheiten gelten auch, wenn das Kind in einem Staat außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Schul- oder Berufsausbildung aufhältig ist. Das gilt auch für ein dortiges Studium.

Nach derzeit gültiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt es für den Erhalt von Kindergeld in Deutschland darauf an, ob das Kind durch regelmäßige Besuche in Deutschland seinen inländischen Wohnort nicht aufgegeben hat und diesen inländischen Wohnsitz aufgrund der starken Bindung zu seiner in Deutschland wohnhaften Familie beibehalten will. In der Regel ist der Bezug von Kindergeld dann unproblematisch, wenn der Auslandsaufenthalt weniger als 1 Jahr dauert.

Entscheidend ist aber stets der Einzelfall.

Besonderheiten bei türkischer Herkunft

Hat ein deutscher Staatsangehöriger türkischer Abstammung in Deutschland seinen Wohnsitz und arbeitet er in Deutschland, ist er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Lebt sein Kind in der Türkei, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.

Lebt nämlich ein Elternteil in Deutschland, kann Kindergeld in diesen Fällen nur bezogen werden, wenn das Kind in Deutschland, einem EU-Land oder in Island, Norwegen bzw. Lichtenstein wohnt. Die Türkei gehört explizit nicht dazu. Weil der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, kann er sich auch nicht auf das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit berufen. Dieses Abkommen gilt lediglich für türkische Arbeitnehmer.

Anders ist es, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland lediglich beschränkt steuerpflichtig ist und mit seinem Kind in der Türkei lebt. In diesen Fällen kann ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, weil das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit diese Fälle erfasst.

Wenn es um steuerstrafrechtliche Fragen beim angeblich unberechtigten Bezug von Kindergeld geht, kommt es stets auf den Einzelfall an. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob man sich überhaupt strafbar gemacht hat, sondern vor allem auch für die Frage der Strafzumessung.

Fragen Sie deshalb in jedem Fall einen Rechtsanwalt.

O

  • Offener Vollzug
  • Offener Vollzug

    Wird eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so wird der Verurteilte zum Strafantritt geladen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Verurteilte bis zum Strafantritt nicht in Untersuchungshaft befindet.

    Der Strafvollzug findet grundsätzlich im geschlossenen Vollzug statt. Der Verurteilte ist also vom Strafantritt an durchgehend bis zu seiner (vorzeitigen) Entlassung in der JVA, und zwar sowohl tagsüber als auch nachts.

    Neben dem gelockerten Vollzug gibt es aber die Möglichkeit, den Strafvollzug im sog. offenen Vollzug zu vollstrecken.

    Offener Vollzug bedeutet, dass der Verurteilte tagsüber die Möglichkeit hat, außerhalb der JVA etwa einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Abends jedoch muss der Verurteilte auch im offenen Vollzug wieder zur JVA zurückkehren und in der JVA die Nacht verbringen. Erst am nächsten Morgen kann er wieder im Rahmen des offenen Vollzugs die JVA verlassen.

    Der offene Vollzug muss beantragt und sorgfältig vorbereitet werden. Nicht jeder Verurteilte eignet sich für den offenen Vollzug. Auch die Voraussetzungen sind von einem Bundesland zum anderen unterschiedlich. Denn Strafvollzug ist nach wie vor Ländersache. Gleiches gilt für die Regelungen des offenen Vollzugs.

    Die Vorbereitungen des offenen Vollzugs setzen grundsätzlich voraus, dass der Verurteilte eine Tätigkeit / eine Arbeitsstelle vorweisen kann. Der Arbeitgeber / Auftraggeber muss sich bereiterklären, den Verurteilten im Rahmen des offenen Vollzugs zu beschäftigen. Der Arbeitgeber / Auftraggeber wird dazu eingewiesen und angewiesen, bestimmte Pflichten zu übernehmen. So muss der Arbeitgeber / Auftraggeber z.B. die Verpflichtung übernehmen, den rechtzeitigen Arbeitsbeginn des Verurteilten während des offenen Vollzuges zu überwachen. Der Arbeitgeber wird angehalten, der JVA unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn der Verurteilte nicht wie vereinbart morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Arbeit erscheint.

    Nicht jede Arbeit und jede Tätigkeit eignet sich für den offenen Vollzug. Auch dies muss mit dem Verurteilten sorgfältig besprochen, geplant und vorbereitet werden. So eignen sich bspw. Tätigkeiten nicht, bei welchen der Verurteilte nicht rechtzeitig und sicher abends wieder in die JVA zurück kann (z.B. Tätigkeiten im Außendienst bundes- oder europaweit – Fernfahrer). Auch sind die Erfolgsaussichten der Bewilligung des offenen Vollzugs größer, wenn es sich um eine Überprüfbare Tätigkeit handelt, wie etwa eine Bürotätigkeit oder Tätigkeit in der Werkstatt /Produktion. Geeignet sind primär klassische abhängige Beschäftigungen, bei welchen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit von einem Arbeitsplatz aus zu verrichten hat. Je weniger Freiheiten ein Verurteilter dabei hat, desto größer sind erfahrungsgemäß die Zustimmungen zum offenen Vollzug zu erhalten.

    Selbstverständlich gibt es davon auch Ausnahmen, dies hängt ganz wesentlich von der Person und er Persönlichkeit des Verurteilten ab.

    Häufig wird gefragt, ob ein Verurteilter gleich vom ersten Tag an in den offenen Vollzug geladen werden kann. Dies würde bedeuten, dass der Verurteilte von Anfang an lediglich in der JVA schlafen muss, er tagsüber aber immer seiner früheren geregelten Tätigkeit nachgehen kann.

    Dies wird von einem Bundesland zum anderen gänzlich anders gehandhabt. So ist in Rheinland-Pfalz etwa – selbstverständlich bei entsprechender Vorbereitung, Planung und Antragstellung – es grundsätzilch möglich, sogar vom ersten Tag an in den offenen Vollzug zu gelangen. Selbstverständlich ist dies auch in Rheinland-Pfalz nicht der Regelfall.

    Deutlich strenger wird der Strafvollzug und der offene Vollzug in Baden-Württemberg oder Bayern gehandhabt. Erfahrungsgemäß dauert es mindestens ca. 3 Monate, bis offener Vollzug bewilligt wird.

    Aber auch dies erfordert eine umsichtige und vorbereitende Planung. Denn mit einem Arbeitgeber / Auftraggeber kann in vielen Fällen erreicht werden, dass der Verurteilte zunächst unbezahlten Urlaub erhält und er zunächst die ersten drei Monate sich im geschlossenen Vollzug bewähren kann. Willigt der Arbeitgeber ein, den Verurteilten im Anschluss daran im offenen Vollzug (weiter) zu beschäftigen, kann mit einer solchen Bestätigung des Arbeitgebers der offene Vollzug optimal vorbereitet werden.

    Offener Vollzug bedeutet aber nicht, dass der Verurteilte tagsüber völlig frei ist in seinen Entscheidungen. So ist der offene Vollzug nicht dafür geeignet, tagsüber seine Familie oder Freunde zu besuchen. Der offene Vollzug dient allein der Möglichkeit des Verurteilten, seiner geregelten Tätigkeit außerhalb der JVA nachzukommen. Der offene Vollzug ist somit ein Instrument der sog. „Resozialisierung“. Denn der Verurteilte verliert durch seine weitere Berufsausübung trotz Strafvollzug nicht seinen Bezug in das Leben außerhalb der JVA.

    Selbstverständlich spielen neben der Person und der Persönlichkeit des Verurteilten auch die Straftat, die Länge der verhängten Freiheitsstrafe, als auch das Verhalten des Verurteilten eine ganz entscheidende Rolle. So hat es ein Verurteilter deutlich leichter, in den offenen Vollzug zu gelangen, wenn er sich einsichtig und reuig zeigt. Ein Verurteilter, der nach seiner Verurteilung weiterhin jegliche Tatbeteiligung vehement bestreitet, wird erfahrungsgemäß nicht als geeigneter Kandidat für den offenen Vollzug gesehen.

    Dies führt vor allem dann in der praktischen Umsetzung zu Schwierigkeiten, wenn möglicher Weise ein fehlerhaftes Urteil (etwa im Rahmen eines Indizienprozesses) vorliegt. In solchen Fällen müssen mit dem Verurteilten die Vor- und Nachteile auch evtl. Wiederaufnahmeverfahren sorgfältig besprochen und abgewogen werden.

    Der offene Vollzug stellt zugleich eine Chance für den Verurteilten dar, sich zu „bewähren“. Denn wenn sich der Verurteilte an die Vorgaben im Rahmen des offenen Vollzugs pünktlich und zuverlässig hält, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass einer vorzeitigen Entlassung etwa nach der Hälfte oder aber nach 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe zugestimmt wird.

    Umgekehrt stellt der offene Vollzug aber gerade deshalb auch eine Gefahr im Strafvollzug dar. Gelingt es dem Verurteilten nämlich nicht, sich im offenen Vollzug zu „bewähren“, werden also Verstöße gegen die Regelungen und die Vorgaben im offenen Vollzug festgestellt, finden sich diese Verstöße auch fast immer in den Entscheidungen zur Reststrafenaussetzung nach der Hälfte bzw. 2/3 der Strafe. Vielfach erfährt man in der Praxis, dass bei Verstößen im Rahmen des offenen Vollzuges die JVA und ihr folgend die Staatsanwaltschaft die sog. Endstrafe fordert.

    Auch über diese Risiken muss der Strafverteidiger mit seinem Mandanten eingehend sprechen.

    Ein erfolgreicher Antrag auf Strafvollzug im offenen Vollzug stellt eine umsichtige und genaue Planung mit dem Verurteilten dar. Die größtmögliche Chance, offenen Vollzug bewilligt zu bekommen, erhält man dann, wenn Sie dies mit einem erfahrenen Strafverteidiger tun.

Offener Vollzug

Wird eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so wird der Verurteilte zum Strafantritt geladen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Verurteilte bis zum Strafantritt nicht in Untersuchungshaft befindet.

Der Strafvollzug findet grundsätzlich im geschlossenen Vollzug statt. Der Verurteilte ist also vom Strafantritt an durchgehend bis zu seiner (vorzeitigen) Entlassung in der JVA, und zwar sowohl tagsüber als auch nachts.

Neben dem gelockerten Vollzug gibt es aber die Möglichkeit, den Strafvollzug im sog. offenen Vollzug zu vollstrecken.

Offener Vollzug bedeutet, dass der Verurteilte tagsüber die Möglichkeit hat, außerhalb der JVA etwa einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Abends jedoch muss der Verurteilte auch im offenen Vollzug wieder zur JVA zurückkehren und in der JVA die Nacht verbringen. Erst am nächsten Morgen kann er wieder im Rahmen des offenen Vollzugs die JVA verlassen.

Der offene Vollzug muss beantragt und sorgfältig vorbereitet werden. Nicht jeder Verurteilte eignet sich für den offenen Vollzug. Auch die Voraussetzungen sind von einem Bundesland zum anderen unterschiedlich. Denn Strafvollzug ist nach wie vor Ländersache. Gleiches gilt für die Regelungen des offenen Vollzugs.

Die Vorbereitungen des offenen Vollzugs setzen grundsätzlich voraus, dass der Verurteilte eine Tätigkeit / eine Arbeitsstelle vorweisen kann. Der Arbeitgeber / Auftraggeber muss sich bereiterklären, den Verurteilten im Rahmen des offenen Vollzugs zu beschäftigen. Der Arbeitgeber / Auftraggeber wird dazu eingewiesen und angewiesen, bestimmte Pflichten zu übernehmen. So muss der Arbeitgeber / Auftraggeber z.B. die Verpflichtung übernehmen, den rechtzeitigen Arbeitsbeginn des Verurteilten während des offenen Vollzuges zu überwachen. Der Arbeitgeber wird angehalten, der JVA unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn der Verurteilte nicht wie vereinbart morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Arbeit erscheint.

Nicht jede Arbeit und jede Tätigkeit eignet sich für den offenen Vollzug. Auch dies muss mit dem Verurteilten sorgfältig besprochen, geplant und vorbereitet werden. So eignen sich bspw. Tätigkeiten nicht, bei welchen der Verurteilte nicht rechtzeitig und sicher abends wieder in die JVA zurück kann (z.B. Tätigkeiten im Außendienst bundes- oder europaweit – Fernfahrer). Auch sind die Erfolgsaussichten der Bewilligung des offenen Vollzugs größer, wenn es sich um eine Überprüfbare Tätigkeit handelt, wie etwa eine Bürotätigkeit oder Tätigkeit in der Werkstatt /Produktion. Geeignet sind primär klassische abhängige Beschäftigungen, bei welchen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit von einem Arbeitsplatz aus zu verrichten hat. Je weniger Freiheiten ein Verurteilter dabei hat, desto größer sind erfahrungsgemäß die Zustimmungen zum offenen Vollzug zu erhalten.

Selbstverständlich gibt es davon auch Ausnahmen, dies hängt ganz wesentlich von der Person und er Persönlichkeit des Verurteilten ab.

Häufig wird gefragt, ob ein Verurteilter gleich vom ersten Tag an in den offenen Vollzug geladen werden kann. Dies würde bedeuten, dass der Verurteilte von Anfang an lediglich in der JVA schlafen muss, er tagsüber aber immer seiner früheren geregelten Tätigkeit nachgehen kann.

Dies wird von einem Bundesland zum anderen gänzlich anders gehandhabt. So ist in Rheinland-Pfalz etwa – selbstverständlich bei entsprechender Vorbereitung, Planung und Antragstellung – es grundsätzilch möglich, sogar vom ersten Tag an in den offenen Vollzug zu gelangen. Selbstverständlich ist dies auch in Rheinland-Pfalz nicht der Regelfall.

Deutlich strenger wird der Strafvollzug und der offene Vollzug in Baden-Württemberg oder Bayern gehandhabt. Erfahrungsgemäß dauert es mindestens ca. 3 Monate, bis offener Vollzug bewilligt wird.

Aber auch dies erfordert eine umsichtige und vorbereitende Planung. Denn mit einem Arbeitgeber / Auftraggeber kann in vielen Fällen erreicht werden, dass der Verurteilte zunächst unbezahlten Urlaub erhält und er zunächst die ersten drei Monate sich im geschlossenen Vollzug bewähren kann. Willigt der Arbeitgeber ein, den Verurteilten im Anschluss daran im offenen Vollzug (weiter) zu beschäftigen, kann mit einer solchen Bestätigung des Arbeitgebers der offene Vollzug optimal vorbereitet werden.

Offener Vollzug bedeutet aber nicht, dass der Verurteilte tagsüber völlig frei ist in seinen Entscheidungen. So ist der offene Vollzug nicht dafür geeignet, tagsüber seine Familie oder Freunde zu besuchen. Der offene Vollzug dient allein der Möglichkeit des Verurteilten, seiner geregelten Tätigkeit außerhalb der JVA nachzukommen. Der offene Vollzug ist somit ein Instrument der sog. „Resozialisierung“. Denn der Verurteilte verliert durch seine weitere Berufsausübung trotz Strafvollzug nicht seinen Bezug in das Leben außerhalb der JVA.

Selbstverständlich spielen neben der Person und der Persönlichkeit des Verurteilten auch die Straftat, die Länge der verhängten Freiheitsstrafe, als auch das Verhalten des Verurteilten eine ganz entscheidende Rolle. So hat es ein Verurteilter deutlich leichter, in den offenen Vollzug zu gelangen, wenn er sich einsichtig und reuig zeigt. Ein Verurteilter, der nach seiner Verurteilung weiterhin jegliche Tatbeteiligung vehement bestreitet, wird erfahrungsgemäß nicht als geeigneter Kandidat für den offenen Vollzug gesehen.

Dies führt vor allem dann in der praktischen Umsetzung zu Schwierigkeiten, wenn möglicher Weise ein fehlerhaftes Urteil (etwa im Rahmen eines Indizienprozesses) vorliegt. In solchen Fällen müssen mit dem Verurteilten die Vor- und Nachteile auch evtl. Wiederaufnahmeverfahren sorgfältig besprochen und abgewogen werden.

Der offene Vollzug stellt zugleich eine Chance für den Verurteilten dar, sich zu „bewähren“. Denn wenn sich der Verurteilte an die Vorgaben im Rahmen des offenen Vollzugs pünktlich und zuverlässig hält, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass einer vorzeitigen Entlassung etwa nach der Hälfte oder aber nach 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe zugestimmt wird.

Umgekehrt stellt der offene Vollzug aber gerade deshalb auch eine Gefahr im Strafvollzug dar. Gelingt es dem Verurteilten nämlich nicht, sich im offenen Vollzug zu „bewähren“, werden also Verstöße gegen die Regelungen und die Vorgaben im offenen Vollzug festgestellt, finden sich diese Verstöße auch fast immer in den Entscheidungen zur Reststrafenaussetzung nach der Hälfte bzw. 2/3 der Strafe. Vielfach erfährt man in der Praxis, dass bei Verstößen im Rahmen des offenen Vollzuges die JVA und ihr folgend die Staatsanwaltschaft die sog. Endstrafe fordert.

Auch über diese Risiken muss der Strafverteidiger mit seinem Mandanten eingehend sprechen.

Ein erfolgreicher Antrag auf Strafvollzug im offenen Vollzug stellt eine umsichtige und genaue Planung mit dem Verurteilten dar. Die größtmögliche Chance, offenen Vollzug bewilligt zu bekommen, erhält man dann, wenn Sie dies mit einem erfahrenen Strafverteidiger tun.

P

  • Pflegefirma, Häusliche Krankenpflege, Abrechnungsbetrug
  • Pflegefirma, Häusliche Krankenpflege, Abrechnungsbetrug

    In jüngerer Zeit gibt es verstärkt Ermittlungen und strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Betreibern und Mitarbeitern von Pflegefirmen. In der Regel geht es um häufige Krankenpflegeleistungen, die nach SGB V mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Seltener demgegenüber sind Betrugsvorwürfe im Bereich der häuslichen Pflege nach SGB XI, für die die Pflegeversicherung einzustehen hat.

    Die politische Lage in Deutschland lässt es für Pflegefirmen schwer werden, ausreichend Pflegepersonal zu finden. Nicht nur die – verhältnismäßig – schlechten Verdienstmöglichkeiten für das Pflegepersonal, sondern vor allem auch die anstrengende Tätigkeit selbst schrecken vor allem deutsche Mitarbeiter ab, als Pflegekraft tätig zu sein.

    Man muss sich vergegenwärtigen, dass in vielen Fällen der häuslichen Krankenpflege, gerade bei intensivmedizinischer Krankenpflege, die Mitarbeiter 24 Stunden am Tag in einer fremden Umgebung sind. Vielfach werden die Pflegekräfte beim Patienten zu Hause untergebracht oder aber in nahegelegenen Hotels / Pensionen. Dies bringt eine Trennung von der eigenen Familie mit sich, ebenso eine Trennung vom Bekannten- und Freundeskreis.

    In dieser Not helfen sich Pflegefirmen vorwiegend mit ausländischen Pflegekräften. Solche kommen aus Ungarn, Bulgarien, Tschechien, vielfach aber auch aus dem außereuropäischen Ausland.

    Ein großes Problem stellen hierbei die Qualifikationen dieser Mitarbeiter dar. Auch wenn die ausländischen Pflegekräfte im Heimatland ausgebildete und examinierte Krankenschwestern / Krankenpfleger sind, stellt sich die Frage, inwieweit der ausländische Berufsabschluss in Deutschland die Ausführung der häuslichen Krankenpflege erlaubt. Hier gilt es eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften zu beachten, die vom Krankenpflegegesetz (KrPflG) über das Altenpflegegesetz (AltPflG) bis hin zum Bundesqualifikationsfeststellungsgesetz (BQSG) geregelt sind.

    Nach der im Moment vorherrschenden strafrechtlichen Rechtsprechung gilt im Übrigen eine sog. “streng sozialrechtliche Betrachtungsweise”; dies führt dazu, dass die Strafgerichte für die Beurteilung einer ausreichenden Qualifikation neben den gesetzlichen Regelungen vor allem auch die vertraglichen Vereinbarungen der Pflegefirmen mit den Krankenkassen zu berücksichtigen haben. Neben einem Rahmenvertrag werden in vielen Fällen auch individuelle Verträge für die häusliche Krankenpflege einzelner Patienten abgeschlossen. Die dort genannten Qualifikationen sind – ggf. im Wege der Auslegung – zu ermitteln und im Einzelfall zu überprüfen, ob die eingesetzten Pflegekräfte ausreichend qualifiziert sind.

    Bedauerlicher Weise spielt für die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise keine Rolle, ob die Patienten gut versorgt waren und es in keinem Fall zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben kam.

    Letztlich führt die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise der Strafgerichtsrechtsprechung auch zu einer immensen Schadenshöhe, weil eine Leistung als “nichts wert” gilt, wenn mit fehlerhaft qualifiziertem Personal häusliche Krankenpflege erbracht wurde. In machen Fällen gerät der verantwortliche Geschäftsführer eines Pflegeunternehmens dann in den Bereich vonn 7-stelligen Schadenssummen. Für eine Schadenssumme in dieser Größenordnung sieht die strafgerichtliche Rechtsprechung – was aus dem Steuerstrafrecht kommt – regelmäßig eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung vor.

    Wir haben besondere Erfahrungen im Bereich dieser Betrugsform. Es gibt vielfältig Verteidigungsmöglichkeiten, gerade im Zusammenhang mit der streng sozialrechtlichen Betrachtungsweise. Wir arbeiten in diesem Bereich mit qualifizierten sozialrechtlichen Rechtsanwaltskollegen zusammen, begleiten unsere Mandaten zu Gesprächen mit den Krankenkassen und argumentieren gegenüber den Ermittlungsbehörden mit einer sachgerechten Auslegung und einem richtigen Verständnis der jeweiligen Qualifikationen.

  • Präsentationsarzneimittel
  • Präsentationsarzneimittel

    Präsentationsarzneimittel werden ohne Rücksicht auf ihre pharmakologische Wirkung allein im Hinblick auf die durch ihre Bezeichnung oder Aufmachung geweckte Erwartung der Verbraucher als Arzneimittel verstanden. Nach der Rechtsprechung sind aus Gründen der Rechtssicherheit objektive Kriterien hierfür erforderlich. So ist zum Beispiel die Etikettierung wichtig, aber auch die Packungsbeilage, die bei einem verständigen Verbraucher den Eindruck erweckt, das Produkt besitze typische Eigenschaften eines Arzneimittels. Aber auch sonstige Hinweise können nach der Rechtsprechung Indizien für ein Präsentationsarzneimittel sein, wie etwa die Werbung für ein Produkt.

    Die Form der Darreichung des Produkts, also Tabletten, Kapseln oder Pillen haben heute demgegenüber keine entscheidende Aussagekraft mehr. Es findet sich auch eine Vielzahl von Nahrungsmitteln und vor allem Nahrungsergänzungsmitteln in der genannten Darreichungsform.

    Sofern in der Bewerbung eines Produktes Begriffe zu finden sind wie „Patient“ oder „Krankheit“ kann dies ein Indiz für ein (Präsentations-) Arzneimittel sein. Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffs der „Therapie“. Die Hersteller von Nahrungsmitteln/ Nahrungsergänzungsmitteln müssen deshalb bei der Formulierung der Produktinformationen und auch der Werbung vorsichtig sein, wenn sie nicht in die weitaus strengeren Regularien des Arzneimittelrechts (AMG) kommen wollen.

    Bei der Beschreibung eines Produktes gibt es arzneimitteltypische Bezeichnungen wie etwa „Forte“ oder „dolo“, die indiziell für ein Arzneimittel sprechen. Gleiches gilt auch für die Bezeichnung als „Retard“ oder aber die Bezeichnung des Produktes unter Verwendung des Bestandteils „…pharma“.

    Wenn in Produktbeschreibungen auch mit Fachinformationen geworben wird und dem Hinweis auf fachliche Beiträge von Ärzten oder Heilpraktikern, kann auch dies als Indiz verwendet werden für das Vorliegen eines Arzneimittels und gegen ein Nahrungs (-ergänzungs)mittel.

    Die Hersteller von Erzeugnissen sind die primär Verantwortlichen für dessen Qualifikation. Sie haben es durch die Bewerbung, Beschreibung und Formulierung ihres Produkts in der Hand, bei Verbrauchern den Eindruck hervorzurufen, es liege ein Nahrungsergänzungsmittel vor. Wird zu sehr „medizinisch“ geworben besteht die Gefahr
    der Einstufung eines Arzneimittels.

    Der Lebensmittelcharakter sollte deshalb bei der Bewerbung im Vordergrund stehen, will man erreichen, dass es ein Nahrungsmittel/Nahrungsergänzungsmittel bleibt.
    Für die Frage der Strafbarkeit § 95 AMG oder § 96 AMG ist die Einstufung und die Abgrenzung eines Präparates oder eines Produktes als Arzneimittel, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukt oder Kosmetika von grundlegender Bedeutung.

Pflegefirma, Häusliche Krankenpflege, Abrechnungsbetrug

In jüngerer Zeit gibt es verstärkt Ermittlungen und strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Betreibern und Mitarbeitern von Pflegefirmen. In der Regel geht es um häufige Krankenpflegeleistungen, die nach SGB V mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Seltener demgegenüber sind Betrugsvorwürfe im Bereich der häuslichen Pflege nach SGB XI, für die die Pflegeversicherung einzustehen hat.

Die politische Lage in Deutschland lässt es für Pflegefirmen schwer werden, ausreichend Pflegepersonal zu finden. Nicht nur die – verhältnismäßig – schlechten Verdienstmöglichkeiten für das Pflegepersonal, sondern vor allem auch die anstrengende Tätigkeit selbst schrecken vor allem deutsche Mitarbeiter ab, als Pflegekraft tätig zu sein.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass in vielen Fällen der häuslichen Krankenpflege, gerade bei intensivmedizinischer Krankenpflege, die Mitarbeiter 24 Stunden am Tag in einer fremden Umgebung sind. Vielfach werden die Pflegekräfte beim Patienten zu Hause untergebracht oder aber in nahegelegenen Hotels / Pensionen. Dies bringt eine Trennung von der eigenen Familie mit sich, ebenso eine Trennung vom Bekannten- und Freundeskreis.

In dieser Not helfen sich Pflegefirmen vorwiegend mit ausländischen Pflegekräften. Solche kommen aus Ungarn, Bulgarien, Tschechien, vielfach aber auch aus dem außereuropäischen Ausland.

Ein großes Problem stellen hierbei die Qualifikationen dieser Mitarbeiter dar. Auch wenn die ausländischen Pflegekräfte im Heimatland ausgebildete und examinierte Krankenschwestern / Krankenpfleger sind, stellt sich die Frage, inwieweit der ausländische Berufsabschluss in Deutschland die Ausführung der häuslichen Krankenpflege erlaubt. Hier gilt es eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften zu beachten, die vom Krankenpflegegesetz (KrPflG) über das Altenpflegegesetz (AltPflG) bis hin zum Bundesqualifikationsfeststellungsgesetz (BQSG) geregelt sind.

Nach der im Moment vorherrschenden strafrechtlichen Rechtsprechung gilt im Übrigen eine sog. “streng sozialrechtliche Betrachtungsweise”; dies führt dazu, dass die Strafgerichte für die Beurteilung einer ausreichenden Qualifikation neben den gesetzlichen Regelungen vor allem auch die vertraglichen Vereinbarungen der Pflegefirmen mit den Krankenkassen zu berücksichtigen haben. Neben einem Rahmenvertrag werden in vielen Fällen auch individuelle Verträge für die häusliche Krankenpflege einzelner Patienten abgeschlossen. Die dort genannten Qualifikationen sind – ggf. im Wege der Auslegung – zu ermitteln und im Einzelfall zu überprüfen, ob die eingesetzten Pflegekräfte ausreichend qualifiziert sind.

Bedauerlicher Weise spielt für die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise keine Rolle, ob die Patienten gut versorgt waren und es in keinem Fall zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben kam.

Letztlich führt die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise der Strafgerichtsrechtsprechung auch zu einer immensen Schadenshöhe, weil eine Leistung als “nichts wert” gilt, wenn mit fehlerhaft qualifiziertem Personal häusliche Krankenpflege erbracht wurde. In machen Fällen gerät der verantwortliche Geschäftsführer eines Pflegeunternehmens dann in den Bereich vonn 7-stelligen Schadenssummen. Für eine Schadenssumme in dieser Größenordnung sieht die strafgerichtliche Rechtsprechung – was aus dem Steuerstrafrecht kommt – regelmäßig eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung vor.

Wir haben besondere Erfahrungen im Bereich dieser Betrugsform. Es gibt vielfältig Verteidigungsmöglichkeiten, gerade im Zusammenhang mit der streng sozialrechtlichen Betrachtungsweise. Wir arbeiten in diesem Bereich mit qualifizierten sozialrechtlichen Rechtsanwaltskollegen zusammen, begleiten unsere Mandaten zu Gesprächen mit den Krankenkassen und argumentieren gegenüber den Ermittlungsbehörden mit einer sachgerechten Auslegung und einem richtigen Verständnis der jeweiligen Qualifikationen.

S

  • Scheinselbstständigkeit
  • Scheinselbstständigkeit

    Die sog. Scheinselbstständigkeit wird strafrechtlich unter den Begriff der “Schwarzarbeit” gefasst, weil es auch hierbei um die Frage geht, ob Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht nicht abgeführt worden sind. § 266 a StGB stellt das Vorenthalten und das Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter Strafe.

    Bei der Scheinselbstständigkeit geht es in der Praxis zumeist um die Abgrenzung zwischen einer echten Selbstständigkeit und einer Schein-Selbstständigkeit. Die Kriterien hierfür sind ebenso komplex wie umfangreich.

    Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sowohl im (Lohn-) Steuerrecht wie auch im Sozialversicherungsrecht Kriterien gibt und die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit sozialversicherungsrechtlich, lohnsteuerrechtlich und strafrechtlich unterschiedlich ausfallen kann und jeweils eigenen Regeln folgt.

    § 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) definiert – lohn-steuerrechtlich – Arbeitnehmer als Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Nach § 1 Abs. 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis dann vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (Öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvor-stand) seine Arbeitskraft schuldet.

    Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

    § 1 Abs. 3 LStDV sagt ferner aus, dass Arbeitnehmer nicht ist, wer Lieferungen oder sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um die Entgelte für diese Lieferungen oder sonstigen Leistungen handelt.

    Ob eine Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt oder aber auf Honorarbasis selbstständig erbracht wird, ist nicht nach der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Ausschlaggebend ist vielmehr die inhaltliche Ausgestaltung und die tatsächliche Durchführung. Ganz gleich also, ob über dem Vertrag “Freier Mitarbeiter” steht, ist entscheidend, ob dieser Mitarbeiter letztlich in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist oder aber ob er Unternehmer-initiative und Unternehmerrisiko tragen muss.

    Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, besteht – von wenigen Ausnahmen in der Rentenversicherung abgesehen – grundsätzlich keine Versicherungspflicht.

    Hinsichtlich der Lohnsteuer, die lediglich für den abhängig Beschäftigten abzuführen ist, ergeben sich weitere Abgrenzungskriterien aus den Einkommensteuerrichtlinien R 15.1 EStR und R 18.1 EStR. Dort finden sich beispielsweise weitere Abgrenzungskriterien zu verschiedenen Berufsgruppen, wie Versicherungsvertreter, Hausgewerbe-treibender, Heimarbeiter, Ärzte, Erfinder etc.. Die Richtlinie H 19.0 LStH gibt noch mehr Abgrenzungskriterien zu § 19 EStG an die Hand, die für die Abgrenzung von Arbeitnehmern zu Selbstständigen geprüft werden können. Darüber hinaus enthält die Richtlinie H 19.0 LStH eine Aufzählung einer Vielzahl von Berufsgruppen, die alphabetisch sortiert sind.

    Sozialversicherungsrechtlich bildet § 7 SGB IV die Rechtsgrundlage für die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit. Diese Regelung definiert den Begriff der unselbstständigen Beschäftigung. Darüber hinaus enthält das gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger zum 21.03.2019 (GR v. 21.03.2019 -II) detaillierte und ausführliche Aussagen zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zur echten Selbstständigkeit.

    Daneben gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung zu beachten.

    Die Frage, ob ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger erbringt, ist zum Teil schwierig zu beantworten. Die Grenze zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit ist fließend und häufig nicht eindeutig zu beantworten.

    Bei der Abgrenzung kommt es weniger auf eine formale Betrachtung, etwa die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Mitarbeiterver-hältnis an. Die tatsächliche Durchführung ist vielmehr ausschlaggebend, die in der
    strafrechtlichen Praxis durch eine umfangreiche Beweisaufnahme aufzuklären ist.

    Zusammengefasst lässt sich sagen, dass nur derjenige selbstständig ist, der Weisungen eines Dritten nicht zu befolgen hat und der auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet. Die entscheidenden Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit ist also eine (mehr oder weniger) freie Bestimmung und Gestaltung der Betätigung, insbesondere die Organisation und der Ablauf der eigenen Tätigkeit sowie die Möglichkeit, seine Leistung auf dem Markt unternehmerisch, also auch gegenüber mehreren Auftraggebern, anzubieten; man spricht auch von der sog. Unternehmerinitiative. Damit einher geht das verbundene Risiko der Entlohnung; der Selbstständige muss also auf eigene Rechnung am Markt tätig werden können (sog. Unternehmerrisiko).

    Der selbstständig Tätige kann mithin durch ein erfolgreiches Auftreten am Markt seine Vergütung steigern. Zugleich trägt er aber auch das wirtschaftliche Risiko, dass sich die von ihm angebotene Leistung nicht gewinnbringend vermarkten lässt. Eine Unternehmerinitiative kann sich auch darin zeigen, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, seinerseits die Arbeitsleistung durch Dritte, nämlich etwa durch von ihm selbst beschäftigte Arbeitnehmer oder Subunternehmer, erbringen zu lassen.

    Die für den Arbeitnehmer typischerweise fremd bestimmte Tätigkeit – in Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit – kann anhand von verschiedenen Merkmalen indiziert werden. Dabei kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die dort vorgefundene tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an. Merkmale, die für eine Arbeitnehmerschaft sprechen, können insbesondere sein:

    -persönliche Abhängigkeit

    -Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit

    -feste Arbeitszeiten

    -Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort

    -feste Bezüge

    -Urlaubsanspruch

    -Anspruch auf sonstige Sozialleistungen

    -Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall

    -Überstundenvergütung

    -zeitlicher Umfang der Dienstleistungen

    -Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit

    -kein Unternehmerrisiko

    -keine Unternehmerinitiative

    -kein Kapitaleinsatz

    -keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln

    -Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern

    -Eingliederung in den Betrieb

    -Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges

    -Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist

    Die vorgenannten Kriterien stammen aus der Richtlinie H 19.0 LStH.

    Weiter heißt es in der Richtlinie:

    “Diese Merkmale ergeben sich regelmäßig aus dem bei Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt sind und tatsächlich durchgeführt werden (…). Dabei sind die für oder gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale ihrer Bedeutung ent- sprechend gegeneinander abzuwägen. Die arbeitsrechtliche Fiktion eines Dienstverhältnisses ist steuerrechtlich nicht maßgebend (…).”

    Auch die Weisungsgebundenheit – als prägendes Merkmal einer abhängigen Beschäftigung – kann von einem Fall zum nächsten ganz anders gestaltet sein. So heißt es in der Richtlinie H 19.0 LStH zur Weisungsgebundenheit:

    “Die in § 1 Abs. 2 LStDV genannte Weisungsgebundenheit kann auf einem besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis beruhen, wie z.B. bei Beamten und Richtern, oder Ausfluss des Direktionsrechts sein, mit dem ein Arbeitgeber die Art und Weise, Ort, Zeit und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung bestimmt. Die Weisungsbefugnis kann eng aber auch locker sein, wie z.B. bei einem angestellten Chefarzt, der fachlich weitgehend eigenverant- lich handelt; entscheidend ist, ob die beschäftigte Person einer etwaigen Weisung bei der Art und Weise der Ausführung der ge- schuldeten Arbeitsleistung zu folgen verpflichtet ist oder ob ein solches Weisungsrecht nicht besteht. Maßgebend ist das Innenver- hältnis; die Weisungsgebundenheit muss im Auftreten der be- schäftigten Person nach außen nicht erkennbar werden (…). Die Eingliederung in einen Betrieb kann auch bei einer kurzfristigen Beschäftigung gegeben sein, wie z.B. bei einem Apothekervertreter als Urlaubsvertretung. Sie ist aber eher bei einfachen als bei gehobenen Arbeiten anzunehmen, z.B. bei einem Gelegenheitsarbeiter, der zu bestimmten unter Aufsicht durchzuführenden Arbeiten heran- gezogen wird. Die vorstehenden Kriterien gelten auch für die Ent- scheidung, ob ein sog. Schwarzarbeiter Arbeitnehmer des Auftrag- gebers ist.”

    Anwälte und Strafverteidiger können im Bereich der Scheinselbstständigkeit durch eine sorgfältige Argumentation und das klare Herausstellen der Merkmale, die der tatsächlichen Durchführung eines Vertrages ihr Gepräge geben, entscheidend auf den weiteren Verlauf eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Einfluss nehmen. Im Grenzbereich zwischen echter Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit, wenn möglicherweise verschiedene Behörden, Institutionen oder Personen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, lassen sich auch über den Tatvorsatz die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in eine Richtung lenken, dass der Betroffene mit einer Einstellung des Verfahrens oder aber einem Freispruch rechnen kann.

    Lassen Sie sich deshalb frühzeitig beraten.

  • Schwarzarbeit
  • Schwarzarbeit

    Der Vorwurf der Schwarzarbeit nimmt im wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich einen immensen Stellenwert ein. Primär zuständig für die Ermittlungen ist hierbei das Hauptzollamt (HZA).

    Zum Bereich der Schwarzarbeit werden nicht nur solche (eindeutigen) Fälle gezählt, bei denen Mitarbeiter ohne jede Anmeldung (also vollständig “schwarz”) beschäftigt werden. Auch diejenigen Fälle sind unproblematisch, bei denen ein Mitarbeiter geringfügig beschäftigt oder teilzeitbeschäftigt ist, tatsächlich aber Vollzeit arbeitet. In der Strafrechtpraxis werden vielfach die gemeldeten Löhne formal ordnungsgemäß der Sozialversicherungspflicht unterworfen und der formal richtig angemeldete Lohn durch Überweisung an den Arbeitnehmer bezahlt. Der darüber hinausgehende “Schwarzlohnanteil” wird regelmäßig bar an den Mitarbeiter überlassen.

    Häufig werden in der Praxis über fingierte Betriebsausgaben in Form von Scheinrechnungen liquide Mittel generiert, um Barvermögen zur Auszahlung von Schwarzlohnzahlungen zur Verfügung zu haben. In diesen Fällen liegt neben einem Schwarzarbeitsverfahren regelmäßig auch ein steuerstrafrechtliches Verfahren aufgrund der Verbuchung von Scheinrechnungen vor.

    Den Arbeitgeber (das kann auch eine Kapitalgesellschaft, also eine GmbH, AG, GmbH & Co.KG etc. sein) trifft in diesen Fällen eine hohe Beitragsnachforderung sowohl gegenüber den Krankenkassen, als auch gegenüber den Finanzämtern/Stadt (Gewerbesteuer). Daneben haftet der tatsächlich Verantwortliche persönlich mit seinem gesamten Privatvermögen aufgrund seiner deliktischen/strafbaren Verhaltensweise für den gesamten Sozialversicherungsschaden und Steuerschaden.

    Hinzugesetzt werden in den Bescheiden/Haftungsbescheiden neben den Zinsen auch Säumniszuschläge, die gerade im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht bei lange zurückliegenden Zeiträumen enorm zu Buche schlagen. So betragen die Säumniszuschläge bei nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträgen 1% des ausstehenden Beitrages. Im Steuer- (- straf -) recht werden für die nachzuentrichtenden Steuern 0,5% pro Monat, mithin also 6% pro Jahr an Zinsen fällig. Wird eine Steuer mittels eines Steuerbescheides (nachträglich) festgesetzt und wird die Steuerschuld nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt, so ist für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1% des rückständigen Steuerbetrages zu bezahlen.

    Schwierig ist die Frage der Schwarzarbeit im Bereich der sog. Scheinselbstständigkeit zu beurteilen. In diesen Fällen ist die betreffende Person – vordergründig betrachtet – selbstständig. In vielen Fällen “fühlt sich” dieser Auftragnehmer auch selbstständig. Bei genauerem Hinsehen aber kann sich eine solche “selbstständige Tätigkeit” als bloßer Schein entpuppen.

    Auch der Bereich der Scheinselbstständigkeit gehört zur Schwarzarbeit und zum Wirtschaftsstrafrecht.

    Die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit wird in einem gesonderten Artikel dargestellt.

    Die Fälle der Schwarzarbeit führen in der Praxis aufgrund der enormen Beitrags-nachforderungen und Steuerzahlungen vielfach nicht nur zum wirtschaftlichen Ruin und zur Insolvenz des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin, sondern auch zum persönlichen Ruin, zur Privatinsolvenz oder zur Abgabe der Vermögensauskunft bei dem handelnden Geschäftsführer oder dem faktischen Geschäftsführer sowie den weiteren dafür verantwortlichen Personen.

    Daneben wird die Schwarzarbeit auch hartnäckig von den zuständigen Ermittlungsbehörden (Straf- und Bußgeldsachenstelle / Hauptzollamt / Staatsanwaltschaft) verfolgt. Aufgrund der entstehenden hohen Nachzahlungen und den damit verbundenen hohen Schäden strafrechtlicher Art enden die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Bereich der Schwarzarbeit häufig nicht mit einer Einstellung gegen Geldauflage nach § 153 a StPO, sondern im Strafbefehlswege oder aber im Rahmen einer Anklage nach einer öffentlichen Hauptverhandlung durch Urteil.

    Wenn Sie Fragen zum Bereich der Schwarzarbeit haben oder selbst Beschuldigte/-r eines solchen Verfahrens sind, kontaktieren Sie uns frühzeitig, damit so früh wie möglich die Weichen im Strafverfahren richtig gestellt werden können.

  • Strafantritt und Strafaufschub
  • Strafantritt und Strafaufschub

    Ladung zum Strafantritt und Strafaufschub

    Sobald eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung vorliegt und nicht bereits Untersuchungshaft vollstreckt wird, wird man zum Strafantritt in die zuständige Justizvollzugsanstalt geladen.

    1.

    Die zuständige Justizvollzugsanstalt ergibt sich aus den Vollstreckungsplänen der Bundesländer. Grundsätzlich sind die Justizvollzugsanstalten für bestimmte Strafarten in bestimmten Bezirken zuständig.

    Die Zuständigkeit richtet sich nach Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Vollzugsdauer. Auch Merkmale wie Wohn- oder Aufenthaltsort sind entscheidend.

    Die einzelnen Vollstreckungspläne kann man online aufrufen.

    Hier finden Sie beispielsweise den Vollstreckungsplan Baden-Württemberg: https://vollstreckungsplan.online/vp_bw_vollstrpl_20150414.pdf

    Eine Abweichung vom Vollstreckungsplan ist möglich. Es kann beispielsweise eine Verlegung oder Ladung in eine -eigentlich unzuständige- Justizvollzugsanstalt beantragt werden, um eine größere Nähe zum Heimatort und der Familie zu gewährleisten, da stets der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund steht.

     

    2.

    Die Ladung enthält eine Frist, innerhalb derer die Strafe angetreten werden muss.

    Gerade im Hinblick auf den weiteren Vollzug (Lockerungen, offener Vollzug u.a.) ist es dringend anzuraten, diese Frist einzuhalten. Auch kann bei Nichtantritt oder bei Fluchtgefahr ein Vorführungsbefehl oder ein Haftbefehl zur Vollstreckung erlassen werden.

    Es besteht jedoch die Möglichkeit vor Strafantritt einen Vollstreckungsaufschub zu beantragen, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen, § 456 Abs. 1 StPO.

    Der Aufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen, § 456 Abs. 2 StPO. Eventuell macht die Vollstreckungsbehörde (idR die Staatsanwaltschaft) den Aufschub von einer Sicherheitsleistung oder einer anderen Bedingung abhängig.

    Gegen die ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde hinsichtlich des Aufschubs kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden und sofern das Gericht den Aufschub weiterhin ablehnt, kann sofortige Beschwerde erhoben werden.

     

    Sollten Sie eine Ladung zum Strafantritt erhalten haben und hierzu Fragen haben, können Sie sich jederzeit an uns wenden. Wir beraten Sie gerne.

     

  • Strafbefehl
  • Strafbefehl

    Ein Strafbefehl wird gelegentlich, aber irrtümlich (!) wie ein Bußgeldbescheid wahrgenommen – schließlich steht auch im Strafbefehl ein Gesetzesverstoß und zumeist eine Geldsumme, die bezahlt werden soll. Die Folgen eines Strafbefehls können allerdings weitaus gravierender sein.

    Was ist ein Strafbefehl?

    Ein Strafbefehl wird von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht beantragt. Er entspricht im Aufbau zunächst einer Anklageschrift. Die Besonderheit besteht jedoch darin, dass neben der Anklage, also dem auf den Einzelfall bezogenen Strafvorwurf, darüber hinaus bereits eine konkrete Rechtsfolge benannt wird. Häufig ist diese Rechtsfolge eine Geldstrafe, möglich sind allerdings auch Nebenstrafen (etwa ein Fahrverbot) oder sogar eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Der zuständige Richter prüft diesen Strafbefehlsantrag aufgrund der Aktenlage und fertigt diesen aus, wenn er die Einschätzung der Staatsanwaltschaft teilt. Nach der Ausfertigung entspricht der Strafbefehl einem Urteil. Es existiert also ein „Urteil“, ohne dass jemals eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat.

    Sodann wird der Strafbefehl der beschuldigten Person zugestellt. Der Strafbefehl wird rechtskräftig, wenn nicht frist- und formgerecht Rechtsmittel eingelegt wird. Es muss also innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt werden. Andernfalls ist der Strafbefehl nicht mehr anfechtbar.

    Was sind die Vor- und Nachteile eines Strafbefehls?

    Der Vorteil für Staatsanwaltschaft und Gericht liegt im Strafbefehlsverfahren darin, dass eine Hauptverhandlung vermieden und das Verfahren schnell erledigt wird. Für den Beschuldigten kann dies durchaus ebenfalls vorteilhaft sein. So fallen Gerichtsgebühren niedriger aus und es findet keine stigmatisierende öffentliche Hauptverhandlung statt.

    Der Nachteil für die beschuldigte Person liegt darin, dass sie keine Gelegenheit hatte sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erklären und die Vorwürfe auszuräumen. Auch kennt sie nicht die konkreten Beweismittel, auf die die Justiz ihre Einschätzung stützt. Im Strafbefehl werden lediglich Beweismittel, wie etwa die Namen der Zeugen, benannt.

    Was sind die Folgen?

    Da ein rechtskräftiger Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil entspricht, gilt der Adressat des Strafbefehls als verurteilt. Für die Eintragung im Bundeszentralregister macht es keinen Unterschied, ob die rechtskräftige Strafe auf einem Urteil oder einem Strafbefehl beruht. Das bedeutet, dass neben der genannten Strafe weitere schwerwiegende Einschnitte auf die dann verurteilte Person zukommen können, die im Strafbefehl selbst nicht benannt sind. Dies können z.B. sein: Schadensersatzforderungen, berufs- oder arbeitsrechtliche, fahrerlaubnisrechtliche und ausländerrechtliche Konsequenzen.

    Was kann man tun?

    Wenn man mit der Strafe einverstanden und sich der weiteren Konsequenzen durch eine Verurteilung bewusst ist, kann man den Strafbefehl akzeptieren. Hierzu muss nichts weiter getan werden. Der Strafbefehl wird nach zwei Wochen rechtskräftig und kann nicht mehr angefochten werden.

    Wenn man mit der Strafe nicht einverstanden ist oder unsicher ist, ob die Strafe gerechtfertigt ist, muss der Einspruch form- und fristgerecht (binnen zwei Wochen) erfolgen. Hierzu sollten Sie zeitnah nach Erhalt des Strafbefehls einen Verteidiger beauftragen. Es ist nicht Voraussetzung, dass der Einspruch von einem Verteidiger eingelegt wird. Allerdings raten wir Ihnen dringend hierzu einen Strafverteidiger zu beauftragen. Einerseits besteht die Gefahr, dass der Einspruch unwirksam eingelegt wird. Andererseits kann der Verteidiger zu einem Zeitpunkt die Verteidigung aufnehmen, in der die Weichen für einen positiven Ausgang des Verfahrens gestellt. Hierzu wird er Einsicht in die Gerichtsakte beantragen und sich mit Ihnen über die Erfolgsaussichten einer Verteidigung beraten.

    Kann es nach dem Einspruch schlimmer werden?

    Wenn der Einspruch wirksam eingelegt wurde, wird das Gericht einen Termin zur mündlichen Hauptverhandlung bestimmen. Das Gericht ist dann nicht mehr an den Strafvorschlag gebunden, es kann daher auch eine höhere Strafe verhängen. Allerdings kann der Einspruch zurückgenommen werden. Dies ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung einseitig möglich. (Hat der Termin der Hauptverhandlung begonnen, müssen zur Rücknahme Staatsanwaltschaft und Gericht zustimmen.).

  • Strafentschädigung
  • Strafentschädigung

    Stellt sich nach Abschluss eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens heraus, dass Strafverfolgungsmaßnahmen – wie beispielsweise Untersuchungshaft oder die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis – zu Unrecht eingeleitet wurden, stellt sich in der Regel die Frage nach dem entsprechenden Ausgleich.

    Das Strafentschädigungsgesetz (StrEG) gewährt bei unrechtmäßigen Strafverfolgungsmaßnahmen den Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden.

    Es ist zu beachten, dass freisprechende Urteile zwar grundsätzlich eine Kostenentscheidung enthalten, mit welcher die Kosten der Staatskasse auferlegt werden. Hierunter fallen jedoch nicht die Entschädigungsansprüche nach dem StrEG.
    Diese müssen gesondert geltend gemacht werden.

    Das Entschädigungsverfahren ist unterteilt in das Grund- und das Betragsverfahren.

    Im Rahmen des Grundverfahrens wird geprüft und festgestellt, ob ein Entschädigungsanspruch besteht, §§ 8, 9 StrEG. Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig eingestellt, so unterrichtet sie den Entschädigungsberechtigten über seinen Anspruch. Dieser muss anschließend innerhalb einer Monatsfrist einen Antrag an das zuständige Gericht (das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft) stellen, um die Entschädigungspflicht der Staatskasse feststellen zu lassen.

    Liegt eine positive Entschädigungsgrundentscheidung vor oder hat das Gericht im Rahmen eines freisprechenden Urteils bereits die Entschädigungspflicht festgestellt, so schließt sich das Betragsverfahren an, §§ 10, 7 StrEG.
    Der Anspruch ist innerhalb von sechs Monaten bei der Staatsanwaltschaft geltend zu machen, welche die Ermittlungen im ersten Rechtszug zuletzt geführt hat.

    Im Antrag ist die Höhe der Schadenspositionen zu benennen und ggfs. entsprechende Belege beizufügen.

    Für die Höhe des Anspruchs ist § 7 StrEG ausschlaggebend.

    Bei materiellen Schäden (Vermögensschäden) sind die jeweiligen Schäden darzulegen und nachzuweisen. Hierunter fallen insbesondere entgangener Gewinn, Nutzungsausfall bzgl. des KfZ, Urlaub, Nachteile bezüglich der Rentenversicherung, Mehrkosten/ Fahrtkosten aufgrund vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis.

    Unter immateriellem Schaden ist der Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen zu verstehen. In den meisten Fällen betrifft dies die Entschädigung für eine zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft.

    In diesem Fall wird eine Pauschale gewährt: 25 Euro pro angefangenem Tag des Freiheitsentzuges, § 7 Abs. 3 StrEG.

    Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass eine Freiheitsentziehung ohne gerichtliche Entscheidung (z.B. vorläufige Festnahme) keine immaterielle Entschädigungspflicht nach sich zieht.

    Selbstverständlich können bei freiheitsentziehenden Maßnahmen auch materielle Ansprüche entstehen und entschädigt werden, so beispielsweise der Verlust der Wohnung und der damit einhergehenden Kosten oder der Verlust des Arbeitsplatzes.

    Wenn Sie Fragen zu den Strafentschädigungsansprüchen haben, so wenden Sie sich bitte frühzeitig an uns, sodass die entsprechenden Fristen gewahrt werden können und wir Sie ausführlich beraten können.

Scheinselbstständigkeit

Die sog. Scheinselbstständigkeit wird strafrechtlich unter den Begriff der “Schwarzarbeit” gefasst, weil es auch hierbei um die Frage geht, ob Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht nicht abgeführt worden sind. § 266 a StGB stellt das Vorenthalten und das Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter Strafe.

Bei der Scheinselbstständigkeit geht es in der Praxis zumeist um die Abgrenzung zwischen einer echten Selbstständigkeit und einer Schein-Selbstständigkeit. Die Kriterien hierfür sind ebenso komplex wie umfangreich.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sowohl im (Lohn-) Steuerrecht wie auch im Sozialversicherungsrecht Kriterien gibt und die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit sozialversicherungsrechtlich, lohnsteuerrechtlich und strafrechtlich unterschiedlich ausfallen kann und jeweils eigenen Regeln folgt.

§ 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) definiert – lohn-steuerrechtlich – Arbeitnehmer als Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Nach § 1 Abs. 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis dann vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (Öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvor-stand) seine Arbeitskraft schuldet.

Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

§ 1 Abs. 3 LStDV sagt ferner aus, dass Arbeitnehmer nicht ist, wer Lieferungen oder sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um die Entgelte für diese Lieferungen oder sonstigen Leistungen handelt.

Ob eine Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt oder aber auf Honorarbasis selbstständig erbracht wird, ist nicht nach der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Ausschlaggebend ist vielmehr die inhaltliche Ausgestaltung und die tatsächliche Durchführung. Ganz gleich also, ob über dem Vertrag “Freier Mitarbeiter” steht, ist entscheidend, ob dieser Mitarbeiter letztlich in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist oder aber ob er Unternehmer-initiative und Unternehmerrisiko tragen muss.

Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, besteht – von wenigen Ausnahmen in der Rentenversicherung abgesehen – grundsätzlich keine Versicherungspflicht.

Hinsichtlich der Lohnsteuer, die lediglich für den abhängig Beschäftigten abzuführen ist, ergeben sich weitere Abgrenzungskriterien aus den Einkommensteuerrichtlinien R 15.1 EStR und R 18.1 EStR. Dort finden sich beispielsweise weitere Abgrenzungskriterien zu verschiedenen Berufsgruppen, wie Versicherungsvertreter, Hausgewerbe-treibender, Heimarbeiter, Ärzte, Erfinder etc.. Die Richtlinie H 19.0 LStH gibt noch mehr Abgrenzungskriterien zu § 19 EStG an die Hand, die für die Abgrenzung von Arbeitnehmern zu Selbstständigen geprüft werden können. Darüber hinaus enthält die Richtlinie H 19.0 LStH eine Aufzählung einer Vielzahl von Berufsgruppen, die alphabetisch sortiert sind.

Sozialversicherungsrechtlich bildet § 7 SGB IV die Rechtsgrundlage für die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit. Diese Regelung definiert den Begriff der unselbstständigen Beschäftigung. Darüber hinaus enthält das gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger zum 21.03.2019 (GR v. 21.03.2019 -II) detaillierte und ausführliche Aussagen zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zur echten Selbstständigkeit.

Daneben gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung zu beachten.

Die Frage, ob ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger erbringt, ist zum Teil schwierig zu beantworten. Die Grenze zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit ist fließend und häufig nicht eindeutig zu beantworten.

Bei der Abgrenzung kommt es weniger auf eine formale Betrachtung, etwa die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Mitarbeiterver-hältnis an. Die tatsächliche Durchführung ist vielmehr ausschlaggebend, die in der
strafrechtlichen Praxis durch eine umfangreiche Beweisaufnahme aufzuklären ist.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass nur derjenige selbstständig ist, der Weisungen eines Dritten nicht zu befolgen hat und der auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet. Die entscheidenden Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit ist also eine (mehr oder weniger) freie Bestimmung und Gestaltung der Betätigung, insbesondere die Organisation und der Ablauf der eigenen Tätigkeit sowie die Möglichkeit, seine Leistung auf dem Markt unternehmerisch, also auch gegenüber mehreren Auftraggebern, anzubieten; man spricht auch von der sog. Unternehmerinitiative. Damit einher geht das verbundene Risiko der Entlohnung; der Selbstständige muss also auf eigene Rechnung am Markt tätig werden können (sog. Unternehmerrisiko).

Der selbstständig Tätige kann mithin durch ein erfolgreiches Auftreten am Markt seine Vergütung steigern. Zugleich trägt er aber auch das wirtschaftliche Risiko, dass sich die von ihm angebotene Leistung nicht gewinnbringend vermarkten lässt. Eine Unternehmerinitiative kann sich auch darin zeigen, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, seinerseits die Arbeitsleistung durch Dritte, nämlich etwa durch von ihm selbst beschäftigte Arbeitnehmer oder Subunternehmer, erbringen zu lassen.

Die für den Arbeitnehmer typischerweise fremd bestimmte Tätigkeit – in Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit – kann anhand von verschiedenen Merkmalen indiziert werden. Dabei kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die dort vorgefundene tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an. Merkmale, die für eine Arbeitnehmerschaft sprechen, können insbesondere sein:

-persönliche Abhängigkeit

-Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit

-feste Arbeitszeiten

-Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort

-feste Bezüge

-Urlaubsanspruch

-Anspruch auf sonstige Sozialleistungen

-Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall

-Überstundenvergütung

-zeitlicher Umfang der Dienstleistungen

-Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit

-kein Unternehmerrisiko

-keine Unternehmerinitiative

-kein Kapitaleinsatz

-keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln

-Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern

-Eingliederung in den Betrieb

-Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges

-Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist

Die vorgenannten Kriterien stammen aus der Richtlinie H 19.0 LStH.

Weiter heißt es in der Richtlinie:

“Diese Merkmale ergeben sich regelmäßig aus dem bei Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt sind und tatsächlich durchgeführt werden (…). Dabei sind die für oder gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale ihrer Bedeutung ent- sprechend gegeneinander abzuwägen. Die arbeitsrechtliche Fiktion eines Dienstverhältnisses ist steuerrechtlich nicht maßgebend (…).”

Auch die Weisungsgebundenheit – als prägendes Merkmal einer abhängigen Beschäftigung – kann von einem Fall zum nächsten ganz anders gestaltet sein. So heißt es in der Richtlinie H 19.0 LStH zur Weisungsgebundenheit:

“Die in § 1 Abs. 2 LStDV genannte Weisungsgebundenheit kann auf einem besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis beruhen, wie z.B. bei Beamten und Richtern, oder Ausfluss des Direktionsrechts sein, mit dem ein Arbeitgeber die Art und Weise, Ort, Zeit und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung bestimmt. Die Weisungsbefugnis kann eng aber auch locker sein, wie z.B. bei einem angestellten Chefarzt, der fachlich weitgehend eigenverant- lich handelt; entscheidend ist, ob die beschäftigte Person einer etwaigen Weisung bei der Art und Weise der Ausführung der ge- schuldeten Arbeitsleistung zu folgen verpflichtet ist oder ob ein solches Weisungsrecht nicht besteht. Maßgebend ist das Innenver- hältnis; die Weisungsgebundenheit muss im Auftreten der be- schäftigten Person nach außen nicht erkennbar werden (…). Die Eingliederung in einen Betrieb kann auch bei einer kurzfristigen Beschäftigung gegeben sein, wie z.B. bei einem Apothekervertreter als Urlaubsvertretung. Sie ist aber eher bei einfachen als bei gehobenen Arbeiten anzunehmen, z.B. bei einem Gelegenheitsarbeiter, der zu bestimmten unter Aufsicht durchzuführenden Arbeiten heran- gezogen wird. Die vorstehenden Kriterien gelten auch für die Ent- scheidung, ob ein sog. Schwarzarbeiter Arbeitnehmer des Auftrag- gebers ist.”

Anwälte und Strafverteidiger können im Bereich der Scheinselbstständigkeit durch eine sorgfältige Argumentation und das klare Herausstellen der Merkmale, die der tatsächlichen Durchführung eines Vertrages ihr Gepräge geben, entscheidend auf den weiteren Verlauf eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Einfluss nehmen. Im Grenzbereich zwischen echter Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit, wenn möglicherweise verschiedene Behörden, Institutionen oder Personen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, lassen sich auch über den Tatvorsatz die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in eine Richtung lenken, dass der Betroffene mit einer Einstellung des Verfahrens oder aber einem Freispruch rechnen kann.

Lassen Sie sich deshalb frühzeitig beraten.

T

  • Team-Time-Out
  • Team-Time-Out

    Immer wieder kommt es bei Operationen zu Fehlern durch die behandelnden Ärzte, die unter bestimmten Umständen auch zu einer strafrechtlichen Verantwortung des behandelnden Arztes führen können. Um die Wahrscheinlichkeit solcher Fehler einzugrenzen, wurden vom Gesetzgeber bestimmte Abläufe vorgeschrieben. Unter anderem muss vor jeder Operation ein sog. Team-Time-Out durchgeführt werden.

    Das sog. Team-Time-Out stellt eine letzte Sicherheitsstufe vor operativen Eingriffen dar.

    Mit dem Team-Time-Out werden vor Beginn der eigentlichen Operation ein letztes Mal die wesentlichen Eckdaten abgefragt und durch das anwesende Operationsteam auf eine breitere Basis gestellt. So werden beim Team-Time-Out in mehreren Stufen wiederholt von allen an der Operation beteiligten Personen

    - der Patient identifiziert,
    - die Besonderheiten des Eingriffs kurz besprochen und
    - der Eingriffsort nochmals wiederholt und bestätigt.

    Die Team-Time-Out-Prozedur dient also der Durchführung der abschließenden Verifikation des richtigen Patienten, des richtigen Eingriffs, des richtigen Eingriffsortes, der richtigen Lagerung des Patienten, der Bereitstellung der richtigen Implantate und der erforderlichen Spezialapparaturen bzw. Spezialinstrumente.

    In der Regel wird bereits vor der Übernahme in den OP durch die Anästhesiepflegekraft mit der Überprüfung der vorgenannten Eckdaten begonnen. Der Anästhesist setzt dies unmittelbar vor der Narkoseeinleitung beim noch wachen Patienten durch eine Befragung und parallelen Abgleich mit den vorliegenden Einwilligungsdokumenten fort.

    Als Patient haben Sie sich vielleicht schon gefragt, warum Ihnen im Rahmen einer Operation und deren Vorbereitung mehrfach die gleichen Fragen gestellt werden. Sie müssen dadurch nicht verunsichert sein, die Ärzte, Anästhesisten und weiteren beteiligten Akteure sind nicht etwa unwissend, ihnen fehlt auch nicht die Kenntnis über Ihre Person als Patient bzw. die bevorstehende Behandlung. Diese Fragen sind vielmehr beabsichtigt und dienen in besonderem Maße Ihrer eigenen Sicherheit.

    Das eigentliche und letzte Team-Time-Out findet unmittelbar vor Beginn des operativen Eingriffs statt. Dieses bekommen Sie als Patient im anästhesierten Zustand zumeist nicht mehr mit.

    Dieses Team-Time-Out findet im Operationssaal statt, der Patient ist bereits korrekt für den bevorstehenden Eingriff gelagert.

    Vor dem ersten operativen Hautschnitt werden ein letztes Mal die genannten Eckdaten abgefragt und kollektiv geprüft. Während des Team-Time-Outs ruhen alle Aktivitäten, wobei die Sicherheit des Patienten dabei nicht gefährdet ist. Die Konzentration aller an der Operation beteiligten Personen ist auf die aktive Verifizierung gerichtet.

    Durch Ansage und Vergleich werden die folgenden Punkte geprüft:

    - die richtige Identität des Patienten
    - die richtige Seite und der richtige Eingriffsort
    - Einigkeit hinsichtlich des vorgesehenen Eingriffs
    - die richtige Lagerung des Patienten
    - das Vorhandensein der richtigen Implantate und Spezialinstrumente.

    Das Team-Time-Out wird von einem qualifizierten Koordinator initiiert. Er ist ein Mitglied des OP-Teams, in der Regel der Operateur oder Anästhesist.

    Die Durchführung des Team-Time-Out ist in Deutschland standardmäßig formalisiert. In der Patientenakte ist deshalb bei operativen Eingriffen ein Formular über die Einhaltung und Durchführung des Team-Time-Outs vorhanden.

    Die Durchführung und ordnungsgemäße Dokumentation des Team-Time-Outs stellt nicht nur für die an der Operation beteiligten Ärzte, Anästhesisten und weitere beteiligte Personen eine wichtige Sorgfaltspflicht dar, sondern vor allem auch für den Krankenhausträger. Denn die Einhaltung der anerkannten Sicherheitsstandards (sog. Verkehrssicherungspflicht) wird damit dokumentiert. Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung und Dokumentation des Team-Time-Out können haftungsrechtliche Risiken, vor allem aber auch strafrechtliche Risiken (etwa wegen Körperverletzung durch den operativen Eingriff) begrenzt werden.

    Wenn Sie Fragen zu einer ordnungsgemäßen Durchführung einer Operation oder strafrechtliche Folgen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Kanzlei. Unser Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Behandlung und Bearbeitung von medizinstrafrechtlichen Fragestellungen.

Team-Time-Out

Immer wieder kommt es bei Operationen zu Fehlern durch die behandelnden Ärzte, die unter bestimmten Umständen auch zu einer strafrechtlichen Verantwortung des behandelnden Arztes führen können. Um die Wahrscheinlichkeit solcher Fehler einzugrenzen, wurden vom Gesetzgeber bestimmte Abläufe vorgeschrieben. Unter anderem muss vor jeder Operation ein sog. Team-Time-Out durchgeführt werden.

Das sog. Team-Time-Out stellt eine letzte Sicherheitsstufe vor operativen Eingriffen dar.

Mit dem Team-Time-Out werden vor Beginn der eigentlichen Operation ein letztes Mal die wesentlichen Eckdaten abgefragt und durch das anwesende Operationsteam auf eine breitere Basis gestellt. So werden beim Team-Time-Out in mehreren Stufen wiederholt von allen an der Operation beteiligten Personen

- der Patient identifiziert,
- die Besonderheiten des Eingriffs kurz besprochen und
- der Eingriffsort nochmals wiederholt und bestätigt.

Die Team-Time-Out-Prozedur dient also der Durchführung der abschließenden Verifikation des richtigen Patienten, des richtigen Eingriffs, des richtigen Eingriffsortes, der richtigen Lagerung des Patienten, der Bereitstellung der richtigen Implantate und der erforderlichen Spezialapparaturen bzw. Spezialinstrumente.

In der Regel wird bereits vor der Übernahme in den OP durch die Anästhesiepflegekraft mit der Überprüfung der vorgenannten Eckdaten begonnen. Der Anästhesist setzt dies unmittelbar vor der Narkoseeinleitung beim noch wachen Patienten durch eine Befragung und parallelen Abgleich mit den vorliegenden Einwilligungsdokumenten fort.

Als Patient haben Sie sich vielleicht schon gefragt, warum Ihnen im Rahmen einer Operation und deren Vorbereitung mehrfach die gleichen Fragen gestellt werden. Sie müssen dadurch nicht verunsichert sein, die Ärzte, Anästhesisten und weiteren beteiligten Akteure sind nicht etwa unwissend, ihnen fehlt auch nicht die Kenntnis über Ihre Person als Patient bzw. die bevorstehende Behandlung. Diese Fragen sind vielmehr beabsichtigt und dienen in besonderem Maße Ihrer eigenen Sicherheit.

Das eigentliche und letzte Team-Time-Out findet unmittelbar vor Beginn des operativen Eingriffs statt. Dieses bekommen Sie als Patient im anästhesierten Zustand zumeist nicht mehr mit.

Dieses Team-Time-Out findet im Operationssaal statt, der Patient ist bereits korrekt für den bevorstehenden Eingriff gelagert.

Vor dem ersten operativen Hautschnitt werden ein letztes Mal die genannten Eckdaten abgefragt und kollektiv geprüft. Während des Team-Time-Outs ruhen alle Aktivitäten, wobei die Sicherheit des Patienten dabei nicht gefährdet ist. Die Konzentration aller an der Operation beteiligten Personen ist auf die aktive Verifizierung gerichtet.

Durch Ansage und Vergleich werden die folgenden Punkte geprüft:

- die richtige Identität des Patienten
- die richtige Seite und der richtige Eingriffsort
- Einigkeit hinsichtlich des vorgesehenen Eingriffs
- die richtige Lagerung des Patienten
- das Vorhandensein der richtigen Implantate und Spezialinstrumente.

Das Team-Time-Out wird von einem qualifizierten Koordinator initiiert. Er ist ein Mitglied des OP-Teams, in der Regel der Operateur oder Anästhesist.

Die Durchführung des Team-Time-Out ist in Deutschland standardmäßig formalisiert. In der Patientenakte ist deshalb bei operativen Eingriffen ein Formular über die Einhaltung und Durchführung des Team-Time-Outs vorhanden.

Die Durchführung und ordnungsgemäße Dokumentation des Team-Time-Outs stellt nicht nur für die an der Operation beteiligten Ärzte, Anästhesisten und weitere beteiligte Personen eine wichtige Sorgfaltspflicht dar, sondern vor allem auch für den Krankenhausträger. Denn die Einhaltung der anerkannten Sicherheitsstandards (sog. Verkehrssicherungspflicht) wird damit dokumentiert. Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung und Dokumentation des Team-Time-Out können haftungsrechtliche Risiken, vor allem aber auch strafrechtliche Risiken (etwa wegen Körperverletzung durch den operativen Eingriff) begrenzt werden.

Wenn Sie Fragen zu einer ordnungsgemäßen Durchführung einer Operation oder strafrechtliche Folgen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Kanzlei. Unser Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Behandlung und Bearbeitung von medizinstrafrechtlichen Fragestellungen.

U

  • Untersuchungshaft / U-Haft
  • Untersuchungshaft / U-Haft

    Die Untersuchungshaft – kurz U-Haft genannt – ist der denkbar schwerste Eingriff in die (Freiheits-) Rechte der Bürger. Denn mit der Untersuchungshaft (U-Haft) wird ein noch unschuldiger Bürger seiner Fortbewegungsfreiheit beraubt; er kommt ins Gefängnis. Die Untersuchungshaft ist dabei nicht etwa eine vorgezogene Strafe. Vielmehr dient die Untersuchungshaft (U-Haft) der Verfahrenssicherung.

    Die Untersuchungshaft (U-Haft) braucht nämlich für ihre Anordnung einen Haftgrund. Solche Haftgründe sind u.a.

    -die Flucht
    -die Fluchtgefahr
    -die Verdunkelungsgefahr sowie
    -die Wiederholungsgefahr.

    Daneben gibt es den Haftgrund der sog. Schwerstkriminalität, der in der Regel bei Kapitalstrafsachen wie Mord, Totschlag etc. angeordnet wird.

    Wie sich insbesondere aus den in der Praxis häufigsten Haftgründen der Verdunkelungsgefahr und der Fluchtgefahr ergibt, liegt die Verfahrenssicherung darin, dass der Beschuldigte durch die Inhaftierung sich seinem Strafverfahren stellt und er in der Hauptverhandlung anwesend ist (Fluchtgefahr / Flucht); bei der Verdunkelungsgefahr demgegenüber will die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft und Polizei) sicherstellen, dass während des Ermittlungsverfahrens keine unlautere Einflussnahme auf Beweismittel vorgenommen wird. Eine solche unlautere Einflussnahme wird z.B. bejaht, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte auf Zeugen einwirkt, um diese zu einem bestimmten Aussageverhalten zu veranlassen oder wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte etwa Urkunden vernichtet oder sonstige Tatwerkzeuge oder Tatmittel bzw. aus der Tat erlangte Beute beiseite schafft.

    Untersuchungshaft (U-Haft) setzt stets den Erlass eines Haftbefehls (U-Haft-Befehl) voraus. Dies ist stets ein richterlicher Beschluss.

    Nicht verwechselt werden darf die sog. vorläufige Festnahme mit der Untersuchungshaft.

    Bei der vorläufigen Festnahme wird ein Verdächtiger / Beschuldigter von der Polizei – wie der Name bereits sagt – vorläufig festgenommen. Dies setzt lediglich einen Polizeiverwaltungsakt voraus, nämlich die Festnahmeerklärung. Eines richterlichen Beschlusses dafür bedarf es noch nicht. Es reicht auch Anfangsverdacht aus, wobei die vorläufige Festnahme erforderlich, notwendig und angemessen sein muss, um bestimmte polizeiliche Zwangsmaßnahmen (wie etwa eine erkennungsdienstliche Behandlung, eine Durchsuchung etc. durchzuführen.

    Bei der vorläufigen Festnahme wird der Verdächtige / Beschuldigte in der Regel mit dem Polizeifahrzeug auf das Polizeirevier mitgenommen. Dort kann er in einer Verwahrzelle verwahrt werden, bis die polizeilichen Maßnahmen (z.B. die ED-Behandlung) abgeschlossen ist. Eine vorläufige Festnahme darf in der Bundesrepublik Deutschland aber niemals länger dauern als 24 Stunden (beginnend ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme). Es ist grundrechtlich vorgeschrieben, dass ein unschuldiger Bürger, wozu auch die Verdächtigen / Beschuldigten gehören, so lange sie nicht rechtskräftig verurteilt wurden, längstens innerhalb von 24 Stunden einem Haftrichter vorzuführen sind oder aber freizulassen sind.

    Bei der Vorführung vor den Haftrichter hat der Haftrichter zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Erlasses eines Untersuchungshaftbefehls (U-Haftbefehles) vorliegen.

    Der Erlass eines Untersuchungshaftbefehles (U-Haftbefehles) setzt neben dem vorgenannten Haftgrund (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr etc. auch dringenden Tatverdacht voraus. Außerdem darf der Vollzug der Untersuchungshaft (also die Inhaftierung) nicht außer Verhältnis zu der Verdächtigten Straftat stehen. Die verdächtigte Straftat muss also ein gewisses Gewicht haben, sie muss eine gewisse Schwere haben.

    Wenn es um U-Haft-Fragen geht, ist es zwingend notwendig, sich unverzüglich anwaltlichen Beistand zu suchen. Dies geschieht häufig auch durch die Angehörigen, weil ja der Verdächtige / Beschuldigte durch seine Inhaftierung dazu nicht mehr in der Lage ist. Wenn es um den Erlass eines Haftbefehles geht, muss der Rechtsanwalt / Strafverteidiger unverzüglich handeln. Ein zeitlicher Aufschub ist nicht möglich. Alle anderen Dinge des Rechtsanwalts / Strafverteidigers sind zurückzustellen.

    Für diese Zwecke habe ich ein Notdiensttelefon eingerichtet mit einer mobilen Erreichbarkeit für 24 Stunden, auch an Wochenenden.

    Notdienst-Nummer lautet: 0179 / 480 6223.

    Wenn der Haftbefehl noch nicht erlassen wurde, kann mit dem Beschuldigten in vielen Fällen noch erreicht werden, dass er auf freien Fuß kommt. Dies muss in einer sofortigen Besprechung geschehen, noch bevor der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt wird. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Rechtsanwalt als Strafverteidiger den Beschuldigten in der Verwahrzelle des Polizeipräsidiums / des Amtsgerichts (Haftrichters) aufsucht.

    Ein erfahrener Strafverteidiger weiß auch, dass er einen Anspruch darauf hat, von den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft / Polizei) Informationen darüber zu erhalten, aus welchen Gründen der Haftbefehl erlassen werden soll. Der erfahrene Strafverteidiger versteht es auch, diese Rechte durchzusetzen. In der Praxis zeigt sich manchmal, dass die (Kriminal-) Polizei versucht, Strafverteidiger möglichst lange aus dem Verfahren rauszuhalten; denn mit der Einschaltung eines Strafverteidigers wird naturgemäß die Arbeit der Kriminalpolizei erschwert. Denn der Strafverteidiger klärt seinen Mandanten über seine Rechte – natürlich auch über seine Pflichten- auf (z.B. über sein Schweigerecht).

    Wenn der Erlass eines Haftbefehls nicht mehr abgewendet werden kann, so geben viele Fälle Anlass dazu, zumindest eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen. Bei einer Außervollzugsetzung wird der Haftbefehl zwar erlassen, der Beschuldigte muss aber dennoch nicht ins Gefängnis. Der Vollzug der Untersuchungshaft wird vielmehr gegen Auflagen zurückgestellt.

    Auf diese Möglichkeit muss der Strafverteidiger den Haftrichter hinweisen und vielleicht auch bestimmte Auflagen anbieten.

    Solche Auflagen können sein eine regelmäßige Meldepflicht bei einer Polizeidienststelle, ein Kontaktverbot – etwa mit Mitbeschuldigten / Zeugen – oder auch eine Kautionsleistung. Gerade bei einer Kaution (Sicherheitsleistung durch Geld) muss der Verteidiger mit dem Beschuldigten oder aber dessen Angehörigen oder Freunden sprechen, inwieweit eine Kautionszahlung möglich ist.

    Kann der Erlass eines Haftbefehl nicht verhindert werden oder wird der Strafverteidiger etwa nach Erlass eines Haftbefehls beauftragt, ist es erforderlich, dass der Strafverteidiger den Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) unverzüglich aufsucht. Auch muss der Strafverteidiger regelmäßig Kontakt zu seinem Mandanten in der JVA halten und ihm über den jeweiligen Stand der Ermittlungen berichten. In der Praxis ist der Strafverteidiger häufig auch der Vermittler zwischen dem inhaftierten Beschuldigten und dessen Angehörigen / Freunden. Diese machen sich zu Recht Sorgen über ihren inhaftierten Freund / Verwandten und wollen wissen, wie lange die Untersuchungshaft (-U-Haft) noch andauert. Wenn der Strafverteidiger von seinem Mandanten von seiner Schweigepflicht entbunden wird, dann darf / muss der Strafverteidiger darüber mit den Angehörigen sprechen.

    Der Strafverteidiger ist aber auch für zahlreiche weitere Fragen während der der Untersuchungshaft (-U-Haft) der Ansprechpartner. So kümmere ich mich auch um Besuchserlaubnisse für die Angehörigen / Freunde, den Umstand, dass der Beschuldigte in der Haft Geld auf seinem Gefangenenkonto (für Einkäufe etc.) hat, saubere und frische Kleidung erhält etc.

    Meine oberste Pflicht als Strafverteidiger sehe ich jedoch darin, täglich das laufende Verfahren darauf zu überwachen, ob nicht eine Entlassung aus der Untersuchungshaft (-U-Haft) möglich ist. Der Haftbefehl muss nicht kommentarlos hingenommen werden. Der Beschuldigte / sein Verteidiger haben verschiedene Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit eines Haftbefehls überprüfen zu lassen.

    Eine Haftprüfung kann beantragt werden, wodurch der Haftbefehl zunächst vor dem Haftrichter überprüft wird, der ihn auch erlassen hat. Dort können (neue) Argumente oder auch tatsächlicher Sachvortrag vorgetragen werden, wodurch der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr rechtmäßig ist und vielleicht eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht werden kann. Der Beschuldigte wird zu diesem Zweck aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Der Beschuldigte ist also bei der Haftprüfung anwesend.

    Daneben kann der Beschuldigte / sein Verteidiger jederzeit Haftbeschwerde beantragen. Bei der Haftbeschwerde wird in rechtlicher Hinsicht die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls überprüft. Bei der Haftbeschwerde entscheidet in der Regel das höhere Gericht (in der Regel das Landgericht) darüber, ob der Haftrichter den Haftgrund, die dringenden Verdachtsgründe sowie die Verhältnismäßigkeit zu Recht bejaht hat.

    Die Dauer der Untersuchungshaft (U-Haft) ist grundsätzlich zeitlich nicht befristet. Je länger aber die Untersuchungshaft dauert, desto größer wird der (Freiheits) Anspruch des Beschuldigten. Die Praxis zeigt, dass bei einer Untersuchungshaft von mehr als 6 Monaten die Strafverfolgungsbehörde bedeutsame und gewichtige Gründe anführen muss, um die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls über 6 Monate hinaus zu begründen. Die Grenze von 6 Monaten ist für die Ermittlungsbehörden deshalb eine gefährliche, weil kraft Gesetzes nach 6 Monaten das Oberlandesgericht (OLG) über die Rechtmäßigkeit des Fortbestandes der Untersuchungshaft entscheiden muss. Viele OLG`s sind recht streng mit ihren Ermittlungsbehörden und haben keine Hemmungen, bei entsprechenden Argumenten des Beschuldigten / Verteidigers, den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft aufzuheben und den Beschuldigten auf freien Fuß zu setzen.

    Spätestens nach einem Jahr Untersuchungshaft (auch nach einem Jahr muss das Oberlandesgericht von Gesetzes wegen entscheiden) entfallen für die Strafverfolgungsbehörde jegliche Argumente für die Aufrechterhaltung des Haftbefehls (eine Ausnahme gilt allenfalls in äußerst komplexen und umfangreichen Verfahren wie Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, mehrfache Mordverfahren etc.).

    Die Untersuchungshaft (-U-Haft) ist für die Betroffenen und deren Familie in den meisten Fällen ein tiefgreifender Einschnitt. Der Verteidiger muss erfahren sein und die notwendige Kompetenz haben, auf Augenhöhe mit den Strafverfolgungsbehörden den „Kampf um die Rechte des Beschuldigten“ aufzunehmen. Für den Verteidiger hat seine Tätigkeit bei Haftsachen oberste Priorität. Der Strafverteidiger muss sich stets bewusst machen, dass sein Mandant unschuldig im Gefängnis sitzt.

  • Unternehmensstrafrecht
  • Unternehmensstrafrecht

    Aufgrund unserer wirtschaftsstrafrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Spezialisierung sind wir in vielen Bereichen des sog. “Unternehmensstrafrechts” tätig.

    Das Unternehmensstrafrecht stellt nicht etwa ein eigenes Rechtsgebiet dar. Vielmehr geht es um strafbare Vorwürfe, die aus der unternehmerischen Betätigung heraus resultieren. Ganz gleich, ob es sich um große Konzerne, mittelständische Unternehmen oder aber kleinere Betriebe oder Handwerksfirmen handelt, die Zahl von Gesetzen und Rechtsvorschriften, deren Verletzung straf- oder bussgeldbewehrt ist, ist unüberschaubar. Ständig kommen neue Vorschriften hinzu oder alte Vorschriften werden geändert – kaum hat man sie einmal verinnerlicht.

    Deshalb geraten Unternehmen häufig in das Visier von Ermittlungsbehörden.

    Dabei geht es nicht nur um strafrechtliche Kernvorschriften, wie etwa das strafbare Nichtabführen von Sozialabgaben (§ 266 a StGB) , Betrug (§ 263 StGB) oder aber Untreue (§ 266 StGB) bzw. Bestechungsvorwürfe, sondern vielfach auch um Arbeitnehmerschutzvorschriften oder Unfallverhütungsregelungen.

    Aufgrund der Vielzahl von Behörden, öffentlichen Stellen oder Ämtern ist auch die Gefahr groß, dass Ermittlungsbehörden von Amts wegen Kenntnis von möglichen Verstößen erlangen. So erstatten häufig Berufsgenossenschaften (im Falle eines Arbeitsunfalls) oder Aufsichtsämter von Amts wegen Anzeige, wenn sie von angeblichen Fehlverhaltensweisen erfahren.

    Im Unternehmensstrafrecht übernehmen wir die Verantwortung nicht nur als Individualverteidiger etwa der beschuldigten Geschäftsführer, Vorstände oder Prokuristen. Vielmehr vertreten wir auch das Unternehmen selbst, etwa bei einer unternehmensinternen Aufklärung oder aber – präventiv – bei der Umsetzung von Compliance-Maßnahmen.

    Hierbei arbeiten wir vielfach mit spezialisierten Rechtsanwaltskollegen aus anderen Bereichen, etwa dem Steuerrecht oder dem Arbeitsrecht sowie dem Gesellschafts- und Insolvenzrecht zusammen. Denn nur durch unseren hohen Spezialisierungsgrad erreichen wir die besten Ergebnisse für unsere Mandanten.

    Im Unternehmensstrafrecht ist es manchmal erforderlich, Mitarbeiter als Zeugenbeistand zu begleiten, wenn diese zur Zeugenvernehmung vorgeladen werden. Mitarbeiter haben nämlich vielfach – durchaus berechtigt – Sorge, dass sie sich bei einer wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen selbst belasten könnten. Verantwortungsvolle Arbeitgeber und Unternehmensführungen sorgen in diesen Fällen für ihre Mitarbeiter und bieten ihnen die Möglichkeit eines erfahrenen Rechtsanwaltes als Zeugenbeistand an.

    Zum Unternehmensstrafrecht gehört aber auch die aktive Strafverfolgung im Unternehmen. Denn Unternehmen selbst sind bei unternehmensbezogenen Straftaten häufig auch Geschädigte. Als Unternehmensstrafrechtler helfen wir unseren Mandanten bei der Anzeigenerstattung gegen eigene (frühere) Mitarbeiter oder Konkurrenten. Ein solches strafrechtliches Ermittlungsverfahren hilft dem geschädigten Unternehmen vielfach bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.

    In jüngerer Zeit ist zu beobachten, dass die Ermittlungsbehörden verstärkt im unternehmensstrafrechtlichen Bereich nicht nur gegen die handelnden Veranwortlichen vorgehen, sondern im Rahmen des § 30 OWiG gegen das Unternehmen selbst. Derartige Verbandsgeldbußen können für ein Unternehmen nicht nur wirtschaftlich sehr teuer werden. Durch die Eintragungspflicht solcher Geldbußen z.B. in das Gewerbezentralregister oder das Korruptionsregister kann es bei Unternehmen existenziell werden, wenn es z.B. auf öffentliche Aufträge angewiesen ist. Denn mit der Eintragung in einem solchen Register ist das Unternehmen über Jahre hinweg von solchen Aufträgen ausgeschlossen.

    Im Unternehmensstrafrecht zeigen wir unseren Mandanten den effektiven und zielführenden Weg aus der krisenbehafteten Zeit. Wir unterstützen Sie in der unternehmensinternen Kommunikation ebenso, wie in der Korrespondenz mit den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht.

Untersuchungshaft / U-Haft

Die Untersuchungshaft – kurz U-Haft genannt – ist der denkbar schwerste Eingriff in die (Freiheits-) Rechte der Bürger. Denn mit der Untersuchungshaft (U-Haft) wird ein noch unschuldiger Bürger seiner Fortbewegungsfreiheit beraubt; er kommt ins Gefängnis. Die Untersuchungshaft ist dabei nicht etwa eine vorgezogene Strafe. Vielmehr dient die Untersuchungshaft (U-Haft) der Verfahrenssicherung.

Die Untersuchungshaft (U-Haft) braucht nämlich für ihre Anordnung einen Haftgrund. Solche Haftgründe sind u.a.

-die Flucht
-die Fluchtgefahr
-die Verdunkelungsgefahr sowie
-die Wiederholungsgefahr.

Daneben gibt es den Haftgrund der sog. Schwerstkriminalität, der in der Regel bei Kapitalstrafsachen wie Mord, Totschlag etc. angeordnet wird.

Wie sich insbesondere aus den in der Praxis häufigsten Haftgründen der Verdunkelungsgefahr und der Fluchtgefahr ergibt, liegt die Verfahrenssicherung darin, dass der Beschuldigte durch die Inhaftierung sich seinem Strafverfahren stellt und er in der Hauptverhandlung anwesend ist (Fluchtgefahr / Flucht); bei der Verdunkelungsgefahr demgegenüber will die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft und Polizei) sicherstellen, dass während des Ermittlungsverfahrens keine unlautere Einflussnahme auf Beweismittel vorgenommen wird. Eine solche unlautere Einflussnahme wird z.B. bejaht, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte auf Zeugen einwirkt, um diese zu einem bestimmten Aussageverhalten zu veranlassen oder wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte etwa Urkunden vernichtet oder sonstige Tatwerkzeuge oder Tatmittel bzw. aus der Tat erlangte Beute beiseite schafft.

Untersuchungshaft (U-Haft) setzt stets den Erlass eines Haftbefehls (U-Haft-Befehl) voraus. Dies ist stets ein richterlicher Beschluss.

Nicht verwechselt werden darf die sog. vorläufige Festnahme mit der Untersuchungshaft.

Bei der vorläufigen Festnahme wird ein Verdächtiger / Beschuldigter von der Polizei – wie der Name bereits sagt – vorläufig festgenommen. Dies setzt lediglich einen Polizeiverwaltungsakt voraus, nämlich die Festnahmeerklärung. Eines richterlichen Beschlusses dafür bedarf es noch nicht. Es reicht auch Anfangsverdacht aus, wobei die vorläufige Festnahme erforderlich, notwendig und angemessen sein muss, um bestimmte polizeiliche Zwangsmaßnahmen (wie etwa eine erkennungsdienstliche Behandlung, eine Durchsuchung etc. durchzuführen.

Bei der vorläufigen Festnahme wird der Verdächtige / Beschuldigte in der Regel mit dem Polizeifahrzeug auf das Polizeirevier mitgenommen. Dort kann er in einer Verwahrzelle verwahrt werden, bis die polizeilichen Maßnahmen (z.B. die ED-Behandlung) abgeschlossen ist. Eine vorläufige Festnahme darf in der Bundesrepublik Deutschland aber niemals länger dauern als 24 Stunden (beginnend ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme). Es ist grundrechtlich vorgeschrieben, dass ein unschuldiger Bürger, wozu auch die Verdächtigen / Beschuldigten gehören, so lange sie nicht rechtskräftig verurteilt wurden, längstens innerhalb von 24 Stunden einem Haftrichter vorzuführen sind oder aber freizulassen sind.

Bei der Vorführung vor den Haftrichter hat der Haftrichter zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Erlasses eines Untersuchungshaftbefehls (U-Haftbefehles) vorliegen.

Der Erlass eines Untersuchungshaftbefehles (U-Haftbefehles) setzt neben dem vorgenannten Haftgrund (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr etc. auch dringenden Tatverdacht voraus. Außerdem darf der Vollzug der Untersuchungshaft (also die Inhaftierung) nicht außer Verhältnis zu der Verdächtigten Straftat stehen. Die verdächtigte Straftat muss also ein gewisses Gewicht haben, sie muss eine gewisse Schwere haben.

Wenn es um U-Haft-Fragen geht, ist es zwingend notwendig, sich unverzüglich anwaltlichen Beistand zu suchen. Dies geschieht häufig auch durch die Angehörigen, weil ja der Verdächtige / Beschuldigte durch seine Inhaftierung dazu nicht mehr in der Lage ist. Wenn es um den Erlass eines Haftbefehles geht, muss der Rechtsanwalt / Strafverteidiger unverzüglich handeln. Ein zeitlicher Aufschub ist nicht möglich. Alle anderen Dinge des Rechtsanwalts / Strafverteidigers sind zurückzustellen.

Für diese Zwecke habe ich ein Notdiensttelefon eingerichtet mit einer mobilen Erreichbarkeit für 24 Stunden, auch an Wochenenden.

Notdienst-Nummer lautet: 0179 / 480 6223.

Wenn der Haftbefehl noch nicht erlassen wurde, kann mit dem Beschuldigten in vielen Fällen noch erreicht werden, dass er auf freien Fuß kommt. Dies muss in einer sofortigen Besprechung geschehen, noch bevor der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt wird. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Rechtsanwalt als Strafverteidiger den Beschuldigten in der Verwahrzelle des Polizeipräsidiums / des Amtsgerichts (Haftrichters) aufsucht.

Ein erfahrener Strafverteidiger weiß auch, dass er einen Anspruch darauf hat, von den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft / Polizei) Informationen darüber zu erhalten, aus welchen Gründen der Haftbefehl erlassen werden soll. Der erfahrene Strafverteidiger versteht es auch, diese Rechte durchzusetzen. In der Praxis zeigt sich manchmal, dass die (Kriminal-) Polizei versucht, Strafverteidiger möglichst lange aus dem Verfahren rauszuhalten; denn mit der Einschaltung eines Strafverteidigers wird naturgemäß die Arbeit der Kriminalpolizei erschwert. Denn der Strafverteidiger klärt seinen Mandanten über seine Rechte – natürlich auch über seine Pflichten- auf (z.B. über sein Schweigerecht).

Wenn der Erlass eines Haftbefehls nicht mehr abgewendet werden kann, so geben viele Fälle Anlass dazu, zumindest eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen. Bei einer Außervollzugsetzung wird der Haftbefehl zwar erlassen, der Beschuldigte muss aber dennoch nicht ins Gefängnis. Der Vollzug der Untersuchungshaft wird vielmehr gegen Auflagen zurückgestellt.

Auf diese Möglichkeit muss der Strafverteidiger den Haftrichter hinweisen und vielleicht auch bestimmte Auflagen anbieten.

Solche Auflagen können sein eine regelmäßige Meldepflicht bei einer Polizeidienststelle, ein Kontaktverbot – etwa mit Mitbeschuldigten / Zeugen – oder auch eine Kautionsleistung. Gerade bei einer Kaution (Sicherheitsleistung durch Geld) muss der Verteidiger mit dem Beschuldigten oder aber dessen Angehörigen oder Freunden sprechen, inwieweit eine Kautionszahlung möglich ist.

Kann der Erlass eines Haftbefehl nicht verhindert werden oder wird der Strafverteidiger etwa nach Erlass eines Haftbefehls beauftragt, ist es erforderlich, dass der Strafverteidiger den Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) unverzüglich aufsucht. Auch muss der Strafverteidiger regelmäßig Kontakt zu seinem Mandanten in der JVA halten und ihm über den jeweiligen Stand der Ermittlungen berichten. In der Praxis ist der Strafverteidiger häufig auch der Vermittler zwischen dem inhaftierten Beschuldigten und dessen Angehörigen / Freunden. Diese machen sich zu Recht Sorgen über ihren inhaftierten Freund / Verwandten und wollen wissen, wie lange die Untersuchungshaft (-U-Haft) noch andauert. Wenn der Strafverteidiger von seinem Mandanten von seiner Schweigepflicht entbunden wird, dann darf / muss der Strafverteidiger darüber mit den Angehörigen sprechen.

Der Strafverteidiger ist aber auch für zahlreiche weitere Fragen während der der Untersuchungshaft (-U-Haft) der Ansprechpartner. So kümmere ich mich auch um Besuchserlaubnisse für die Angehörigen / Freunde, den Umstand, dass der Beschuldigte in der Haft Geld auf seinem Gefangenenkonto (für Einkäufe etc.) hat, saubere und frische Kleidung erhält etc.

Meine oberste Pflicht als Strafverteidiger sehe ich jedoch darin, täglich das laufende Verfahren darauf zu überwachen, ob nicht eine Entlassung aus der Untersuchungshaft (-U-Haft) möglich ist. Der Haftbefehl muss nicht kommentarlos hingenommen werden. Der Beschuldigte / sein Verteidiger haben verschiedene Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit eines Haftbefehls überprüfen zu lassen.

Eine Haftprüfung kann beantragt werden, wodurch der Haftbefehl zunächst vor dem Haftrichter überprüft wird, der ihn auch erlassen hat. Dort können (neue) Argumente oder auch tatsächlicher Sachvortrag vorgetragen werden, wodurch der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr rechtmäßig ist und vielleicht eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht werden kann. Der Beschuldigte wird zu diesem Zweck aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Der Beschuldigte ist also bei der Haftprüfung anwesend.

Daneben kann der Beschuldigte / sein Verteidiger jederzeit Haftbeschwerde beantragen. Bei der Haftbeschwerde wird in rechtlicher Hinsicht die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls überprüft. Bei der Haftbeschwerde entscheidet in der Regel das höhere Gericht (in der Regel das Landgericht) darüber, ob der Haftrichter den Haftgrund, die dringenden Verdachtsgründe sowie die Verhältnismäßigkeit zu Recht bejaht hat.

Die Dauer der Untersuchungshaft (U-Haft) ist grundsätzlich zeitlich nicht befristet. Je länger aber die Untersuchungshaft dauert, desto größer wird der (Freiheits) Anspruch des Beschuldigten. Die Praxis zeigt, dass bei einer Untersuchungshaft von mehr als 6 Monaten die Strafverfolgungsbehörde bedeutsame und gewichtige Gründe anführen muss, um die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls über 6 Monate hinaus zu begründen. Die Grenze von 6 Monaten ist für die Ermittlungsbehörden deshalb eine gefährliche, weil kraft Gesetzes nach 6 Monaten das Oberlandesgericht (OLG) über die Rechtmäßigkeit des Fortbestandes der Untersuchungshaft entscheiden muss. Viele OLG`s sind recht streng mit ihren Ermittlungsbehörden und haben keine Hemmungen, bei entsprechenden Argumenten des Beschuldigten / Verteidigers, den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft aufzuheben und den Beschuldigten auf freien Fuß zu setzen.

Spätestens nach einem Jahr Untersuchungshaft (auch nach einem Jahr muss das Oberlandesgericht von Gesetzes wegen entscheiden) entfallen für die Strafverfolgungsbehörde jegliche Argumente für die Aufrechterhaltung des Haftbefehls (eine Ausnahme gilt allenfalls in äußerst komplexen und umfangreichen Verfahren wie Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, mehrfache Mordverfahren etc.).

Die Untersuchungshaft (-U-Haft) ist für die Betroffenen und deren Familie in den meisten Fällen ein tiefgreifender Einschnitt. Der Verteidiger muss erfahren sein und die notwendige Kompetenz haben, auf Augenhöhe mit den Strafverfolgungsbehörden den „Kampf um die Rechte des Beschuldigten“ aufzunehmen. Für den Verteidiger hat seine Tätigkeit bei Haftsachen oberste Priorität. Der Strafverteidiger muss sich stets bewusst machen, dass sein Mandant unschuldig im Gefängnis sitzt.

V

  • Vermögensabschöpfung im Strafrecht
  • Vermögensabschöpfung im Strafrecht

    Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erhebliche Änderungen im materiellen Recht der Einziehung umgesetzt. Die europäische Vorgabe hierzu hat der Gesetzgeber für die Einziehung sogar überboten, weil die zuvor in § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB aF enthaltene Härteklausel gestrichen wurde.

    Mit dem neuen Einziehungsrecht hat der Gesetzgeber die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte verpflichtet, die Vermögensabschöpfung selbst im Bereich der massenhaft begangenen Kleinstkriminalität zu betreiben. Diese führt bei den Strafverfolgungsbehörden und der Strafjustiz zu einem spürbaren Mehraufwand. Auch steigt der Aufwand für die Ermittlungsbehörden und die Strafjustiz bei der Vermögensabschöpfung sowie der Einziehung in umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen.

    Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und dem neuen Einziehungsrecht vor allem von dem Gedanken leiten lassen, den das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 14.01.2004 (BVerfGE 110, 1 – 2 BvR 564/95) aufgestellt hat. Dort heißt es wörtlich:

    „Der Gesetzgeber hält es nicht für sinnvoll, den Täter zu bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne geradezu als Anreiz zur Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken.“

    Beim neuen Einziehungsrecht hat sich auch in den verschiedenen Lesungen und Anhörungen immer wieder das Schlagwort durchgesetzt:

    „Straftaten dürfen sich nicht lohnen!“

    Ziel des Gesetzgebers im neuen Recht zur Einziehung war es, für das Opfer von Straftaten und die Verletzten vereinfacht Möglichkeiten zur Schadenswidergutmachung zu schaffen. Kernstück der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung war deshalb das sog. „Opferentschädigungsmodell“. Opfern von (Vermögens-) Straftaten soll ein „einfacher und kostenloser“ Weg zur „Schadenswidergutmachung“ bereitet werden.

    Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit der Neuregelung der strafrechtlichen Einziehung wurde am 23.04.2017 verkündet und trat am 01.07.2017 in Kraft. Es gilt gemäß Artikel 316 h EGStGB ohne Übergangsregelung, also auch schon für laufende Verfahren, sofern noch keine instanzgerichtliche Entscheidung getroffen wurde.

    Von der Einziehung betroffen sind nicht nur die Beschuldigten / Angeklagten, sondern nach § 73 b StGB auch Dritte, die Nichttäter oder Teilnehmer sind. § 73 b Abs. 1 StGB heißt wörtlich:

    „Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73 a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn

    1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,

    2. ihm das Erlangte
    a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
    b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt oder

    3. das Erlangte auf ihn
    a) als Erbe übergegangen ist oder
    b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.

    Satz 1 Nr. 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.“

    Der „Andere“ in diesem Sinne kann jede natürliche, aber auch juristische Person oder Personengruppe sein. Auf die Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit dieses „Anderen“ kommt es nicht an. Ist der „Andere“ eine juristische Person, also etwa eine GmbH oder AG und werden diesem „Anderen“ gegenüber Einziehungsmaßnahmen verhängt, kann dies zu Friktionen auch mit einer möglichen Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO führen.

    Dieses Spannungsverhältnis der strafrechtlichen Einziehung von Dritt-Einziehungsbeteiligten sowie den daraus resultierenden Verpflichtungen und Folgen aus anderen Rechtsvorschriften, gehört noch zu den ungeklärten Fragen der praktischen Anwendung des neuen Einziehungsrechts.

    Im Bereich des Unternehmensstrafrechts ist es wichtig, sich so bald wie möglich anwaltlich beraten zu lassen, um den von der Einziehung Betroffenen und insbesondere Unternehmen vor existenziellen Risiken zu schützen. Es stehen dabei manchmal Arbeitsplätze auf dem Spiel.

    Nur über wirtschaftsstrafrechtlich versierte Strafverteidiger können Sie sich selbst, Ihr Unternehmen und die daran hängenden Arbeitsplätze effektiv schützen. Herr Rechtsanwalt Gärtner ist nicht nur Fachanwalt für Strafrecht, sondern auch zertifizierter Verteidiger für Wirtschaftsstrafrecht (DSV) und zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht (DSV) und berät Sie gerne. Sprechen Sie uns an.

  • Verletzter im Sinne der Vermögensabschöpfung
  • Verletzter im Sinne der Vermögensabschöpfung

    Mit der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber verschiedene Begrifflichkeiten ersetzt oder neu gefasst. So wurde der Begriff des früheren „Verfalls“ durch den Begriff der „Einziehung“ von Taterträgen ersetzt. Der frühere „dingliche Arrest“ wurde in „Vermögensarrest“ umbenannt.

    Das neue Vermögensabschöpfungsrecht und das neu gefasste Einziehungsrecht haben auch den Begriff des „Verletzten“ neu gefasst. Verletzter nach den neuen Regelungen der Einziehung ist derjenige, dem aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, sofern die Tat zum Zeitpunkt der vorläufigen Sicherungsanordnung oder aber zum Zeitpunkt des Urteils überhaupt noch Gegenstand des staatlichen Vorwurfs ist. Der Begriff des Verletzten im Recht der Einziehung ist also nicht statisch, sondern kann sich im Laufe des Verfahrens verändern. Verletzter ist also nur derjenige, der zum Zeitpunkt der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung überhaupt noch als Verletzter geführt wird. Nur diese letzte gerichtliche Entscheidung ist dann auch die Grundlage der Sicherung der Einziehung oder aber der späteren Vollstreckung.

    So kann die Verletztenstellung im Laufe des Verfahrens etwa durch eine Teileinstellung nach § 154 StPO oder einer Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154 a StPO verloren gehen. Wahrscheinlich wird man deshalb in Zukunft bei den „Opfern von Straftaten“ zwischen den „Geschädigten einer Straftat“ und den „Verletzten im Sinne der Vermögensabschöpfung“ zu unterscheiden haben.

    Verletzte im Sinne der Vermögensabschöpfung können dabei neben den natürlichen Personen, selbstverständlich auch juristische Personen, Personenvereinigungen, Unternehmen etc. sein, die durch Straftaten geschädigt wurden.

    Als Verletzter im Sinne der Einziehung ist man darauf angewiesen, dass die Staatsanwaltschaft als Verfolgungsbehörde die den Verletzten betroffene Straftat nicht nur verfolgt, sondern auch anklagt – und während der Hauptverhandlung aufrechterhält. Gerade bei Serienstraftaten ist man als Verletzter von verschiedenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder aber den Strafgerichten abhängig. Die Möglichkeiten des Verletzten, Einfluss auf Teileinstellungen nach §§ 154, 154 a StPO zu nehmen sind in der Praxis sehr beschränkt.

    Nur der Verletzte im Sinne der Vermögensabschöpfung kann sich im Strafvollstreckungsverfahren nach §§ 459 h bis 459 o StPO vereinfacht für den erlittenen stoffgleichen Schaden befriedigen.

    Es stellt sich deshalb für die Verletzten im Strafverfahren von Beginn des Verfahrens an die Frage, ob sie sich nicht eigenständig einen zivilrechtlichen Vollstreckungstitel (§ 794 ZPO), insbesondere ein vollstreckbares Endurteil (§ 704 ZPO) erstreiten. Die Möglichkeit eines selbstständigen zivilrechtlichen Vorgehens der Tatverletzten bleibt neben dem neuen Entschädigungsmodell möglich. Als Verletzter muss man sich auch klar machen, dass bis zur Einleitung des Strafvollstreckungsverfahrens und Rechtskraft der Einziehungsanordnung viele Jahre verstreichen können. Hinzu kommt weiter, dass eventuelle Schmerzensgeldansprüche und Zinsansprüche von einer abschöpfungsrechtlichen Entschädigung ebenso ausgenommen sind, wie Rechtsverfolgungskosten. Nur der stoffgleiche Schaden des Verletzten kann über die neue Opferentschädigung ohne einen Vollstreckungstitel vom Verurteilten erlangt werden.

    Ein eigenständiges zivilrechtliches Vorgehen des Tatverletzten muss deshalb vom Verletzten ernsthaft in Betracht gezogen werden. Aus anwaltlicher Sicht ist deshalb in vielen Fällen ein eigenes zivilrechtliches Vorgehen zu empfehlen.

    Problematisch gestaltet sich für diesen Fall die Vorschrift des § 111 h Abs. 2 StPO, die Ausfluss der Gläubigergleichbehandlung ist. Nach § 111 h StPO hat die Vollziehung eines Vermögensarrestes die Wirkung eines Veräußerungsverbots im Sinne des § 136 BGB. Für das Sicherungsrecht, das in Vollziehung des Vermögensarrestes entsteht, gilt § 80 Abs 2 Satz 1 der InsO. Diese Vorschrift führt dazu, dass ein Verletzter, der selbstständig ein zivilrechtliches Urteil erstritten hat, in den von der Staatsanwaltschaft gesicherten Vermögenswert nicht vollstrecken kann. Der Tatverletzte wird also durch die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Vermögensabschöpfung in der Vollstreckung eingeschränkt und gehindert.

    Eine Ausnahme gilt nur für den Fiskus, der als Verletzter einer Steuerstraftat im Wege des § 324 AO schneller als andere die Zwangsvollstreckung betreiben kann und deshalb privilegiert wird.

    Verletzte von Straftaten haben mit dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung und den neuen Einziehungsvorschriften erheblichen rechtlichen Beratungsbedarf. Ob mit der Reform der Vermögensabschöpfung tatsächlich eine Vereinfachung der Verletztenrechte einhergeht, darf mitunter bezweifelt werden.

    Wenn Sie Verletzter einer Straftat sind oder wenn Ihr Unternehmen strafrechtlich geschädigt wurde sprechen Sie uns gerne an. Über das neue Einziehungsrecht kann auf der strafrechtlichen Ebene in vielen Fällen etwas erreicht werden. Manchmal ist es aber auch erforderlich, parallel dazu als Verletzter im Strafrecht eigene Wege zu gehen.
    Wir sind eine auf das Strafrecht spezialisierte Kanzlei und werden Sie sachgerecht beraten.

  • Vorzeitige Haftentlassung
  • Vorzeitige Haftentlassung

    Wer zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, muss diese nicht unbedingt bis zum letzten Tag verbüßen.
    Ein Verurteilter kann bereits nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe – und unter besonderen Umständen bereits nach der Hälfte – vorzeitig aus der Haft entlassen werden, § 57 StGB.

    Hierfür müssen zunächst folgende Voraussetzungen vorliegen:

    1. Zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, müssen verbüßt sein.
    2. Die Entlassung kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden.
    3. Die verurteilte Person willigt in die Entlassung ein.

    Die Haftzeit berechnet sich ab dem ersten Tag der Inhaftierung, die Dauer einer Untersuchungshaft wird angerechnet. Der Zweidritteltermin ist jedoch auch auf der jeweiligen Haftzeitenübersicht, welche dem Inhaftierten ausgehändigt wird, vermerkt.

    Ob durch eine vorzeitige Entlassung das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gefährdet wäre, wird das zuständige Gericht unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Maßgeblich für die Beurteilung sind vor allem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung zur Bewährung für ihn zu erwarten sind.

    Eine positive Entscheidung setzt jedoch keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraus, sondern es genügt das Bestehen einer naheliegenden Chance hierfür. Zu berücksichtigen ist dabei ebenfalls, inwieweit einem möglichen Rückfallrisiko durch Auflagen und Weisungen entgegengewirkt werden kann, beispielsweise bei einer Verurteilung wegen einer Betäubungsmittelstraftat durch eine Drogenberatung oder entsprechende Kontrolluntersuchungen nach der vorzeitigen Entlassung.

    Schon nach Verbüßung der Hälfte, mindestens jedoch nach sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes nach § 57 Abs. 2 StGB zur Bewährung aussetzen, wenn

    1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
    2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer
    Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vor-
    liegen

    und die übrigen oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

    Dem sog. „Erstverbüßer-Privileg“ kommt entscheidende Bedeutung zu, da Personen, die sich zuvor noch nicht in Haft befunden haben, als besonders haftempfindlich anzusehen sind. Nicht als „Erstverbüßung“ ist wegen der andersartigen Haftsituation die angerechnete Untersuchungshaft anzusehen.

    Sofern die verhängte Strafe zwei Jahre übersteigt, kann das Gericht die Strafe bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise bereits nach der Hälfte zur Bewährung aussetzen.
    Bei den besonderen Umständen handelt es sich um Milderungsgründe von enormen Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe von über zwei Jahren widerspiegelt, nicht als unangebracht erscheinen lassen. Aufgrund dieser Umstände muss eine Strafaussetzung ohne Gefährdung der allgemeinen Interessen verantwortet werden können.

    Solche Umstände sind beispielsweise sehr lange zurückliegenden Straftaten, hohes oder sehr junges Alter des Verurteilten und damit einhergehend erhöhte Haftempfindlichkeit oder schlechter Gesundheitszustand des Verurteilten. Aber auch besondere familiäre Umstände (Krankheit des Ehepartners/ des Kindes, nahender Tod eines Angehörigen) oder finanzielle und berufliche Gründe (Inhaftierter war Alleinverdiener, Familie ist dringend auf das Einkommen angewiesen) können eine Halbstrafenentlassung begründen.

    Entscheidend ist jedoch immer der jeweilige Einzelfall.

    Über eine vorzeitige Haftentlassung entscheidet die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts auf Antrag des Verurteilten oder bei einer Zweidrittelentlassung auch von Amts wegen –folglich ohne Antrag des Verurteilten-. Jedoch ist auch im letztgenannten Fall ein schriftlicher Antrag empfehlenswert, da der Inhaftierte dem Gericht so die maßgeblichen Umstände (beispielsweise die familiäre Situation oder die berufliche Perspektive), schildern und ggfs. belegen kann.

    In der Regel sollte ein solcher Antrag 2-3 Monate vor dem erstrebten Entlasszeitpunkt gestellt werden.
    Es ist zudem empfehlenswert, bereits frühzeitig auf eine mögliche Haftentlassung hinzuarbeiten und sich in der JVA um einen positiven Eindruck zu bemühen. Beispielsweise erhöht es die Erfolgsaussichten eines Antrags, wenn Vollzugslockerungen beantragt und bewilligt wurden.
    Auch um eine mögliche Unterkunft und eine Arbeitsstelle (oder um einen Termin beim Jobcenter) sollte man sich frühzeitig kümmern, da dies die positive Prognose verstärkt.

    Auch Inhaftierte, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf vorzeitige Haftentlassung, § 57a StGB. In diesen Fällen setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind und nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet. Desweiteren muss eine vorzeitige Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden können.

    Verurteilte sollten sich am besten von einem Strafverteidiger beraten lassen, welche Chancen sie auf eine vorzeitige Haftentlassung haben. Dieser kann insbesondere anhand von Akteneinsicht prüfen, ab wann ein Antrag Sinn macht und diesen auch entsprechend begründen.

    Wenden Sie sich hierfür gerne an uns.

Vermögensabschöpfung im Strafrecht

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erhebliche Änderungen im materiellen Recht der Einziehung umgesetzt. Die europäische Vorgabe hierzu hat der Gesetzgeber für die Einziehung sogar überboten, weil die zuvor in § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB aF enthaltene Härteklausel gestrichen wurde.

Mit dem neuen Einziehungsrecht hat der Gesetzgeber die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte verpflichtet, die Vermögensabschöpfung selbst im Bereich der massenhaft begangenen Kleinstkriminalität zu betreiben. Diese führt bei den Strafverfolgungsbehörden und der Strafjustiz zu einem spürbaren Mehraufwand. Auch steigt der Aufwand für die Ermittlungsbehörden und die Strafjustiz bei der Vermögensabschöpfung sowie der Einziehung in umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen.

Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und dem neuen Einziehungsrecht vor allem von dem Gedanken leiten lassen, den das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 14.01.2004 (BVerfGE 110, 1 – 2 BvR 564/95) aufgestellt hat. Dort heißt es wörtlich:

„Der Gesetzgeber hält es nicht für sinnvoll, den Täter zu bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne geradezu als Anreiz zur Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken.“

Beim neuen Einziehungsrecht hat sich auch in den verschiedenen Lesungen und Anhörungen immer wieder das Schlagwort durchgesetzt:

„Straftaten dürfen sich nicht lohnen!“

Ziel des Gesetzgebers im neuen Recht zur Einziehung war es, für das Opfer von Straftaten und die Verletzten vereinfacht Möglichkeiten zur Schadenswidergutmachung zu schaffen. Kernstück der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung war deshalb das sog. „Opferentschädigungsmodell“. Opfern von (Vermögens-) Straftaten soll ein „einfacher und kostenloser“ Weg zur „Schadenswidergutmachung“ bereitet werden.

Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit der Neuregelung der strafrechtlichen Einziehung wurde am 23.04.2017 verkündet und trat am 01.07.2017 in Kraft. Es gilt gemäß Artikel 316 h EGStGB ohne Übergangsregelung, also auch schon für laufende Verfahren, sofern noch keine instanzgerichtliche Entscheidung getroffen wurde.

Von der Einziehung betroffen sind nicht nur die Beschuldigten / Angeklagten, sondern nach § 73 b StGB auch Dritte, die Nichttäter oder Teilnehmer sind. § 73 b Abs. 1 StGB heißt wörtlich:

„Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73 a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn

1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,

2. ihm das Erlangte
a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt oder

3. das Erlangte auf ihn
a) als Erbe übergegangen ist oder
b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.

Satz 1 Nr. 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.“

Der „Andere“ in diesem Sinne kann jede natürliche, aber auch juristische Person oder Personengruppe sein. Auf die Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit dieses „Anderen“ kommt es nicht an. Ist der „Andere“ eine juristische Person, also etwa eine GmbH oder AG und werden diesem „Anderen“ gegenüber Einziehungsmaßnahmen verhängt, kann dies zu Friktionen auch mit einer möglichen Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO führen.

Dieses Spannungsverhältnis der strafrechtlichen Einziehung von Dritt-Einziehungsbeteiligten sowie den daraus resultierenden Verpflichtungen und Folgen aus anderen Rechtsvorschriften, gehört noch zu den ungeklärten Fragen der praktischen Anwendung des neuen Einziehungsrechts.

Im Bereich des Unternehmensstrafrechts ist es wichtig, sich so bald wie möglich anwaltlich beraten zu lassen, um den von der Einziehung Betroffenen und insbesondere Unternehmen vor existenziellen Risiken zu schützen. Es stehen dabei manchmal Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Nur über wirtschaftsstrafrechtlich versierte Strafverteidiger können Sie sich selbst, Ihr Unternehmen und die daran hängenden Arbeitsplätze effektiv schützen. Herr Rechtsanwalt Gärtner ist nicht nur Fachanwalt für Strafrecht, sondern auch zertifizierter Verteidiger für Wirtschaftsstrafrecht (DSV) und zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht (DSV) und berät Sie gerne. Sprechen Sie uns an.

Z

  • Zwischenverfahren
  • Zwischenverfahren

    Vom Zwischenverfahren spricht man, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht erhoben hat. Beim Zwischenverfahren geht die Verfahrensherrschaft von der Staatsanwaltschaft auf das Gericht über. In der Praxis heißt das, dass die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift und die gesamten Ermittlungsakten nebst Beweismittelakten an das aus ihrer Sicht zuständige Strafgericht schickt. Das Strafgericht hat nun nach der StPO zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht hinreichenden Tatverdacht bejaht hat. Dazu soll das Strafgericht nach der Rechtslage anhand der Anklageschrift überprüfen, ob am Ende einer gedachten Hauptverhandlung die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte, der nun Angeschuldigter heißt, auch verurteilt wird.

    Dazu soll das Strafgericht die Ermittlungsergebnisse und die zugrunde liegenden Beweismittel überprüfen.

    Ein sorgfältiges Strafgericht, welches erfahrungsgemäß in der Praxis nicht immer anzutreffen ist, liest zu diesem Zweck die gesamten Ermittlungsergebnisse, prüft und würdigt die jeweiligen Aussagen von Zeugen, Beschuldigten und Sachverständigen, prüft die Urkunden und überlegt sich, ob dies alles ausreicht, um am Ende einer gedachten Hauptverhandlung den Beschuldigten der Tat zu überführen.

    Sofern das Strafgericht den hinreichenden Tatverdacht bejaht, lässt es die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zu. Diesen Beschluss nennt man den sog. Eröffnungsbeschluss.

    Mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses endet das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren beginnt. Den Eröffnungsbeschluss erhält die Staatsanwaltschaft ebenso zugestellt wie der Beschuldigte.

    Sollte das Strafgericht zum Ergebnis kommen, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift in rechtlicher Hinsicht die Taten falsch gewürdigt hat, ist es möglich, dass das Strafgericht auf diesen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt hinweist. Dies kommt in der Praxis, vor allem bei umfangreichen Anklageschriften, gelegentlich vor. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht kann das Strafgericht von den Vorgaben aus der Anklageschrift abweichen und unter veränderten Gesichtspunkten die Anklage zur Hauptverhandlung zulassen. Der Beschuldigte kann sich mit seinem Verteidiger auf diese geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte in der bevorstehenden Hauptverhandlung vorbereiten. Die Staatsanwaltschaft kann gegen eine geänderte Anklageschrift Beschwerde einlegen.

    Es finden sich gelegentlich –wenn auch selten – Fälle, dass das Strafgericht eine Anklageerhebung ablehnt. Das geschieht dann, wenn das Strafgericht nach Durchsicht der Anklageschrift und der Ermittlungsakten der Auffassung ist, hinreichender Tatverdacht liege nicht vor. Dann ist das Strafgericht der Meinung, dass es nicht gelingen wird, am Ende einer Hauptverhandlung den Beschuldigten zu verurteilen. In noch selteneren Fällen geschieht dies aus rechtlichen Gründen (z.B. dann, wenn die Staatsanwaltschaft irrig eine Strafbarkeit annimmt, obgleich eine solche nicht vorliegt; Verjährungsfristen werden von der Staatsanwaltschaft übersehen; Verfolgungshindernisse werden von der Staatsanwaltschaft übersehen etc.), in häufigeren Fällen geschieht dies, wenn die Staatsanwaltschaft noch nicht ausreichend ermittelt hat.

    Der abgelehnte Eröffnungsbeschluss (Ablehnung der Eröffnung aus tatsächlichen Gründen) kann von der Staatsanwaltschaft mittels Beschwerde angefochten werden. In der Praxis gibt das Strafgericht häufig Hinweise dazu, welche weiteren Ermittlungen die Staatsanwaltschaft tätigen soll. So werden häufig ergänzend Zeugen vernommen oder aber bislang unbekannte Zeugen werden zur neuerlichen Vernehmung vorgeladen.

    Viele Verteidiger sind der Meinung, dass im Zwischenverfahren nichts weiter veranlasst werden soll. Viele Verteidiger warten die Hauptverhandlung ab, um dann in der Hauptverhandlung evtl. neue und weitere Beweismittel, wie Zeugen oder Sachverständige, zu präsentieren.

    Nach meinem Dafürhalten kann nicht pauschal dem Beschuldigten geraten werden, im Zwischenverfahren nichts zu unternehmen. Es gibt vielfach Situationen, bei denen der Beschuldigte von seinem Verteidiger will, alles zu unternehmen, um eine öffentliche Hauptverhandlung zu vermeiden. Denn ist eine Anklageschrift erst einmal zugelassen, findet grundsätzlich eine sog. Öffentliche Hauptverhandlung statt.

    Gerade wenn ein Beschuldigter eine namhafte Person des Zeitgeschehens ist oder er aber sonstige persönliche oder berufliche Reputationen durch die (Medien-) Öffentlichkeit fürchtet, ist dies ein berechtigtes und auch verständliches Anliegen. Dann ist es wichtig und sinnvoll, bereits im Zwischenverfahren weitere tatsächliche und rechtliche Argumente vorzutragen, um das Strafgericht zu veranlassen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

    Die Frage, ob im Zwischenverfahren ein weiterer Schriftsatz des Verteidigers gefertigt werden soll, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Man muss sich darüber im klaren sein, dass bei der Benennung weiterer – bislang etwa nicht vernommener –Zeugen diese auch von der Polizei / Staatsanwaltschaft im Auftrag des Gerichts vernommen werden. Dies ist deshalb in vielen Fällen problematisch, weil der Verteidiger und der Beschuldigte bei dieser Zeugenvernehmung nicht anwesend sind, ja noch nicht einmal über den Termin der Zeugenvernehmung informiert werden. Nicht selten erlebt man in der Strafrechtspraxis, dass Zeugen nach einer polizeilichen Vernehmung nicht mehr das Aussageverhalten an den Tag legen, wie dies zuvor getan wurde. Jede Vernehmung birgt auch die Gefahr in sich, dass suggestiv auf den Zeugen eingewirkt wird und dieser in seinem Aussageverhalten in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. Ob dies bewusst oder unbewusst seitens der Ermittlungsbehörden geschieht, kann dahinstehen. Denn im Ergebnis kann sich dieser Zeuge möglicher Weise nicht mehr an alle Details, vor allem entlastende Details, erinnern.

    Ist bei der Zeugenvernehmung ein Verteidiger anwesend, der sich mit Vernehmungspsychologie und Vernehmungstechnik auskennt, kann dieser Gefahr während der Vernehmung vorgebeugt werden, indem unzulässige oder suggestive Fragen beanstandet werden. Erfahrungsgemäß werden derartige Fragen bei Anwesenheit eines Verteidigers aber gar nicht erst gestellt.

    Deswegen muss sorgfältig überlegt und abgewogen werden, ob im Zwischenverfahren tatsächlich weitere Beweismittel, insbesondere Zeugen benannt werden. Werden erst in der Hauptverhandlung neue Zeugen benannt, ist der Verteidiger nämlich von Anfang an (also bei der Erstvernehmung) anwesend.

    Sofern Anklage erhoben ist, das Zwischenverfahren also begonnen hat, sind andere Erledigungsmöglichkeiten wie Strafbefehl, Einstellung gegen Auflage, Einstellung ohne Auflage, aber in der Regel vom Tisch. Nur mit viel Mühe ist es dann als Verteidiger noch möglich, ohne eine öffentliche Hauptverhandlung zu einer anderen Verfahrenserledigung zu kommen.

    Dies zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, möglichst frühzeitig einen Verteidiger zu beauftragen. Am effektivsten kanne ein Verteidigung geführt werden, wenn der Verteidiger sofort hinzugezogen wird, sobald der Beschuldigte von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt.

  • Zeugenbeistand
  • Zeugenbeistand

    Als Zeugenbeistand nehmen wir die Rechte von Zeugen wahr. Zeugenvernehmungen sind das wichtigste Ermittlungsinstrument der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Zeugen werden in der Regel schriftlich vorgeladen, wobei die Vorladung in aller Regel vor die Polizei erfolgt, in seltenen Fällen auch vor die Staatsanwaltschaft oder den Ermittlungsrichter.

    Zeugen müssen wahrheitsgemäße Angaben machen, wenn sie zur Aussage verpflichtet sind. Hier setzt die Tätigkeit des Zeugenbeistands an, der nicht nur eine seelsorgerische Aufgabe übernimmt. Vielmehr gilt es im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob der Zeuge / die Zeugin Auskunftsverweigerungs- oder Schweigerechte hat.

    Ein Schweigerecht hat ein Zeuge etwa nach § 52 StPO dann, wenn er zum Beschuldigten in einem verwandtschaftlichen Verhältnis steht. Für diesen Fall muss ein Zeuge überhaupt keine Angaben machen, er kann also die Aussage insgesamt verweigern. Praktische Probleme ergeben sich hierbei manchmal dann, wenn die Person des Beschuldigten noch gar nicht feststeht, der Zeuge also nicht weiß, gegen wen sich das Ermittlungsverfahren richtet, in dem er aussagen soll. Diese Konstellation kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn das Ermittlungsverfahren noch gegen “Unbekannt” geführt wird.

    Schweigerechte für Zeugen ergeben sich auch aus §§ 53, 53 a StPO etwa aus beruflichen Stellungen. Wenn ein Rechtsanwalt, ein Steuerberater, ein Arzt etc. zeugenschaftlich vernommen werden soll, dann darf ein solcher Geheimnissträger aus beruflichen Gründen nur dann aussagen, wenn eine (wirksame) Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt. Schwierigkeiten in der Praxis ergeben sich beispielsweise dann, wenn neben dem Geschäftsführer / Vorstand etwa ein Insolvenzverwalter vorhanden ist. Es stellt sich dann die rechtlich schwierige Frage, ob alleine der Insolvenzverwalter einen Steuerberater von seiner Verschwiegenheit entbinden kann, wenn der frühere Geschäftsführer / Vorstand mit einer Entbindung nicht einverstanden ist. Derart komplexe rechtliche Fragenstellungen hilft Ihnen ein qualifizierter Rechtsbeistand in Form eines Zeugenbeistands zu lösen.

    Die häufigste Gestaltung einer Zeugenvernehmung, für die ein Zeugenbeistand notwendig ist, findet sich aber in einer anderen Konstellation. Zeugen müssen nämlich die Wahrheit sagen, worüber sie vor ihrer Vernehmung zu belehren sind. In vielen Fällen hat ein Zeuge aber die – durchaus berechtigte – Befürchtung, dass er sich bei einer wahrheitsgemäßen Aussage selbst belasten würde. Oder aber es steht zu befürchten, dass er nahe Angehörige (etwa seine Eltern, Geschwister oder seine Kinder) bei einer wahrheitsgemäßen Antwort einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO vorgesehen.

    In der Praxis ist es schwierig, dieses Auskunftsverweigerungsrecht durchzusetzen. Denn zum einen gibt das Auskunftsverweigerungsrecht dem Zeugen / der Zeugin lediglich das Recht, die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern. Es muss deshalb nach jeder Frage gesondert überlegt und entschieden werden, ob die Beantwortung dieser Frage verweigert werden kann. Dies führt – etwa in einer öffentlichen Hauptverhandlung – bei einem Zeugen, der keinen Zeugenbeistand an seiner Seite weiß, zu einer immensen Streßbelastung. Zum anderen aber gilt es, dieses Auskunftsverweigerungsrecht in der Vernehmungssituation auch durchzusetzen. Vielfach ziehen sich die Vernehmungsbeamten (Polizei, Staatsanwaltschaft oder Richter) darauf zurück, dass sie ein solches Auskunftsverweigerungsrecht nicht erkennen können. Manchmal werden gar Ordnungsgelder angedroht, wenn die Antwort auf einzelne Fragen verweigert wird.

    In solchen Situationen helfen wir Ihnen als Zeugenbeistand und setzen Ihre Recht durch.

Zwischenverfahren

Vom Zwischenverfahren spricht man, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht erhoben hat. Beim Zwischenverfahren geht die Verfahrensherrschaft von der Staatsanwaltschaft auf das Gericht über. In der Praxis heißt das, dass die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift und die gesamten Ermittlungsakten nebst Beweismittelakten an das aus ihrer Sicht zuständige Strafgericht schickt. Das Strafgericht hat nun nach der StPO zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht hinreichenden Tatverdacht bejaht hat. Dazu soll das Strafgericht nach der Rechtslage anhand der Anklageschrift überprüfen, ob am Ende einer gedachten Hauptverhandlung die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte, der nun Angeschuldigter heißt, auch verurteilt wird.

Dazu soll das Strafgericht die Ermittlungsergebnisse und die zugrunde liegenden Beweismittel überprüfen.

Ein sorgfältiges Strafgericht, welches erfahrungsgemäß in der Praxis nicht immer anzutreffen ist, liest zu diesem Zweck die gesamten Ermittlungsergebnisse, prüft und würdigt die jeweiligen Aussagen von Zeugen, Beschuldigten und Sachverständigen, prüft die Urkunden und überlegt sich, ob dies alles ausreicht, um am Ende einer gedachten Hauptverhandlung den Beschuldigten der Tat zu überführen.

Sofern das Strafgericht den hinreichenden Tatverdacht bejaht, lässt es die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zu. Diesen Beschluss nennt man den sog. Eröffnungsbeschluss.

Mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses endet das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren beginnt. Den Eröffnungsbeschluss erhält die Staatsanwaltschaft ebenso zugestellt wie der Beschuldigte.

Sollte das Strafgericht zum Ergebnis kommen, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift in rechtlicher Hinsicht die Taten falsch gewürdigt hat, ist es möglich, dass das Strafgericht auf diesen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt hinweist. Dies kommt in der Praxis, vor allem bei umfangreichen Anklageschriften, gelegentlich vor. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht kann das Strafgericht von den Vorgaben aus der Anklageschrift abweichen und unter veränderten Gesichtspunkten die Anklage zur Hauptverhandlung zulassen. Der Beschuldigte kann sich mit seinem Verteidiger auf diese geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte in der bevorstehenden Hauptverhandlung vorbereiten. Die Staatsanwaltschaft kann gegen eine geänderte Anklageschrift Beschwerde einlegen.

Es finden sich gelegentlich –wenn auch selten – Fälle, dass das Strafgericht eine Anklageerhebung ablehnt. Das geschieht dann, wenn das Strafgericht nach Durchsicht der Anklageschrift und der Ermittlungsakten der Auffassung ist, hinreichender Tatverdacht liege nicht vor. Dann ist das Strafgericht der Meinung, dass es nicht gelingen wird, am Ende einer Hauptverhandlung den Beschuldigten zu verurteilen. In noch selteneren Fällen geschieht dies aus rechtlichen Gründen (z.B. dann, wenn die Staatsanwaltschaft irrig eine Strafbarkeit annimmt, obgleich eine solche nicht vorliegt; Verjährungsfristen werden von der Staatsanwaltschaft übersehen; Verfolgungshindernisse werden von der Staatsanwaltschaft übersehen etc.), in häufigeren Fällen geschieht dies, wenn die Staatsanwaltschaft noch nicht ausreichend ermittelt hat.

Der abgelehnte Eröffnungsbeschluss (Ablehnung der Eröffnung aus tatsächlichen Gründen) kann von der Staatsanwaltschaft mittels Beschwerde angefochten werden. In der Praxis gibt das Strafgericht häufig Hinweise dazu, welche weiteren Ermittlungen die Staatsanwaltschaft tätigen soll. So werden häufig ergänzend Zeugen vernommen oder aber bislang unbekannte Zeugen werden zur neuerlichen Vernehmung vorgeladen.

Viele Verteidiger sind der Meinung, dass im Zwischenverfahren nichts weiter veranlasst werden soll. Viele Verteidiger warten die Hauptverhandlung ab, um dann in der Hauptverhandlung evtl. neue und weitere Beweismittel, wie Zeugen oder Sachverständige, zu präsentieren.

Nach meinem Dafürhalten kann nicht pauschal dem Beschuldigten geraten werden, im Zwischenverfahren nichts zu unternehmen. Es gibt vielfach Situationen, bei denen der Beschuldigte von seinem Verteidiger will, alles zu unternehmen, um eine öffentliche Hauptverhandlung zu vermeiden. Denn ist eine Anklageschrift erst einmal zugelassen, findet grundsätzlich eine sog. Öffentliche Hauptverhandlung statt.

Gerade wenn ein Beschuldigter eine namhafte Person des Zeitgeschehens ist oder er aber sonstige persönliche oder berufliche Reputationen durch die (Medien-) Öffentlichkeit fürchtet, ist dies ein berechtigtes und auch verständliches Anliegen. Dann ist es wichtig und sinnvoll, bereits im Zwischenverfahren weitere tatsächliche und rechtliche Argumente vorzutragen, um das Strafgericht zu veranlassen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

Die Frage, ob im Zwischenverfahren ein weiterer Schriftsatz des Verteidigers gefertigt werden soll, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Man muss sich darüber im klaren sein, dass bei der Benennung weiterer – bislang etwa nicht vernommener –Zeugen diese auch von der Polizei / Staatsanwaltschaft im Auftrag des Gerichts vernommen werden. Dies ist deshalb in vielen Fällen problematisch, weil der Verteidiger und der Beschuldigte bei dieser Zeugenvernehmung nicht anwesend sind, ja noch nicht einmal über den Termin der Zeugenvernehmung informiert werden. Nicht selten erlebt man in der Strafrechtspraxis, dass Zeugen nach einer polizeilichen Vernehmung nicht mehr das Aussageverhalten an den Tag legen, wie dies zuvor getan wurde. Jede Vernehmung birgt auch die Gefahr in sich, dass suggestiv auf den Zeugen eingewirkt wird und dieser in seinem Aussageverhalten in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. Ob dies bewusst oder unbewusst seitens der Ermittlungsbehörden geschieht, kann dahinstehen. Denn im Ergebnis kann sich dieser Zeuge möglicher Weise nicht mehr an alle Details, vor allem entlastende Details, erinnern.

Ist bei der Zeugenvernehmung ein Verteidiger anwesend, der sich mit Vernehmungspsychologie und Vernehmungstechnik auskennt, kann dieser Gefahr während der Vernehmung vorgebeugt werden, indem unzulässige oder suggestive Fragen beanstandet werden. Erfahrungsgemäß werden derartige Fragen bei Anwesenheit eines Verteidigers aber gar nicht erst gestellt.

Deswegen muss sorgfältig überlegt und abgewogen werden, ob im Zwischenverfahren tatsächlich weitere Beweismittel, insbesondere Zeugen benannt werden. Werden erst in der Hauptverhandlung neue Zeugen benannt, ist der Verteidiger nämlich von Anfang an (also bei der Erstvernehmung) anwesend.

Sofern Anklage erhoben ist, das Zwischenverfahren also begonnen hat, sind andere Erledigungsmöglichkeiten wie Strafbefehl, Einstellung gegen Auflage, Einstellung ohne Auflage, aber in der Regel vom Tisch. Nur mit viel Mühe ist es dann als Verteidiger noch möglich, ohne eine öffentliche Hauptverhandlung zu einer anderen Verfahrenserledigung zu kommen.

Dies zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, möglichst frühzeitig einen Verteidiger zu beauftragen. Am effektivsten kanne ein Verteidigung geführt werden, wenn der Verteidiger sofort hinzugezogen wird, sobald der Beschuldigte von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt.

A

  • Alkohol
  • Alkohol

    Alkohol spielt im Strafrecht eine große Rolle. Vor allem Gewaltdelikte, wie etwa Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Raub, räuberische Erpressung, Nötigung, aber auch Sexualstrafdelikte wie die sexuelle Nötigung, die Vergewaltigung oder Missbrauchsdelikte sonstiger Art werden häufig begangen von alkoholisierten Tätern. Auch Kapitalstrafsachen wie Mord oder Totschlag werden vielfach unter Alkohol verwirklicht.

    Eine große Bedeutung hat der Alkohol auch im Bereich der Straßenverkehrsdelikte. Neben der Trunkenheit im Verkehr ist auch die Gefährdung des Straßenverkehrs, begangen von alkoholisierten Fahrzeugführern, die in der Praxis häufigste Anwendungsform.

    Wenn Alkohol im Spiel ist, geht es häufig um die Promillezahlen. Die Alkoholgrenzwerte spielen dabei an zwei Stellen eine Rolle:

    Zum Einen – vor allem bei den verkehrsstrafrechtlichen Delikten – spielt die Alkoholisierung des Täters (Promillezahl) bereits bei der Frage eine Rolle, ob überhaupt der Tatbestand des jeweiligen Verkehrsstrafdeliktes erfüllt ist.

    Deshalb ist es – gerade im Verkehrsstrafrecht – für die Polizei und Staatsanwaltschaft so wichtig zu ermitteln, wie viel Promille tatsächlich der jeweilige Täter (in der Regel Fahrzeugführer) hatte. Dazu wird in der Praxis regelmäßig von einem Arzt Blut abgenommen.

    Alkohol auf Tatbestandsebene

    Für die Frage, ob eine Trunkenheit im Verkehr vorliegt (§ 316 StGB) oder aber eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) sind folgende Alkohol- Grenzwerte wichtig:

    - Ab 1,1‰ (Promille) liegt bei Kraftfahrern (Autofahrern, Lkw-Fahrern, Motorradfahrern) eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. Bei Radfahrern wird die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,6 ‰ (Promille) angenommen.

    Absolute Fahruntüchtigkeit bedeutet, dass eine unwiderlegbare Vermutung einer sog. alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit vorliegt. In der Praxis kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob tatsächlich etwa das Reaktionsvermögen oder aber die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist. Sofern deshalb mindestens 1,1 ‰ (Promille) bei Kraftfahrern bzw. mindestens 1,6 ‰ (Promille) bei Radfahrern zur Tatzeit vorliegt, ist immer von einer Tatbestandsverwirklichung der Trunkenheit im Verkehr bzw. – wenn es zu einem sog. Beinahe-Unfall kommt – von einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) auszugehen

    - Zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,09‰ (Promille) (bei Kraftfahrern wie Pkw-Fahrern, Lkw-Fahrern bzw. Motorradfahren) bzw. zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,59 ‰ (Promille) (bei Radfahrern) liegt eine sog. relative Fahruntüchtigkeit vor. Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit liegt auch eine Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs dann vor, wenn es aufgrund der Alkoholisierung zu sog. alkoholbedingten Ausfallerscheinungen kommt. Solche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen können z.B. sein ein Schlangenlinienfahren, ein unsicheres Fahren, ein nicht verkehrsbedingtes Bremsen etc. Diesen Nachweis der alkoholbedingten Ausfallerscheinung müssen die Ermittlungsbehörden in der Praxis erbringen; darauf kann man häufig eine erfolgreiche Verteidigung aufbauen. Bei einer Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs wird grundsätzlich auch eine Sperre verhängt, wobei die Sperrfrist gem. § 69 a StGB zwischen sechs Monaten und 5 Jahren liegt.

    - Ab 0,5‰ (Promille) bei Kraftfahrern (Pkw-Fahrer, Lkw-Fahrer, Motorradfahrer) liegt in jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit vor, die zwar nicht mit einer Geldstrafe, aber mit einem Bußgeld belegt wird. Dies ist in § 24 a StVG geregelt. Eine solche Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG führt in jedem Fall zu einem Fahrverbot. In der Praxis ist festzustellen, dass ein Fahrverbot von einem Monat verhängt wird bei einer Promillezahl von 0,5 – 0,7 ‰ (Promille), zwei Monate Fahrverbot in der Regel zwischen 0,7 und 0,9 ‰ (Promille) und drei Monate Fahrverbot bei 0,9 bis 1,09‰ ( Promille).

    Gerade bei den Gewaltdelikten finden sich in der Praxis häufig stark alkoholisierte Täter. Der Alkoholisierungsgrad erreicht dabei oft Grenzen von 2 Promille bzw. sogar 3‰ (Promille). Alkohol spiel im Strafrecht dann eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB oder gar eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB angenommen werden kann.

    In der strafrechtlichen Praxis werden für die Fragen der Schuldfähigkeit aufgrund eines Alkoholkonsums häufig psychiatrische Sachverständigengutachten eingeholt.

    Feste Grenzwerte wie für die Frage des Tatbestandes (s.o.) gibt es bei Alkohol als Kriterium einer sog. krankhaften seelischen Störung (Schuldfähigkeit / verminderte Schuldfähigkeit) nicht. Feststellen kann man jedoch, dass ab einer Promillezahl von 2‰ (Promille) oder mehr die Frage der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden muss und – nicht nur im Einzelfall – häufig angenommen werden muss. Dies gilt zumindest bei Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo). Die Frage der verminderten Schuldfähigkeit aufgrund des Alkoholes spielt für den Angeklagten deshalb eine große Rolle, weil dadurch eine gesetzliche Strafrahmenverschiebung im Sinne einer deutlichen Strafmilderung nach § 21 StGB i.V.m. § 49 StGB angenommen werden kann. Dadurch wird in der Praxis vielfach der Angeklagte spürbar weniger hart bestraft.

    Eine Schuldunfähigkeit – und damit eine Straflosigkeit nach dem jeweiligen Delikt – ist naheliegend ab einem Promillewert von 3‰ (Promille). War der Täter bei Begehung der Tat schuldunfähig, wozu auch eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit gehört, kann er dafür nicht bestraft werden.

    Häufig kann dann aber eine Verurteilung wegen Vollrausches (§ 323 a StGB) erfolgen.Geht die hohe Alkoholisierung und der hohe Alkoholisierungsgrad auf eine Alkoholkrankheit zurück, besteht in diesen Fällen vielfach auch die Möglichkeit bzw. die Gefahr, dass eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – anstelle oder neben der Strafe – durch das Gericht angeordnet wird. Dies kann für den Angeklagten bei einer erkannten Alkoholkrankheit natürlich eine große Chance bieten. Andererseits wird – bei Abbruch einer solchen Therapie – die dadurch faktisch erlittene Freiheitsentziehung nur teilweise auf die zu verbüßende Strafe angerechnet.

    Zu beachten ist, dass die Frage der Alkoholisierung sowohl für die Tatbestandmäßigkeit (Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs), als auch für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit immer zur Tatzeit zu ermitteln ist. In der Regel erfolgt ja die Blutentnahme einige Zeit (oft einige Stunden) nach der Tatbegehung. Dann ist zur Ermittlung der genauen Alkoholisierung zur Tatzeit zurückzurechnen. Da hierbei auch Sicherheitszuschläge zu Gunsten des Angeklagten gemacht werden, kann über diese Rückrechnung häufig ein für den Angeklagten „günstigeres“ Ergebnis begründet werden. In der Praxis lässt sich feststellen, dass bei dieser Rückrechnungsproblematik auf den Alkoholisierungsgrad zur Tatzeit viele Fehler gemacht werden, manchmal wird die Rückrechnung sogar vergessen.

    Der Umfang mit alkoholisierten Tätern ist in der Strafverteidigerpraxis komplex und schwierig. Es sind – neben dem eigentlichen strafrechtlichen System- viele weitere Aspekte wie Maßregeln der Besserung und Sicherung zu berücksichtigen. Auch mit dem Mandanten / Angeklagten selbst muss die Frage des Umgangs mit seiner Alkoholisierung genau erörtert und besprochen werden. Denn vielfach kann ein Strafverfahren, welches einen alkoholisierten Täter zu beurteilen hat, dazu genutzt werden, dem Angeklagten eine Hilfestellung für ein mögliches Alkoholproblem zu geben. Dies setzt aber eine Bereitschaft des Mandanten voraus, ein evtl. Alkoholproblem zu erkennen und behandlungswillig für dieses Alkoholproblem zu sein.

    All diese Aspekte müssen bei einer erfolgreichen Strafverteidigung mit alkoholisierten Tätern berücksichtigt werden.

  • Arzneimittelstrafrecht
  • Arzneimittelstrafrecht

    Aufgrund unseres medizinstrafrechtlichen Schwerpunkts haben wir viel mit arzneimittelrechtlichen Vorwürfen zu tun.

    Das Arzneimittelrecht (AMG – Arzneimittelgesetz) birgt für den dortigen Adressatenkreis der Ärzte und Apotheker eine schier unübersehbare Vielzahl von Tücken. Die jeweiligen Verfahrensregelungen sind im Verstoßenfalle mit Bußgeldern oder gar Geldstrafen bedroht. Dabei führt häufig nicht nur der vorsätzliche Verstoß, sondern auch fahrlässige Begehungsweisen zu einer Sanktion, die nicht nur haftungsträchtig sind, sondern auch berufsrechtlich relevant.

    In jüngerer Zeit finden sich beispielsweise verstärkt Ermittlungen zur Eigenherstellung von Arzneimitteln. Beim bloßen Anfangsverdacht hiergegen müssen betroffene Ärzte und Apotheker nicht nur mit strafprozessualen Zwangsmaßnahmen wie Durchsuchungen und Beschlagnahmen rechnen. Vielmehr knüpft das Gesetz an die formalen Verstöße auch Gewinnabschöpfungsmaßnahmen, die aufgrund des Bruttoprinzips im Einzelfall immens hoch sein können. Gleich zu Beginn werden vielfach Arrestbeschlüße erlassen und – etwa durch Eintragungen von Zwangssicherungshypotheken und Kontopfändungen umgesetzt.

    Hier gilt es für den medizinstrafrechtlich tätigen Rechtsanwalt unverzüglich zu reagieren. Es ist notwendig, die arzneimittelrechtlichen Zusammenhänge zu kennen und zu verstehen. Denn nur mit der entsprechenden Erfahrung gelingt es, frühzeitig die Weichen für eine effektive Verteidigung im Arzneimittelstrafrecht zu stellen.

  • Ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung
  • Ärztlicher Heileingriff als Körperverletzung

    Nach der Rechtsprechung wird auch der ärztliche Heileingriff seit mehr als 100 Jahren als tatbestandliche und vorsätzliche Körperverletzung bewertet. Es kommt danach weder auf den heilenden Zweck des Eingriffs an, aber auch nicht auf den Heilungserfolg.

    Dem gegenüber geht die überwiegende Literatur davon aus, dass ein ärztlicher Heileingriff bereits tatbestandlich keine Körperverletzung sein kann; es liege ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG jedenfalls bei erfolgreichen Eingriffen vor. Ein kunstgerechter und auf Heilung des Körpers gerichteter Eingriff stelle gerade keine Verletzung der Interessen des Körpers dar, sondern diene – im Gegenteil dazu – der Wiederherstellung der körperlichen Integrität.

    Dem gegenüber sucht die Rechtsprechung die Lösung über die rechtfertigende Einwilligung. Die Einwilligung kann ausdrücklich, konkludent oder mutmaßlich (etwa bei einer Operationserweiterung) vorliegen.

    Der zivilrechtliche Gesetzgeber hat in § 630 d BGB Aufklärungserfordernisse kodifiziert. Letztlich hat der Gesetzgeber eine jahrzehntelange zivilrechtliche Rechtsprechung in Gesetzesform gegossen. Die in § 630 d BGB genannten Aufklärungspflichten können für eine strafrechtliche Überlegung im Ausgangspunkt herangezogen werden. Sie können allerdings nicht vollständig übertragen werden. Das Haftungsprinzip des Zivilrechts ist schadensersatzorientiert und nicht deckungsgleich mit der strafrechtlichen Verantwortlichkeit.

    Die (rechtsfertigende) Einwilligung hat ihren Ursprung in dem grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Patienten (Art. 2 Abs. 2 GG). Der Patient hat die Dispositionsmacht über seine eigene körperliche Integrität.

    Eine Einwilligung kann deshalb nur wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Der Patient muss die für seine Entscheidung bedeutsamen Umstände kennen. Als bedeutsam werden der medizinische Befund, die Art des geplanten Eingriffs, seine voraussichtliche gesundheitliche Tragweite, sowie – bezogen auf die jeweilige konkrete Situation des einzelnen Patienten – die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden Heilungsaussichten angesehen. Aber auch mögliche andere medizinisch sinnvolle Behandlungsweisen, ferner die mit und die ohne diesen Eingriff zu erwartenden oder möglichen, nicht völlig unerheblichen Risiken einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes dieses Patienten werden als bedeutsam bewertet.

    Erst wenn ein Patient diese Umstände in ihrer Gesamtheit und Bedeutung kennt, ermöglicht ihm dies eine Abwägung dahin, ob er sich dem Eingriff durch diesen Arzt unterziehen will oder nicht. Der Patient muss für sich die Auffassung und Überzeugung gewinnen, dass der Eingriff notwendig, sinnvoll und hinreichend erfolgversprechend ist.

    Die entscheidende Frage in der Praxis ist, wie weit die Aufklärungspflichten reichen.

    Allgemein wird eine Aufklärung für erforderlich erachtet in Bezug auf Anlass, Dringlichkeit, Umfang, Schwere, Risiken, Art und Folgen, möglichen Nebenwirkungen des geplanten Eingriffs, dessen Erfolgsaussichten und die Heilungschancen sowie die Folgen einer Nichtbehandlung.

    Zu den Aufklärungspflichten werden nur solche Umstände gezählt, die vom Schutzzweck der Aufklärungspflicht erfasst sind; dem Patienten müssen solche Umstände mitgeteilt werden, die es ihm ermöglichen, von der Behandlung wegen von ihm besorgter Nachteile für seine körperliche Integrität Abstand zu nehmen.

    Nicht zum Schutzzweck der Aufklärungspflichten werden Kosten einer ärztlichen Behandlung gezählt; aber auch fehlerhaft vermittelte Vorstellungen über die Operationsdauer oder aber die Verweildauer im Krankenhaus stellen – für die Frage der Wirksamkeit der Einwilligung – nach der bisherigen Rechtsprechung einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.

    Die Aufklärungspflichten bei ärztlichen Heileingriffen werden in Diagnoseaufklärung, Verlaufsaufklärung und Risikoaufklärung unterteilt.

    Im Rahmen der Diagnoseaufklärung ist der Patient zutreffend über den ärztlichen Befund aufzuklären.

    Zur Verlaufsaufklärung gehören Informationen über den voraussichtlichen Verlauf der Erkrankung in unbehandeltem Zustand sowie über den Ablauf der medizinisch indizierten Behandlung. Hierzu gehören auch Aufklärungen über absehbare Operationserweiterungen oder evtl. Nachoperationen.

    Im Rahmen der Risikoaufklärung muss der Patient “im Großen und Ganzen” wissen, worin er einwilligt. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern.

    Gegenstand der Risikoaufklärung sind die eingriffstypischen, unvermeidlichen Gefahren der Behandlung, mit deren Eintreten nach dem Stand ärztlicher Erfahrung und Wissenschaft gerechnet werden muss. Dazu gehört auch der Hinweis auf das schwerste in Betracht kommende Risiko, welches dem Eingriff spezifisch anhaftet. Aber auch auf besonders häufige Risiken muss der Patient aufmerksam gemacht werden.

    Letztlich muss der Patient auch über nicht so schwere Risiken aufgeklärt werden, die dem Eingriff spezifisch anhaften und die für die konkrete Lebensführung dieses Patienten besonders belastend sind (z.B. Pianisten = Finger; Sänger = Stimmbänder etc.).

    Umfang und Genauigkeit der erforderlichen Aufklärung sind umgekehrt proportional zur Dringlichkeit und zu den Heilungsaussichten zu sehen. Je geringer der Dringlichkeitsgrad des medizinischen Eingriffs ist, desto größer ist die Aufklärungslast – und umgekehrt.

    Je problematischer eine Methode ist, je mehr der Arzt von eingeführten und anerkannten Verfahren abweichen möchte und je stärker er von dem abgehen will, was der Patient erwarten darf, desto weiter reichen die Informationspflichten. Will der Arzt keine allseits anerkannte Standardmethode, sondern eine relativ neue und noch nicht allgemein eingeführte Methode mit neuen, noch nicht abschließend geklärten Risiken anwenden, so hat er den Patienten auch darüber aufzuklären und ebenso über die möglichen unbekannten Risiken.

    Bei der Anwendung einer Außenseitermethode erweitert die Rechtsprechung die Aufklärungspflicht auch auf den Umstand, dass der geplante Eingriff nicht medizinischer Standard ist und seine Wirksamkeit statistisch nicht abgesichert ist.

    Ungefragt muss der Arzt grundsätzlich nicht darüber aufklären, welche Behandlungsmethoden in Betracht kommen und was für und gegen die eine oder andere Methode spricht. Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes.

    Die Aufklärung über gleichermaßen indizierte Behandlungsalternativen kann allerdings dann erforderlich sein, wenn diese zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder gewichtige unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten und der Patient deshalb eine echte Wahlmöglichkeit hat.

    Risikostatistiken gehören grundsätzlich nicht zur Aufklärungspflicht. Wenn aber zwei Methoden das selbe Risiko anhaftet und dieses bei einer Methode höher ist oder länger fortbesteht, so ist der Patient auch über die Größenordnung des vorliegenden Unterschiedes zu informieren.

    Der Grundsatz, dass die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes ist und es insoweit regelmäßig keiner Aufklärung des Patienten bedarf, gilt auch dann nicht, wenn die angewendete Therapie nicht dem medizinischen Standard entspricht oder ernsthaft umstritten ist.

    Ein weiteres in der Praxis vielfach zu beobachtendes Problem ist die Dokumentation der Einwilligung in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht. Zwar gibt es im Strafrecht keine „Beweislastumkehr“ oder einen „prima-facie-Beweis“, jedoch werden aus mangelnden oder fehlenden Dokumentationen von den Ermittlungsbehörden oftmals Verdachtsgründe hergeleitet.

    Die zum ärztlichen Heileingriff ergangene Rechtsprechung ist umfangreich und komplex. Suchen Sie sich frühzeitig anwaltlichen Rat.

    Das Medizinstrafrecht gehört zu den Schwerpunktthemen der von unserer Kanzlei bearbeiteten strafrechtlichen Rechtsgebiete.

Alkohol

Alkohol spielt im Strafrecht eine große Rolle. Vor allem Gewaltdelikte, wie etwa Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, Raub, räuberische Erpressung, Nötigung, aber auch Sexualstrafdelikte wie die sexuelle Nötigung, die Vergewaltigung oder Missbrauchsdelikte sonstiger Art werden häufig begangen von alkoholisierten Tätern. Auch Kapitalstrafsachen wie Mord oder Totschlag werden vielfach unter Alkohol verwirklicht.

Eine große Bedeutung hat der Alkohol auch im Bereich der Straßenverkehrsdelikte. Neben der Trunkenheit im Verkehr ist auch die Gefährdung des Straßenverkehrs, begangen von alkoholisierten Fahrzeugführern, die in der Praxis häufigste Anwendungsform.

Wenn Alkohol im Spiel ist, geht es häufig um die Promillezahlen. Die Alkoholgrenzwerte spielen dabei an zwei Stellen eine Rolle:

Zum Einen – vor allem bei den verkehrsstrafrechtlichen Delikten – spielt die Alkoholisierung des Täters (Promillezahl) bereits bei der Frage eine Rolle, ob überhaupt der Tatbestand des jeweiligen Verkehrsstrafdeliktes erfüllt ist.

Deshalb ist es – gerade im Verkehrsstrafrecht – für die Polizei und Staatsanwaltschaft so wichtig zu ermitteln, wie viel Promille tatsächlich der jeweilige Täter (in der Regel Fahrzeugführer) hatte. Dazu wird in der Praxis regelmäßig von einem Arzt Blut abgenommen.

Alkohol auf Tatbestandsebene

Für die Frage, ob eine Trunkenheit im Verkehr vorliegt (§ 316 StGB) oder aber eine Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) sind folgende Alkohol- Grenzwerte wichtig:

- Ab 1,1‰ (Promille) liegt bei Kraftfahrern (Autofahrern, Lkw-Fahrern, Motorradfahrern) eine absolute Fahruntüchtigkeit vor. Bei Radfahrern wird die absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,6 ‰ (Promille) angenommen.

Absolute Fahruntüchtigkeit bedeutet, dass eine unwiderlegbare Vermutung einer sog. alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit vorliegt. In der Praxis kommt es deshalb nicht mehr darauf an, ob tatsächlich etwa das Reaktionsvermögen oder aber die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist. Sofern deshalb mindestens 1,1 ‰ (Promille) bei Kraftfahrern bzw. mindestens 1,6 ‰ (Promille) bei Radfahrern zur Tatzeit vorliegt, ist immer von einer Tatbestandsverwirklichung der Trunkenheit im Verkehr bzw. – wenn es zu einem sog. Beinahe-Unfall kommt – von einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) auszugehen

- Zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,09‰ (Promille) (bei Kraftfahrern wie Pkw-Fahrern, Lkw-Fahrern bzw. Motorradfahren) bzw. zwischen 0,3‰ (Promille) und 1,59 ‰ (Promille) (bei Radfahrern) liegt eine sog. relative Fahruntüchtigkeit vor. Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit liegt auch eine Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs dann vor, wenn es aufgrund der Alkoholisierung zu sog. alkoholbedingten Ausfallerscheinungen kommt. Solche alkoholbedingte Ausfallerscheinungen können z.B. sein ein Schlangenlinienfahren, ein unsicheres Fahren, ein nicht verkehrsbedingtes Bremsen etc. Diesen Nachweis der alkoholbedingten Ausfallerscheinung müssen die Ermittlungsbehörden in der Praxis erbringen; darauf kann man häufig eine erfolgreiche Verteidigung aufbauen. Bei einer Trunkenheit im Verkehr / Gefährdung des Straßenverkehrs wird grundsätzlich auch eine Sperre verhängt, wobei die Sperrfrist gem. § 69 a StGB zwischen sechs Monaten und 5 Jahren liegt.

- Ab 0,5‰ (Promille) bei Kraftfahrern (Pkw-Fahrer, Lkw-Fahrer, Motorradfahrer) liegt in jedem Fall eine Ordnungswidrigkeit vor, die zwar nicht mit einer Geldstrafe, aber mit einem Bußgeld belegt wird. Dies ist in § 24 a StVG geregelt. Eine solche Ordnungswidrigkeit nach § 24 a StVG führt in jedem Fall zu einem Fahrverbot. In der Praxis ist festzustellen, dass ein Fahrverbot von einem Monat verhängt wird bei einer Promillezahl von 0,5 – 0,7 ‰ (Promille), zwei Monate Fahrverbot in der Regel zwischen 0,7 und 0,9 ‰ (Promille) und drei Monate Fahrverbot bei 0,9 bis 1,09‰ ( Promille).

Gerade bei den Gewaltdelikten finden sich in der Praxis häufig stark alkoholisierte Täter. Der Alkoholisierungsgrad erreicht dabei oft Grenzen von 2 Promille bzw. sogar 3‰ (Promille). Alkohol spiel im Strafrecht dann eine entscheidende Rolle bei der Frage, ob eine verminderte Schuldfähigkeit nach § 21 StGB oder gar eine Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB angenommen werden kann.

In der strafrechtlichen Praxis werden für die Fragen der Schuldfähigkeit aufgrund eines Alkoholkonsums häufig psychiatrische Sachverständigengutachten eingeholt.

Feste Grenzwerte wie für die Frage des Tatbestandes (s.o.) gibt es bei Alkohol als Kriterium einer sog. krankhaften seelischen Störung (Schuldfähigkeit / verminderte Schuldfähigkeit) nicht. Feststellen kann man jedoch, dass ab einer Promillezahl von 2‰ (Promille) oder mehr die Frage der verminderten Schuldfähigkeit geprüft werden muss und – nicht nur im Einzelfall – häufig angenommen werden muss. Dies gilt zumindest bei Anwendung des Zweifelsgrundsatzes (in dubio pro reo). Die Frage der verminderten Schuldfähigkeit aufgrund des Alkoholes spielt für den Angeklagten deshalb eine große Rolle, weil dadurch eine gesetzliche Strafrahmenverschiebung im Sinne einer deutlichen Strafmilderung nach § 21 StGB i.V.m. § 49 StGB angenommen werden kann. Dadurch wird in der Praxis vielfach der Angeklagte spürbar weniger hart bestraft.

Eine Schuldunfähigkeit – und damit eine Straflosigkeit nach dem jeweiligen Delikt – ist naheliegend ab einem Promillewert von 3‰ (Promille). War der Täter bei Begehung der Tat schuldunfähig, wozu auch eine alkoholbedingte Schuldunfähigkeit gehört, kann er dafür nicht bestraft werden.

Häufig kann dann aber eine Verurteilung wegen Vollrausches (§ 323 a StGB) erfolgen.Geht die hohe Alkoholisierung und der hohe Alkoholisierungsgrad auf eine Alkoholkrankheit zurück, besteht in diesen Fällen vielfach auch die Möglichkeit bzw. die Gefahr, dass eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt – anstelle oder neben der Strafe – durch das Gericht angeordnet wird. Dies kann für den Angeklagten bei einer erkannten Alkoholkrankheit natürlich eine große Chance bieten. Andererseits wird – bei Abbruch einer solchen Therapie – die dadurch faktisch erlittene Freiheitsentziehung nur teilweise auf die zu verbüßende Strafe angerechnet.

Zu beachten ist, dass die Frage der Alkoholisierung sowohl für die Tatbestandmäßigkeit (Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs), als auch für die Frage der verminderten Schuldfähigkeit bzw. Schuldunfähigkeit immer zur Tatzeit zu ermitteln ist. In der Regel erfolgt ja die Blutentnahme einige Zeit (oft einige Stunden) nach der Tatbegehung. Dann ist zur Ermittlung der genauen Alkoholisierung zur Tatzeit zurückzurechnen. Da hierbei auch Sicherheitszuschläge zu Gunsten des Angeklagten gemacht werden, kann über diese Rückrechnung häufig ein für den Angeklagten „günstigeres“ Ergebnis begründet werden. In der Praxis lässt sich feststellen, dass bei dieser Rückrechnungsproblematik auf den Alkoholisierungsgrad zur Tatzeit viele Fehler gemacht werden, manchmal wird die Rückrechnung sogar vergessen.

Der Umfang mit alkoholisierten Tätern ist in der Strafverteidigerpraxis komplex und schwierig. Es sind – neben dem eigentlichen strafrechtlichen System- viele weitere Aspekte wie Maßregeln der Besserung und Sicherung zu berücksichtigen. Auch mit dem Mandanten / Angeklagten selbst muss die Frage des Umgangs mit seiner Alkoholisierung genau erörtert und besprochen werden. Denn vielfach kann ein Strafverfahren, welches einen alkoholisierten Täter zu beurteilen hat, dazu genutzt werden, dem Angeklagten eine Hilfestellung für ein mögliches Alkoholproblem zu geben. Dies setzt aber eine Bereitschaft des Mandanten voraus, ein evtl. Alkoholproblem zu erkennen und behandlungswillig für dieses Alkoholproblem zu sein.

All diese Aspekte müssen bei einer erfolgreichen Strafverteidigung mit alkoholisierten Tätern berücksichtigt werden.

B

  • Besuchserlaubnis
  • Besuchserlaubnis

    Eine Besuchserlaubnis braucht man, wenn man in der JVA (Justizvollzugsanstalt) einen Häftling in der Untersuchungshaft (U-Haft) aufsuchen / besuchen will.

    Dies gilt grundsätzlich auch für die Rechtsanwälte, wobei der als Rechtsanwalt tätige Strafverteidiger eine sog. Dauerbesuchserlaubnis erhält. Der Strafverteidiger kann und darf jederzeit, auch mehrfach pro Tag, seinen Mandanten in der Untersuchungshaft besuchen. Die Kommunikation, also die Gespräche mit dem Verteidiger, werden auch nicht überwacht. Der Verteidiger darf auch die Akten und Ermittlungsakten in die JVA nehmen. Dem inhaftierten Beschuldigten darf man auch Kopien aus der Ermittlungsakte überlassen und er kann diese in die JVA mitnehmen. Der „Verkehr“ zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger ist grundsätzlich von „jedweder staatlicher Überwachung frei“.

    Dies gilt nicht für Rechtsanwälte, die keine strafrechtliche Vollmacht haben. Wer also in Untersuchungshaft ist und mit seinen zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälten eine Besprechung führen möchte, kann dies nur dann tun, wenn für die zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälte eine Besuchserlaubnis ausgestellt wurde.

    Eine Besuchserlaubnis ist auch für die Angehörigen, sogar für die nächsten Angehörigen, wie die Ehefrau oder die Kinder, erforderlich.

    Die Besuchserlaubnis wird schriftlich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt. In der Regel ist dazu eine Kopie des Personalausweises bzw. die Vorlage des Originals bei der Abholung der Besuchserlaubnisse erforderlich.

    Ich selbst will den Angehörigen in der schlimmen Zeit der Untersuchungshaft nach Möglichkeit beistehen, weshalb ich für die Angehörigen grundsätzlich Besuchserlaubnisse beantrage.

    Der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte hat auch Anspruch darauf, dass er regelmäßig Besuch erhält. Man muss sich dabei immer in Erinnerung rufen, dass der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte unschuldig ist, es liegt ja noch kein rechtskräftiges Urteil vor.

    In der Regel haben die jeweiligen Justizvollzugsanstalten eigene Besuchsregeln, die zuvor in Erfahrung zu bringen sind. Da auch die Besuchsräume in tatsächlicher Hinsicht nur begrenzt sind, liegt es auf der Hand, dass die Angehörigen nicht jeden Tag ihre Verwandten in der JVA besuchen können. In der Regel besteht ein Besuchsrecht alle 14 Tage; dies kann jedoch im Einzelfall variieren.

    Eine Besuchserlaubnis darf von der Staatsanwaltschaft nur dann verweigert werden, wenn Gründe dafür bestehen. Solche Gründe werden häufig dann bejaht, wenn der Verdacht besteht, dass der Besucher selbst in die zu ermittelnde Straftat verwickelt ist. Mit der Verweigerung der Besuchserlaubnis will die Strafverfolgungsbehörde verhindern, dass im Rahmen von Besuchen in der JVA Absprachen getroffen werden.

    Eine Verweigerung der Besuchserlaubnisse wegen des Verdachts der Beteiligung an der Straftat darf auch gegenüber den engsten Verwandten und engsten Angehörigen, erstrecht auch gegen Bekannte oder Freunde ausgesprochen werden.

    Der Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis kann jederzeit gestellt und auch jederzeit wiederholt werden.

    In der strafrechtlichen Praxis findet sich gelegentlich die Situation, dass der Beschuldigte in der JVA Besuch erhält, den er gar nicht wünscht. Als Verteidiger trage ich dann dafür Sorge, dass dies unterbleibt. Selbstverständlich muss sich der in U-Haft befindliche Beschuldigte keinen Besuch aufzwängen lassen.

    Die Besucher werden vor dem Betreten der JVA zunächst anhand des Personalausweises / Reisepasses identifiziert. Sie müssen zu der jeweiligen Besuchszeit rechtzeitig erscheinen. Als Besucher sollte man mindestens eine halbe Stunde vor Besuchsbeginn an der JVA sein, weil am Eingang eine körperliche Durchsuchung stattfindet. Dies ist zulässig, weil die Beamten der Justizvollzugsanstalt berechtigt und verpflichtet sind zu überwachen, dass keine illegalen Gegenstände (Waffen, Betäubungsmittel, Geld etc.) in die JVA eingeschleust werden. Am Eingang der JVA befindet sich auch ein Metalldetektor, vergleichbar der Sicherheitsschleuse am Flughafen. Metallische Gegenstände werden dann durch ein akustisches Signal erkannt.

    Wenn Anklage erhoben wurde, dann ist nicht mehr die Staatsanwaltschaft für die Erteilung von Besuchserlaubnissen zuständig, sondern das mit der Sache befasste Gericht.

  • Beschuldigter / Beschuldigte
  • Beschuldigter / Beschuldigte

    Als Beschuldigter/Beschuldigte werden die Personen bezeichnet, gegen die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Sobald die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, wird der Beschuldigte auch Angeschuldigter genannt. Wenn die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird (sog. Eröffnungsbeschluss), so wird der Beschuldigte oder Angeschuldigte zum Angeklagten.

    Als Beschuldigter gelten Sie von Gesetzes wegen als unschuldig (sog. Unschuldsvermutung). Erst nach rechtskräftiger Verurteilung entfällt diese Unschuldsvermutung und es treten die gesetzlichen Folgen einer solchen Verurteilung ein.

    Gesetzliche Folgen einer Verurteilung sind bspw. die Eintragung im Bundeszentralregister (BZR), Verkehrszentralregister (VZR) oder Erziehungsregister.

    Manchmal hat eine Verurteilung auch ein Berufsverbot zur Folge.

    Der Beschuldigte hat viele Rechte. Darauf wird der Beschuldigte von den Ermittlungsbehörden oftmals nicht deutlich genug hingewiesen.

    So hat der Beschuldigte ein vollumfängliches Schweigerecht. Darüber ist er zu belehren, bevor er irgendwelche Angaben zur Sache macht. Dieses Schweigerecht des Beschuldigten gilt nicht nur gegenüber den Richtern oder Staatsanwälten, sondern gegenüber sämtlichen Ermittlungspersonen. Auch gegenüber der Polizei, den Beamten des Hauptzollamtes oder den Beamten der Straf- und Bußgeldsachenstelle des Finanzamtes muss man keinerlei Angaben machen.

    Strategisch betrachtet ist es meistens sinnvoll, als Beschuldigter von diesem Schweigerecht Gebrauch zu machen und zunächst über einen Strafverteidiger die Ermittlungsakten einzusehen. Je weniger der Beschuldigte den Ermittlungsbehörden berichtet hat, desto größer ist die Möglichkeit einer effektiven Strafverteidigung. Unter den Verhaltensregeln wird dargestellt, wie Sie sich sinnvoller Weise verhalten sollen/können, um die anschließende Strafverteidigung so effektiv wie möglich zu gestalten.

    Als Beschuldigter sind Sie nach dem Gesetz aber auch darüber zu belehren, dass Sie jederzeit einen Strafverteidiger anrufen und um Hilfe/Rat bitten können. Erfahrungsgemäß rät der Strafverteidiger dem Beschuldigten, zunächst von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen.

    Weil die Ermittlungen gegen den Beschuldigten oftmals ins Stocken geraten, sobald ein Strafverteidiger auftritt, hat man gelegentlich das Gefühl, dass die Beschuldigten möglichst lange in Unkenntnis über ihr Schweigerecht und das Recht der Anwaltskonsultation bleiben sollen. All zu häufig berichten die Beschuldigten dem Strafverteidiger, über ihr Schweigerecht oder ihr Recht, einen Anwalt anzurufen, nicht belehrt worden zu sein.

    Trotz der sicherlich vorhandenen Nervosität und der Aufregung des Beschuldigten beim Umgang mit den Ermittlungsbehörden ist es kaum denkbar, dass in allen berichteten Fällen die Erinnerung des Beschuldigten an die Belehrung getrübt ist oder fehlt.

    Meiner Überzeugung nach sollte gerade wegen der nervenaufreibenden Situation (Kontakt mit der Polizei, Staatsanwaltschaft etc.) die Belehrung des Beschuldigten über sein Schweigerecht und die Belehrung des Beschuldigten über das Recht, einen Anwalt anzurufen, in aller Deutlichkeit erfolgen. Nur so kann ein rechtsstaatlich gewünschtes faires Verfahren herbeigeführt werden.

    Der Beschuldigte hat darüber hinaus viele weitere Rechte, aber auch Pflichten. Die Rechte des Beschuldigten zu wahren, ist die primäre Aufgabe und oberste Pflicht des Strafverteidigers. Eine echte Waffengleichheit zwischen den Ermittlungsbehörden und dem Beschuldigten kann erst mit der Beauftragung eines Strafverteidigers hergestellt werden.

    Seinem Strafverteidiger gegenüber kann sich der Beschuldigte rückhaltlos offenbaren. Der Strafverteidiger hat – wie jeder Rechtsanwalt – eine strenge Pflicht, alle Informationen des Beschuldigten vertraulich zu behandeln und sie niemanden zu offenbaren. Dies gilt selbstverständlich über das bestehende Mandat hinaus. Auch wenn der Beschuldigte etwa seinen Anwalt wechselt, darf der frühere Anwalt über die erlangten Informationen niemandem berichten. Diese Schweigepflicht des Strafverteidigers ist sogar strafrechtlich abgesichert. Verletzt der Rechtsanwalt diese Schweigepflicht, macht er sich strafbar. Auch die Rechtsanwaltskammer überwacht die Einhaltung dieser Schweigepflicht und reagiert bei Verletzungen mit berufsrechtlichen Maßnahmen bis hin zur Entziehung der Zulassung als Rechtsanwalt.

    Als Beschuldigter/Beschuldigte sind Sie gut beraten, wenn Sie so früh wie möglich einen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht mit ihrer Strafverteidigung beauftragen.

  • Berufsverbot als GmbH-Geschäftsführer und Vorstand einer AG
  • Berufsverbot als GmbH-Geschäftsführer und Vorstand einer AG

    Das Strafgericht kann nach § 70 StGB im Urteil ein Berufsverbot anordnen, wenn der Angeklagte eine rechtswidrige Tat unter Missbrauch seines Berufes oder seines Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit dem Beruf verbundenen Pflichten begangen hat. Diese Vorschrift soll –so der Wille des Gesetzgebers – die Allgemeinheit vor der Gefahr der Begehung von Straftaten durch den Täter im Rahmen seiner Berufs- oder Gewerbeausübung schützen. Das im Urteil angeordnete Berufsverbot hat deshalb mit der Strafe im eigentlichen Sinne überhaupt nichts zu tun. Dieses Berufsverbot ist eine reine Sicherungsmaßnahme.

    Daneben gibt es Berufsverbote, die kraft Gesetzes eintreten. Eine zusätzliche Anordnung durch das Strafgericht im Urteil ist nicht erforderlich. In der Praxis der Strafverteidiger sind dabei das Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH (§ 6 GmbHG) sowie das Berufsverbot als Vorstand einer Aktiengesellschaft (§ 76 AG) am Häufigsten.

    Kraft Gesetzes kann Geschäftsführer oder Vorstand nicht sein, wer wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten

    - des Unterlassen der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenz- verfahrens (Insolvenzverschleppung),

    - nach den §§ 283 bis 283 b StGB (Insolvenzstraftaten),

    - der falschen Angabe nach § 399 AG oder § 82 GmbHG,

    - der unrichtigen Darstellung nach § 400 AG, § 331 HGB, § 313 UmwG oder § 17 PubG

    oder

    - nach den §§ 263 bis 264 a StGB oder §§ 265 b bis 266 a StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr

    verurteilt worden ist.

    Das gesetzliche Berufsverbot gilt für die Dauer von 5 Jahren ab Rechtskraft des Urteils.

    Dieses gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Vorstand einer AG ist durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) erheblich ausgeweitet worden. Diese neue und schärfere Rechtslage hat seit dem 01.11.2008 Gültigkeit.

    Das gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG gilt seit 01.11.2008 nämlich nicht nur für die Insolvenzdelikte im engeren Sinne (§§ 283 bis 283 d StGB), sondern auch nach jeder rechtskräftigen Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung. Dies war bis zum 01.11.2008 nicht der Fall.

    Ebenso ist das gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG auch auf sonstige Delikte und Straftatbestände erweitert worden, die üblicher Weise im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppung einhergehen. Solche typischen Delikte im Zusammenhang mit einer Insolvenzverschleppung sollen nach dem Gesetzgeber die §§ 263 bis 264 a StGB sowie §§ 265 b bis 266 a StGB sein. Typische Insolvenzstraftaten sollen deshalb sein:

    - Betrug nach § 263 StGB: Im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten finden sich häufig Ermittlungen im Rahmen von Rundschreiben an sämtliche Kreditoren (Gläubiger, Lieferanten, Vertragspartner) des Gemeinschuldners. Dem Geschäftsführer der GmbH bzw. Vorstand der AG wird häufig vorgeworfen, trotz fehlender Liquidität Bestellungen veranlasst zu haben, obwohl der Geschäftsführer bzw. Vorstand damit rechnen musste, im Fälligkeitszeitpunkt die Rechnung nicht mehr bezahlen zu können.

    - § 263 a Computerbetrug: Danach ist strafbar, wer durch unlautere Einwirkung auf den EDV-Ablauf eines Computers z.B. Bestellungen veranlasst und dadurch bei einem anderen einen Schaden herbeiführt. Im Zusammenhang mit den Insolvenzstraftaten und dem damit verbundenen Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH bzw. Vorstand einer AG scheint die Einbeziehung des Computerbetruges eher ein gesetzgeberisches Versehen zu sein.

    - § 264 StGB Subventionsbetrug: Wegen Subventionsbetrug wird bestraft, wer bei einer Behörde oder sonstigen Stelle (Subventionsgeber) unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Vorteile, etwa in Form einer Subvention oder Subventionsberechtigung erlangt. Im Zusammenhang mit Insolvenzstraf- taten kann dies dann eine Rolle spielen, wenn das Unternehmen eine solche Subvention beantragt, um eine Liquiditätskrise oder gar Insolvenz- gründe (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) zu beseitigen.

    - § 264 a StGB Kapitalanlagebetrug: Strafbar ist wegen Kapitalanlagebetruges, wer in Prospekten oder in Darstellungen oder in Übersichten über den Vermögensstand gegenüber einem größeren Kreis von Personen unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Absichten verschweigt und in diesem Zusammenhang Wertpapiere oder Bezugrechte vertreibt oder Anteile an einem Unternehmen gewährt. Auch dieses Delikt findet sich gelegentlich im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Insolvenzstraftaten, wenn bspw. Gesellschaftsanteile oder Aktienanteile zur Beschaffung von Liquidität veräußert werden sollen.

    - § 265 b StGB Kreditbetrug: Wegen Kreditbetruges macht sich strafbar, wer einem Betrieb oder Unternehmen einen Kredit beschaffen will und gegenüber dem Kreditgeber unrichtige oder unvollständige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse macht, insbesondere unrichtige oder unvollständige Unterlagen, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen oder sonstige unrichtige Vermögens- übersichten vorlegt. Ebenso macht sich ein Geschäftsführer oder Vorstand strafbar, der eine solche Verschlechterung in den wirtschaftlichen Verhältnissen bei der Vorlage an den Kreditgeber nicht mitteilt.

    - § 266 StGB Untreue Wegen Untreue macht sich strafbar, wer eine ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder für andere Verträge abzuschließen, missbraucht und dadurch demjenigen, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Ermittlungen wegen Verdachts der Untreue gibt es im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten häufig. Es ist oft zu beobachten, dass der Geschäftsführer oder Vorstand versucht, in der Krise (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung)werthaltige Vermögensteile, Bankguthaben etc. „zu sichern“, um sie dem Zugriff potentieller Gläubiger oder einem späteren Insolvenzverwalter zu entziehen. Häufig versucht der Geschäftsführer oder Vorstand aber auch im Rahmen eines Sanierungs- konzepts lukrative Betriebsteile zu retten, um nach der Insolvenz weiter- arbeiten zu können. Dieses an sich verständliche Bestreben des Geschäfts- führers und Vorstandes wird im Insolvenzstrafrecht besonders kritisch beäugt. Die Untreue nach § 266 StGB gerät hier häufig in Konflikt mit dem Bankrott nach § 283 StGB.

    - § 266 a StGB Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt: Die Beitragsvorenthaltung ist ein häufig beobachtetes Delikt im Zusammenhang mit Insolvenzstraftaten. Der Geschäftsführer oder Vorstand versucht häufig Liquidität dadurch zu beschaffen, indem er Beiträge seiner Mitarbeiter an die Krankenkassen nicht oder nicht rechtzeitig abführt. Während früher allein das Nichtabführen der Arbeitnehmeranteile strafbar war, ist zwischenzeitlich – unter bestimmten Voraussetzungen – auch das Nichtabführen der Arbeitgeberbeiträge unter Strafe gestellt.

    Das gesetzliche Berufsverbot als Geschäftsführer einer GmbH oder Vorstand einer AG nach den §§ 263 bis 264 a StGB oder §§ 265 b bis 266 a StGB gilt nur, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr verhängt wird.

    Diese Freiheitsstrafe von einem Jahr erfordert in machen Fällen die Mitteilung an die Staatsanwaltschaften oder Strafgerichte, dass der Beschuldigte als GmbH-Geschäftsführer oder Vorstand einer AG weiterhin tätig ist. In vielen Fällen kann dann „gestalterisch“ ein solches Ergebnis erzielt werden, dass die Verurteilung zu den vorgenannten Delikten bei knapp unter einem Jahr bleibt. Der Geschäftsführer bzw. Vorstand ist dann zwar verurteilt, das gesetzliche Berufsverbot kann jedoch verhindert werden.

Besuchserlaubnis

Eine Besuchserlaubnis braucht man, wenn man in der JVA (Justizvollzugsanstalt) einen Häftling in der Untersuchungshaft (U-Haft) aufsuchen / besuchen will.

Dies gilt grundsätzlich auch für die Rechtsanwälte, wobei der als Rechtsanwalt tätige Strafverteidiger eine sog. Dauerbesuchserlaubnis erhält. Der Strafverteidiger kann und darf jederzeit, auch mehrfach pro Tag, seinen Mandanten in der Untersuchungshaft besuchen. Die Kommunikation, also die Gespräche mit dem Verteidiger, werden auch nicht überwacht. Der Verteidiger darf auch die Akten und Ermittlungsakten in die JVA nehmen. Dem inhaftierten Beschuldigten darf man auch Kopien aus der Ermittlungsakte überlassen und er kann diese in die JVA mitnehmen. Der „Verkehr“ zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger ist grundsätzlich von „jedweder staatlicher Überwachung frei“.

Dies gilt nicht für Rechtsanwälte, die keine strafrechtliche Vollmacht haben. Wer also in Untersuchungshaft ist und mit seinen zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälten eine Besprechung führen möchte, kann dies nur dann tun, wenn für die zivilrechtlich tätigen Rechtsanwälte eine Besuchserlaubnis ausgestellt wurde.

Eine Besuchserlaubnis ist auch für die Angehörigen, sogar für die nächsten Angehörigen, wie die Ehefrau oder die Kinder, erforderlich.

Die Besuchserlaubnis wird schriftlich bei der zuständigen Staatsanwaltschaft beantragt. In der Regel ist dazu eine Kopie des Personalausweises bzw. die Vorlage des Originals bei der Abholung der Besuchserlaubnisse erforderlich.

Ich selbst will den Angehörigen in der schlimmen Zeit der Untersuchungshaft nach Möglichkeit beistehen, weshalb ich für die Angehörigen grundsätzlich Besuchserlaubnisse beantrage.

Der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte hat auch Anspruch darauf, dass er regelmäßig Besuch erhält. Man muss sich dabei immer in Erinnerung rufen, dass der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte unschuldig ist, es liegt ja noch kein rechtskräftiges Urteil vor.

In der Regel haben die jeweiligen Justizvollzugsanstalten eigene Besuchsregeln, die zuvor in Erfahrung zu bringen sind. Da auch die Besuchsräume in tatsächlicher Hinsicht nur begrenzt sind, liegt es auf der Hand, dass die Angehörigen nicht jeden Tag ihre Verwandten in der JVA besuchen können. In der Regel besteht ein Besuchsrecht alle 14 Tage; dies kann jedoch im Einzelfall variieren.

Eine Besuchserlaubnis darf von der Staatsanwaltschaft nur dann verweigert werden, wenn Gründe dafür bestehen. Solche Gründe werden häufig dann bejaht, wenn der Verdacht besteht, dass der Besucher selbst in die zu ermittelnde Straftat verwickelt ist. Mit der Verweigerung der Besuchserlaubnis will die Strafverfolgungsbehörde verhindern, dass im Rahmen von Besuchen in der JVA Absprachen getroffen werden.

Eine Verweigerung der Besuchserlaubnisse wegen des Verdachts der Beteiligung an der Straftat darf auch gegenüber den engsten Verwandten und engsten Angehörigen, erstrecht auch gegen Bekannte oder Freunde ausgesprochen werden.

Der Antrag auf Erteilung einer Besuchserlaubnis kann jederzeit gestellt und auch jederzeit wiederholt werden.

In der strafrechtlichen Praxis findet sich gelegentlich die Situation, dass der Beschuldigte in der JVA Besuch erhält, den er gar nicht wünscht. Als Verteidiger trage ich dann dafür Sorge, dass dies unterbleibt. Selbstverständlich muss sich der in U-Haft befindliche Beschuldigte keinen Besuch aufzwängen lassen.

Die Besucher werden vor dem Betreten der JVA zunächst anhand des Personalausweises / Reisepasses identifiziert. Sie müssen zu der jeweiligen Besuchszeit rechtzeitig erscheinen. Als Besucher sollte man mindestens eine halbe Stunde vor Besuchsbeginn an der JVA sein, weil am Eingang eine körperliche Durchsuchung stattfindet. Dies ist zulässig, weil die Beamten der Justizvollzugsanstalt berechtigt und verpflichtet sind zu überwachen, dass keine illegalen Gegenstände (Waffen, Betäubungsmittel, Geld etc.) in die JVA eingeschleust werden. Am Eingang der JVA befindet sich auch ein Metalldetektor, vergleichbar der Sicherheitsschleuse am Flughafen. Metallische Gegenstände werden dann durch ein akustisches Signal erkannt.

Wenn Anklage erhoben wurde, dann ist nicht mehr die Staatsanwaltschaft für die Erteilung von Besuchserlaubnissen zuständig, sondern das mit der Sache befasste Gericht.

E

  • EMCS-Verfahren und Hinterziehung von Verbrauchssteuern (z.B. Biersteuer)
  • EMCS-Verfahren und Hinterziehung von Verbrauchssteuern (z.B. Biersteuer)

    Das EMCS-Verfahren spielt in der forensischen Praxis vor allem bei der Hinterziehung von Verbrauchssteuern eine Rolle.

    Als Verbrauchssteuern werden solche Steuerarten bezeichnet, die auf den Verbrauch von einzelnen Gütern oder Dienstleistungen erhoben werden. Verbrauchssteuern sind die ältesten Steuern, sie sind einfach zu erheben und die Besteuerung betrifft nur eine kleine Zahl von Händlern oder Herstellern der jeweiligen Produkte. Mit Verbrauchssteuern wird auf politischer Ebene auch eine Lenkungswirkung erreicht. Die Tabaksteuer beispielsweise soll der Förderung der Gesundheit dienen, eine Spielbankabgabe der Hebung der Moral und die CO2-Steuer dem Schutz der Umwelt etc.

    Bekannte Verbrauchssteuern sind etwa die Biersteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Tabaksteuer, Zuckersteuer und Energiesteuer. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Verbrauchssteuern.

    Das EMCS-Verfahren (EMCS bedeutet Excise Movement and Control System) dient der zolltechnischen Abwicklung von Beförderungsvorgängen zwischen Steuerlagern auch über Ländergrenzen von EU-Ländern hinweg. Es gilt seit dem 01.01.2011 in der gesamten EU.

    Mit dem EMCS-Verfahren wird die steuerfreie Verbringung von Waren zwischen Steuerlagern dokumentiert. Ob tatsächlich Waren transportiert werden, vermag das EMCS-Verfahren nicht zu überprüfen. In der Praxis gibt es nur stichprobenartige Kontrollen der zuständigen Zollbehörden.

    Das EMCS-Verfahren ist deshalb nicht in der Lage zu überprüfen, ob beispielsweise tatsächlich ein Wareneingang im empfangenden Steuerlager stattgefunden hat. Eine effektive Kontrolle, ob die Waren also beim vermeintlichen Empfangssteuerlager tatsächlich ankommen oder aber ob die Ware aus dem behaupteten Liefervorgang ausgeschleust wird, kann das EMCS-Verfahren nicht kontrollieren.

    Das EMCS-Verfahren ist ein elektronisches Verfahren, bei dem das versendende Steuerlager ein elektronisches Verwaltungsdokument, welches – auch in der Praxis – eVD genannt wird, generiert. Dieses eVD enthält für jede einzelne Lieferung eine individuelle Referenznummer und wird an das empfangende Lager weitergeleitet.

    Das eVD enthält für jede einzelne Lieferung die exakten Daten der jeweiligen Ware, so also – etwa bei Bier – die Menge des transportierten Bieres, die Biersorte, Alkoholgehalt, Abgangslager und Ziellager. Ebenso enthält das eVD exakte Daten über den LKW, der das Bier transportiert, einschließlich Kfz-Kennzeichen, Frachtführer, Stand des Transports (laufende/erledigt) etc.

    Die europäischen Zollbehörden haben Einsicht in diese Daten.

    Während des Transports muss der Spediteur einen sogenannten vereinfachten Frachtbrief in Papierform mitführen. Dieser wird beim Ziellager gestempelt und unterschrieben. Dieser Frachtbrief muss sodann – elektronisch oder in Papierform – an das versendende Lager zurückgesandt werden.

    Nach Eingang der transportierten Ware im Ziellager muss von dort unverzüglich die Erledigung des Transports, also etwa der Eingang des Bieres  im EMCS-System gegenüber dem Empfangsmitgliedstaat bestätigt werden. Der Empfangsmitgliedstaat leitet das eVD sodann an den Entsendestaat zurück. Das versendende Lager erhält über den eigenen Entsendestaat daraufhin diese Bestätigung zurück.

    Wie dargestellt findet keine physikalische Kontrolle der einzelnen Lieferungen durch die Zollbehörden statt, es gibt lediglich Stichproben. Nur wenn im EMCS-Verfahren ein Transport unerledigt bleibt, der Eingang der transportierten Ware also vom empfangenen Steuerlager nicht bestätigt wird, erhalten die Zollbehörden einen Hinweis auf den noch offenen Vorgang und beginnen vor Ort zu überprüfen.

    Manche Beschuldigte machen sich die erheblichen Gefälle unterschiedlicher Verbrauchssteuer in den verschiedenen Ländern der EU zu Nutze und versuchen – zu Lasten des Fiskus – zum Teil erhebliche Gewinne zu generieren. Aufgrund der starken Gefälle der unterschiedlichen Verbrauchssteuern kommen hierbei schnell beträchtliche Steuerschäden zusammen, die – unter Berücksichtigung der steuerstrafrechtlichen Rechtsprechung – häufig mit nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafen enden.

    Das System der Verbrauchssteuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg soll exemplarisch anhand der Biersteuer dargestellt werden:

    Bier unterliegt in Deutschland der sogenannten Biersteuer, bei der es sich – wie oben dargestellt – um eine Verbrauchssteuer im Sinne der Abgabenordnung (AO) handelt, § 1 Abs. 1 BierStG. Eine Biersteuer fällt aber dann nicht an, solange sich das Bier in einem genehmigten Steuerlager und damit in einem Verfahren der Steueraussetzung befindet, § 4 BierStG.

    Steuerfrei ist auch ein Transport zwischen genehmigten Steuerlagern, insbesondere auch die Verbringung aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedsstaat der EU in ein deutsches Steuerlager (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BierStG). Die Biersteuer fällt erst dann an, wenn das Bier an den Groß- und Einzelhandel oder aber direkt an den Endverbraucher abgegeben wird. Das Biersteuergesetz spricht davon, dass das Bier nunmehr in den sogenannten freien Verkehr gelangt (§ 15 Abs. 1 BierStG).

    Allerdings fällt sofort die Biersteuer an, wenn es beim angeblichen Transport zwischen Steuerlagern zu Unregelmäßigkeiten kommt (§ 13 BierStG). Dies gilt vor allem dann, wenn das Bier dem Transportvorgang entnommen wird oder aber der Transport nicht an das vorher angemeldete Ziel durchgeführt wird.

    Folge solcher Unregelmäßigkeiten ist, dass u.a. der versendende Steuerlagerinhaber Schuldner der Biersteuer wird (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 BierStG).

    Der – steuerfreie – Transport zwischen Steuerlagern findet regelmäßig im vorgenannten EMCS-Verfahren statt.

    In Europa gibt es ein enormes Gefälle bei der Biersteuerbelastung. Die Biersteuer in Deutschland zählt zu den niedrigsten in der EU. Seit 2009 fällt in Deutschland für einen Hektoliter Bier mit 12 Grad Stammwürze oder 4,8 % Vol. Alkohol ein Betrag von 9,44 € Biersteuer an.

    Zum Vergleich:

    Im Jahre 2017 fiel in Frankreich für dieselbe Menge Bier 35,37 €, also die fast vierfache Menge an Biersteuer an. In Großbritannien betrug die Biersteuer für dieselbe Menge Bier sogar 100,51 €.

    Dieses starke Gefälle bei der Biersteuerbelastung ist für viele Beschuldigte ein gewichtiger Anreiz zur Begehung von Verbrauchssteuerhinterziehungen.

    Das System der Biersteuerkarusselle funktioniert in der Praxis wie folgt:

    Bier, das sich in einem Steuerlager in einem Land mit hoher Biersteuer befindet (etwa in Frankreich oder in Großbritannien), wird „auf dem Papier“ in ein deutsches Steuerlager verbracht und von dort „auf dem Papier“ in den freien Verkehr veräußert. Dabei fällt – auf dem Papier – nur die deutlich geringere deutsche Biersteuer an.

    Vielfach werden durch die Täter diese deutsche Biersteuer auch angemeldet und tatsächlich entrichtet. So wird nach außen der Anschein aufrechterhalten, ein ordnungsgemäßes deutsches Steuerlager zu führen; der Widerruf der Erlaubnis zum Betreiben eines Steuerlagers wird vermieden.

    Durch die Erklärung und die Zahlung der deutschen Biersteuer wird zugleich verschleiert, dass es beim Abtransport der Ware aus dem Hochsteuerland zu Unregelmäßigkeiten im Sinne des Verbrauchssteuerrechts gekommen ist. Es wird verschleiert, dass der absendende Steuerlagerinhaber durch die Unregelmäßigkeiten an sich verpflichtet ist, den dort geltenden höheren Verbrauchssteuersatz zu zahlen.

    Tatsächlich wird das Bier in der Regel schwarz im Hochsteuerland selbst in den freien Verkehr gebracht und schwarz verkauft – manchmal wird das Bier auch in ein Land mit noch höherer Biersteuer geschmuggelt und dort auf dem Schwarzmarkt verkauft.

    In meiner forensischen Praxis finden sich vielfach Biersteuerkarusselle zwischen den Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien. Dabei werden in den allermeisten Fällen fingierte Lieferungen im EMCS-Verfahren an ein deutsches Biersteuerlager vorgegeben und in Deutschland auch tatsächlich die – angebliche – geringe Biersteuer angemeldet und bezahlt. Der tatsächliche Verkauf des Bieres auf dem Schwarzmarkt findet demgegenüber  in Frankreich statt – oder das Bier wird nach Großbritannien geschmuggelt und dort verkauft.

    Aufgrund des starken Gefälles der Biersteuer in der EU und der gesetzlichen Haftungsvorschriften für die Biersteuer für alle am Biersteuerkarussell Beteiligten, kommen schnell hohe Steuerschadensbeträge im 6- bzw. 7-stelligen Bereich zusammen. Aufgrund des grenzüberschreitenden Warenverkehrs handelt es sich in Fällen von Biersteuerkarussellen auch um umfangreiche und komplexe steuerstrafrechtliche Ermittlungen, für die vielfach Untersuchungshaftbefehle ausgestellt und – europaweit – vollstreckt werden.

    Häufig werden auch Biersteuerlagerinhaber in ihrer Gutgläubigkeit ausgenutzt und – ganz unbewusst – in derartige Steuerkarusselle eingebunden.

    Lassen Sie sich frühzeitig professionell beraten, wenn Sie in den Verdacht geraten, Teilnehmer eines solchen Steuerkarussells zu sein. Neben dem Risiko einer (Untersuchungs-) Haft und dem Verlust der Freiheit, gehen mit strafrechtlichen Steuerkarussellen meistens auch enorme steuerrechtliche Haftungsverfahren einher, die oft auf Lebenszeit zu einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen.

     

    Edgar Gärtner
    Rechtsanwalt

EMCS-Verfahren und Hinterziehung von Verbrauchssteuern (z.B. Biersteuer)

Das EMCS-Verfahren spielt in der forensischen Praxis vor allem bei der Hinterziehung von Verbrauchssteuern eine Rolle.

Als Verbrauchssteuern werden solche Steuerarten bezeichnet, die auf den Verbrauch von einzelnen Gütern oder Dienstleistungen erhoben werden. Verbrauchssteuern sind die ältesten Steuern, sie sind einfach zu erheben und die Besteuerung betrifft nur eine kleine Zahl von Händlern oder Herstellern der jeweiligen Produkte. Mit Verbrauchssteuern wird auf politischer Ebene auch eine Lenkungswirkung erreicht. Die Tabaksteuer beispielsweise soll der Förderung der Gesundheit dienen, eine Spielbankabgabe der Hebung der Moral und die CO2-Steuer dem Schutz der Umwelt etc.

Bekannte Verbrauchssteuern sind etwa die Biersteuer, Branntweinsteuer, Alkopopsteuer, Tabaksteuer, Zuckersteuer und Energiesteuer. Es gibt aber eine Vielzahl weiterer Verbrauchssteuern.

Das EMCS-Verfahren (EMCS bedeutet Excise Movement and Control System) dient der zolltechnischen Abwicklung von Beförderungsvorgängen zwischen Steuerlagern auch über Ländergrenzen von EU-Ländern hinweg. Es gilt seit dem 01.01.2011 in der gesamten EU.

Mit dem EMCS-Verfahren wird die steuerfreie Verbringung von Waren zwischen Steuerlagern dokumentiert. Ob tatsächlich Waren transportiert werden, vermag das EMCS-Verfahren nicht zu überprüfen. In der Praxis gibt es nur stichprobenartige Kontrollen der zuständigen Zollbehörden.

Das EMCS-Verfahren ist deshalb nicht in der Lage zu überprüfen, ob beispielsweise tatsächlich ein Wareneingang im empfangenden Steuerlager stattgefunden hat. Eine effektive Kontrolle, ob die Waren also beim vermeintlichen Empfangssteuerlager tatsächlich ankommen oder aber ob die Ware aus dem behaupteten Liefervorgang ausgeschleust wird, kann das EMCS-Verfahren nicht kontrollieren.

Das EMCS-Verfahren ist ein elektronisches Verfahren, bei dem das versendende Steuerlager ein elektronisches Verwaltungsdokument, welches – auch in der Praxis – eVD genannt wird, generiert. Dieses eVD enthält für jede einzelne Lieferung eine individuelle Referenznummer und wird an das empfangende Lager weitergeleitet.

Das eVD enthält für jede einzelne Lieferung die exakten Daten der jeweiligen Ware, so also – etwa bei Bier – die Menge des transportierten Bieres, die Biersorte, Alkoholgehalt, Abgangslager und Ziellager. Ebenso enthält das eVD exakte Daten über den LKW, der das Bier transportiert, einschließlich Kfz-Kennzeichen, Frachtführer, Stand des Transports (laufende/erledigt) etc.

Die europäischen Zollbehörden haben Einsicht in diese Daten.

Während des Transports muss der Spediteur einen sogenannten vereinfachten Frachtbrief in Papierform mitführen. Dieser wird beim Ziellager gestempelt und unterschrieben. Dieser Frachtbrief muss sodann – elektronisch oder in Papierform – an das versendende Lager zurückgesandt werden.

Nach Eingang der transportierten Ware im Ziellager muss von dort unverzüglich die Erledigung des Transports, also etwa der Eingang des Bieres  im EMCS-System gegenüber dem Empfangsmitgliedstaat bestätigt werden. Der Empfangsmitgliedstaat leitet das eVD sodann an den Entsendestaat zurück. Das versendende Lager erhält über den eigenen Entsendestaat daraufhin diese Bestätigung zurück.

Wie dargestellt findet keine physikalische Kontrolle der einzelnen Lieferungen durch die Zollbehörden statt, es gibt lediglich Stichproben. Nur wenn im EMCS-Verfahren ein Transport unerledigt bleibt, der Eingang der transportierten Ware also vom empfangenen Steuerlager nicht bestätigt wird, erhalten die Zollbehörden einen Hinweis auf den noch offenen Vorgang und beginnen vor Ort zu überprüfen.

Manche Beschuldigte machen sich die erheblichen Gefälle unterschiedlicher Verbrauchssteuer in den verschiedenen Ländern der EU zu Nutze und versuchen – zu Lasten des Fiskus – zum Teil erhebliche Gewinne zu generieren. Aufgrund der starken Gefälle der unterschiedlichen Verbrauchssteuern kommen hierbei schnell beträchtliche Steuerschäden zusammen, die – unter Berücksichtigung der steuerstrafrechtlichen Rechtsprechung – häufig mit nicht mehr bewährungsfähigen Freiheitsstrafen enden.

Das System der Verbrauchssteuerhinterziehung über Ländergrenzen hinweg soll exemplarisch anhand der Biersteuer dargestellt werden:

Bier unterliegt in Deutschland der sogenannten Biersteuer, bei der es sich – wie oben dargestellt – um eine Verbrauchssteuer im Sinne der Abgabenordnung (AO) handelt, § 1 Abs. 1 BierStG. Eine Biersteuer fällt aber dann nicht an, solange sich das Bier in einem genehmigten Steuerlager und damit in einem Verfahren der Steueraussetzung befindet, § 4 BierStG.

Steuerfrei ist auch ein Transport zwischen genehmigten Steuerlagern, insbesondere auch die Verbringung aus einem Steuerlager in einem anderen Mitgliedsstaat der EU in ein deutsches Steuerlager (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 BierStG). Die Biersteuer fällt erst dann an, wenn das Bier an den Groß- und Einzelhandel oder aber direkt an den Endverbraucher abgegeben wird. Das Biersteuergesetz spricht davon, dass das Bier nunmehr in den sogenannten freien Verkehr gelangt (§ 15 Abs. 1 BierStG).

Allerdings fällt sofort die Biersteuer an, wenn es beim angeblichen Transport zwischen Steuerlagern zu Unregelmäßigkeiten kommt (§ 13 BierStG). Dies gilt vor allem dann, wenn das Bier dem Transportvorgang entnommen wird oder aber der Transport nicht an das vorher angemeldete Ziel durchgeführt wird.

Folge solcher Unregelmäßigkeiten ist, dass u.a. der versendende Steuerlagerinhaber Schuldner der Biersteuer wird (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 BierStG).

Der – steuerfreie – Transport zwischen Steuerlagern findet regelmäßig im vorgenannten EMCS-Verfahren statt.

In Europa gibt es ein enormes Gefälle bei der Biersteuerbelastung. Die Biersteuer in Deutschland zählt zu den niedrigsten in der EU. Seit 2009 fällt in Deutschland für einen Hektoliter Bier mit 12 Grad Stammwürze oder 4,8 % Vol. Alkohol ein Betrag von 9,44 € Biersteuer an.

Zum Vergleich:

Im Jahre 2017 fiel in Frankreich für dieselbe Menge Bier 35,37 €, also die fast vierfache Menge an Biersteuer an. In Großbritannien betrug die Biersteuer für dieselbe Menge Bier sogar 100,51 €.

Dieses starke Gefälle bei der Biersteuerbelastung ist für viele Beschuldigte ein gewichtiger Anreiz zur Begehung von Verbrauchssteuerhinterziehungen.

Das System der Biersteuerkarusselle funktioniert in der Praxis wie folgt:

Bier, das sich in einem Steuerlager in einem Land mit hoher Biersteuer befindet (etwa in Frankreich oder in Großbritannien), wird „auf dem Papier“ in ein deutsches Steuerlager verbracht und von dort „auf dem Papier“ in den freien Verkehr veräußert. Dabei fällt – auf dem Papier – nur die deutlich geringere deutsche Biersteuer an.

Vielfach werden durch die Täter diese deutsche Biersteuer auch angemeldet und tatsächlich entrichtet. So wird nach außen der Anschein aufrechterhalten, ein ordnungsgemäßes deutsches Steuerlager zu führen; der Widerruf der Erlaubnis zum Betreiben eines Steuerlagers wird vermieden.

Durch die Erklärung und die Zahlung der deutschen Biersteuer wird zugleich verschleiert, dass es beim Abtransport der Ware aus dem Hochsteuerland zu Unregelmäßigkeiten im Sinne des Verbrauchssteuerrechts gekommen ist. Es wird verschleiert, dass der absendende Steuerlagerinhaber durch die Unregelmäßigkeiten an sich verpflichtet ist, den dort geltenden höheren Verbrauchssteuersatz zu zahlen.

Tatsächlich wird das Bier in der Regel schwarz im Hochsteuerland selbst in den freien Verkehr gebracht und schwarz verkauft – manchmal wird das Bier auch in ein Land mit noch höherer Biersteuer geschmuggelt und dort auf dem Schwarzmarkt verkauft.

In meiner forensischen Praxis finden sich vielfach Biersteuerkarusselle zwischen den Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien und Großbritannien. Dabei werden in den allermeisten Fällen fingierte Lieferungen im EMCS-Verfahren an ein deutsches Biersteuerlager vorgegeben und in Deutschland auch tatsächlich die – angebliche – geringe Biersteuer angemeldet und bezahlt. Der tatsächliche Verkauf des Bieres auf dem Schwarzmarkt findet demgegenüber  in Frankreich statt – oder das Bier wird nach Großbritannien geschmuggelt und dort verkauft.

Aufgrund des starken Gefälles der Biersteuer in der EU und der gesetzlichen Haftungsvorschriften für die Biersteuer für alle am Biersteuerkarussell Beteiligten, kommen schnell hohe Steuerschadensbeträge im 6- bzw. 7-stelligen Bereich zusammen. Aufgrund des grenzüberschreitenden Warenverkehrs handelt es sich in Fällen von Biersteuerkarussellen auch um umfangreiche und komplexe steuerstrafrechtliche Ermittlungen, für die vielfach Untersuchungshaftbefehle ausgestellt und – europaweit – vollstreckt werden.

Häufig werden auch Biersteuerlagerinhaber in ihrer Gutgläubigkeit ausgenutzt und – ganz unbewusst – in derartige Steuerkarusselle eingebunden.

Lassen Sie sich frühzeitig professionell beraten, wenn Sie in den Verdacht geraten, Teilnehmer eines solchen Steuerkarussells zu sein. Neben dem Risiko einer (Untersuchungs-) Haft und dem Verlust der Freiheit, gehen mit strafrechtlichen Steuerkarussellen meistens auch enorme steuerrechtliche Haftungsverfahren einher, die oft auf Lebenszeit zu einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen.

 

Edgar Gärtner
Rechtsanwalt

F

  • Funktionsarzneimittel
  • Funktionsarzneimittel

    Der Arzneimittelbegriff ist in § 2 AMG legaldefiniert. § 2 Abs. 1 AMG differenziert zwischen sog. Funktionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) und sog. Präsentationsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) – siehe dazu „Präsentationsarzneimittel“.

    Funktionsarzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

    Für die Einordnung als Funktionsarzneimittel kommt es deshalb auf die Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper an (siehe auch BGHSt 54, 243).

    Dabei muss die Eignung, die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, wissenschaftlich festgestellt werden. Es reicht nicht aus, dass diese Wirkung lediglich nicht ausgeschlossen werden kann (siehe dazu etwa EuGH NVwZ 2009, 439).

    Bei einem Funktionsarzneimittel ist deshalb ein wissenschaftlicher Ansatz maßgeblich, dies ist anders beim sog. Präsentationsarzneimittel.

    Die Einstufung als (Funktions-) Arzneimittel ist für die Frage von Strafbarkeiten nach § 95 AMG oder § 96 AMG, aber ebenso für die Einstufung als Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG von ganz grundsätzlicher und richtungsweisender Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung von Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln, Medizinprodukte oder Kosmetika.

    Aufgrund unseres medizinstrafrechtlichen Schwerpunktes haben wir hierzu nicht nur eigene (forensische) Erfahrungen, sondern auch die erforderlichen Kontakte und Netzwerke zu qualifizierten Gutachtern und Sachverständigen.

Funktionsarzneimittel

Der Arzneimittelbegriff ist in § 2 AMG legaldefiniert. § 2 Abs. 1 AMG differenziert zwischen sog. Funktionsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG) und sog. Präsentationsarzneimitteln (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG) – siehe dazu „Präsentationsarzneimittel“.

Funktionsarzneimittel sind Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen.

Für die Einordnung als Funktionsarzneimittel kommt es deshalb auf die Wirkungsweise bei der Anwendung im oder am menschlichen Körper an (siehe auch BGHSt 54, 243).

Dabei muss die Eignung, die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, wissenschaftlich festgestellt werden. Es reicht nicht aus, dass diese Wirkung lediglich nicht ausgeschlossen werden kann (siehe dazu etwa EuGH NVwZ 2009, 439).

Bei einem Funktionsarzneimittel ist deshalb ein wissenschaftlicher Ansatz maßgeblich, dies ist anders beim sog. Präsentationsarzneimittel.

Die Einstufung als (Funktions-) Arzneimittel ist für die Frage von Strafbarkeiten nach § 95 AMG oder § 96 AMG, aber ebenso für die Einstufung als Ordnungswidrigkeit nach § 97 AMG von ganz grundsätzlicher und richtungsweisender Bedeutung. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung von Arzneimitteln, Nahrungsmitteln, Nahrungsergänzungsmitteln, Lebensmitteln, Medizinprodukte oder Kosmetika.

Aufgrund unseres medizinstrafrechtlichen Schwerpunktes haben wir hierzu nicht nur eigene (forensische) Erfahrungen, sondern auch die erforderlichen Kontakte und Netzwerke zu qualifizierten Gutachtern und Sachverständigen.

G

  • Gefährliches Werkzeug bei ärztlichen Instrumenten
  • Gefährliches Werkzeug bei ärztlichen Instrumenten

    Es ist ständige Rechtsprechung, dass eine medizinische Behandlung von Patient:innen tatbestandlich eine Körperverletzung nach § 223 StGB darstellt. Die Rechtsprechung löst die Frage des ärztlichen (Heil-) Eingriffs über die Ebene der Rechtswidrigkeit. In der Praxis spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob eine rechtfertigende Einwilligung durch die Patient:innen vorliegt. An dieser Stelle werden komplexe Fragen der Rechtzeitigkeit der Aufklärung, der Verständigkeit der Aufklärung etc. relevant.

    Die meisten ärztlichen Eingriffe werden nicht mit den bloßen Händen gemacht, sondern mit ärztlichen Instrumenten. Skalpelle, Zangen, Klammern etc. sind einige ärztliche Instrumente, die exemplarisch für eine Vielzahl weiterer Instrumente stehen sollen.

    Wird ein ärztlicher Eingriff mit einem solchen ärztlichen Instrument vollzogen, so stellt sich die Frage, ob sich diese Handlung als „gefährliche Körperverletzung“ im Sinne von § 224 StGB darstellt.

    Anders als die einfache Körperverletzung hat die gefährliche Körperverletzung einen relativ hohen Strafrahmen: Es drohen Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Auch die Verjährungsfrist ist bei der gefährlichen Körperverletzung mit 10 Jahren nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB doppelt so lang, wie für die einfache Körperverletzung. Faktisch droht bei einer Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung zwingend ein Eintrag im Führungszeugnis, der betroffene Arzt gilt im Rechtssinne als vorbestraft.

    Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass ein ärztliches Instrument, welches bestimmungsgemäß durch Ärzt:innen eingesetzt wird, nicht als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB angesehen werden können. Fehlt deshalb eine (wirksame) Einwilligung des Patienten, so ist der Arzt wegen einfacher Körperverletzung zu bestrafen, nicht aber wegen gefährlicher Körperverletzung.

    Begründet wurde dies von der bisherigen Rechtsprechung mit der vormaligen Gesetzesfassung. Gefährliche Werkzeuge waren danach nur Beispiele für Waffen. Hieraus folgerte der BGH bislang, dass Werkzeuge nur dann gefährlich im Sinne des § 224 StGB – vormals § 223 a StGB – sein können, wenn sie mit Waffen vergleichbar sind. Dies setzt eine Verwendung zu Angriff- oder Kampfzwecken voraus. Daran fehlt es aber bei ärztlichen Instrumenten in der Hand von Ärtz:innen, wenn diese bestimmungsgemäß eingesetzt werden – dies gilt auch dann, wenn die Heilzwecke verfehlt werden.

    Die aktuelle Gesetzesfassung des § 224 StGB hat jedoch das Verhältnis von Oberbegriff und Unterbegriff genau umgekehrt. Waffen sind nur noch Beispiele für gefährliche Werkzeuge.

    Darauf hat nunmehr das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 16.03.2022 – 1 WS 47/22 – Bezug genommen und entschieden, dass ein ärztliches Instrument auch in der Hand der Ärzt:innen bei bestimmungsgemäßer Verwendung eine gefährliche Körperverletzung begründet.

    Im genannten Fall wurde einem Zahnarzt vorgeworfen, in mehr als 30 Fällen Patient:innen mittels einer Zange verschiedene Zähne gezogen zu haben, obwohl es aussichtsreiche andere Behandlungsalternativen gab. Diese „Beratung“ seiner Patient:innen ist deshalb erfolgt, weil der angeklagte Zahnarzt durch den anschließenden Zahnersatz einen höheren Verdienst hatte. Die Extraktion der Zähne wurde als zwingend notwendig empfohlen – was nicht lege artis war.

    Das OLG Karlsruhe hat in dem genannten Beschluss die für die Extraktion verwendete Zange als gefährliches Werkzeug eingestuft. Dies gilt auch dann, obgleich der Einsatz der Zange von den Patient:innen gar nicht wahrgenommen wurde, weil sie lokal anästhesiert waren. Als schmerzhaft empfunden wurde der unmittelbare Eingriff nicht. Dies hinderte das OLG Karlsruhe nicht, eine gefährliche Körperverletzung anzunehmen.

    Begründet wurde dies damit, dass die Schmerzen im Nachgang auftreten würden. Außerdem wurde die „Endgültigkeit“ der Zahnextraktion in den Vordergrund gestellt: Denn mit der Herausnahme des Zahnes wurde dieser vom versorgenden Nerv getrennt, was einen unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses bedeutet.

    Die Entscheidung des OLG Karlsruhe macht deutlich, wie groß strafrechtliche Haftungsrisiken der Ärzte sind und welche gravierenden Folgen Aufklärungsmängel nach sich ziehen können.

    Ärzt:innen ist dringend nahezulegen, ein besonderes Augenmerk und eine besondere Sorgfalt auf eine ordnungsgemäße Aufklärung zu legen. Dies gilt umso mehr dann, wenn sie bei der Behandlung ärztliche Instrumente einsetzen, die Schmerzen zufügen können oder aber zu unwiederbringlichen Veränderungen bei der körperlichen Unversehrtheit der Patient:innen führen.

    Die sorgfältige Dokumentation der Aufklärung spielt zwar für die Wirksamkeit einer Einwilligung eines Patienten keine Rolle. Die Dokumentation spielt aber eine gewichtige Rolle bei der forensischen Beweisführung. Fehlt es an der Dokumentation, fällt es beschuldigten Ärzt:innen regelmäßig schwer, die Behauptung von Patient:innen zu widerlegen, sie seien nicht sachgerecht aufgeklärt worden.

    Wenn Sie als Ärzt:in mit strafbaren Vorwürfen konfrontiert werden, lassen Sie sich frühzeitig qualifiziert anwaltlich beraten. Diese anwaltliche Beratung sollte in jedem Fall erfolgen, bevor Sie als betroffene Ärzt:in eine Aussage bei der Polizei – oder aber im Rahmen der Durchsuchungssituation - gegenüber den Durchsuchungsbeamt:innen tätigen.

    Wir als Anwälte raten grundsätzlich bei Durchsuchungen/Vernehmungen dazu zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen und schnellstmöglich einen Anwalt zu befragen.

    Für eilige Fälle und für Notfälle – insbesondere bei Durchsuchungen – stehen wir Ihnen auch am Wochenende oder am Feiertag unter der Notrufnummer: 0179/4806223 zur Verfügung.

Gefährliches Werkzeug bei ärztlichen Instrumenten

Es ist ständige Rechtsprechung, dass eine medizinische Behandlung von Patient:innen tatbestandlich eine Körperverletzung nach § 223 StGB darstellt. Die Rechtsprechung löst die Frage des ärztlichen (Heil-) Eingriffs über die Ebene der Rechtswidrigkeit. In der Praxis spielt vor allem die Frage eine Rolle, ob eine rechtfertigende Einwilligung durch die Patient:innen vorliegt. An dieser Stelle werden komplexe Fragen der Rechtzeitigkeit der Aufklärung, der Verständigkeit der Aufklärung etc. relevant.

Die meisten ärztlichen Eingriffe werden nicht mit den bloßen Händen gemacht, sondern mit ärztlichen Instrumenten. Skalpelle, Zangen, Klammern etc. sind einige ärztliche Instrumente, die exemplarisch für eine Vielzahl weiterer Instrumente stehen sollen.

Wird ein ärztlicher Eingriff mit einem solchen ärztlichen Instrument vollzogen, so stellt sich die Frage, ob sich diese Handlung als „gefährliche Körperverletzung“ im Sinne von § 224 StGB darstellt.

Anders als die einfache Körperverletzung hat die gefährliche Körperverletzung einen relativ hohen Strafrahmen: Es drohen Freiheitsstrafen von 6 Monaten bis zu 10 Jahren. Auch die Verjährungsfrist ist bei der gefährlichen Körperverletzung mit 10 Jahren nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB doppelt so lang, wie für die einfache Körperverletzung. Faktisch droht bei einer Verurteilung wegen einer gefährlichen Körperverletzung zwingend ein Eintrag im Führungszeugnis, der betroffene Arzt gilt im Rechtssinne als vorbestraft.

Die bisherige Rechtsprechung ging davon aus, dass ein ärztliches Instrument, welches bestimmungsgemäß durch Ärzt:innen eingesetzt wird, nicht als gefährliche Werkzeuge im Sinne des § 224 StGB angesehen werden können. Fehlt deshalb eine (wirksame) Einwilligung des Patienten, so ist der Arzt wegen einfacher Körperverletzung zu bestrafen, nicht aber wegen gefährlicher Körperverletzung.

Begründet wurde dies von der bisherigen Rechtsprechung mit der vormaligen Gesetzesfassung. Gefährliche Werkzeuge waren danach nur Beispiele für Waffen. Hieraus folgerte der BGH bislang, dass Werkzeuge nur dann gefährlich im Sinne des § 224 StGB – vormals § 223 a StGB – sein können, wenn sie mit Waffen vergleichbar sind. Dies setzt eine Verwendung zu Angriff- oder Kampfzwecken voraus. Daran fehlt es aber bei ärztlichen Instrumenten in der Hand von Ärtz:innen, wenn diese bestimmungsgemäß eingesetzt werden – dies gilt auch dann, wenn die Heilzwecke verfehlt werden.

Die aktuelle Gesetzesfassung des § 224 StGB hat jedoch das Verhältnis von Oberbegriff und Unterbegriff genau umgekehrt. Waffen sind nur noch Beispiele für gefährliche Werkzeuge.

Darauf hat nunmehr das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 16.03.2022 – 1 WS 47/22 – Bezug genommen und entschieden, dass ein ärztliches Instrument auch in der Hand der Ärzt:innen bei bestimmungsgemäßer Verwendung eine gefährliche Körperverletzung begründet.

Im genannten Fall wurde einem Zahnarzt vorgeworfen, in mehr als 30 Fällen Patient:innen mittels einer Zange verschiedene Zähne gezogen zu haben, obwohl es aussichtsreiche andere Behandlungsalternativen gab. Diese „Beratung“ seiner Patient:innen ist deshalb erfolgt, weil der angeklagte Zahnarzt durch den anschließenden Zahnersatz einen höheren Verdienst hatte. Die Extraktion der Zähne wurde als zwingend notwendig empfohlen – was nicht lege artis war.

Das OLG Karlsruhe hat in dem genannten Beschluss die für die Extraktion verwendete Zange als gefährliches Werkzeug eingestuft. Dies gilt auch dann, obgleich der Einsatz der Zange von den Patient:innen gar nicht wahrgenommen wurde, weil sie lokal anästhesiert waren. Als schmerzhaft empfunden wurde der unmittelbare Eingriff nicht. Dies hinderte das OLG Karlsruhe nicht, eine gefährliche Körperverletzung anzunehmen.

Begründet wurde dies damit, dass die Schmerzen im Nachgang auftreten würden. Außerdem wurde die „Endgültigkeit“ der Zahnextraktion in den Vordergrund gestellt: Denn mit der Herausnahme des Zahnes wurde dieser vom versorgenden Nerv getrennt, was einen unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses bedeutet.

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe macht deutlich, wie groß strafrechtliche Haftungsrisiken der Ärzte sind und welche gravierenden Folgen Aufklärungsmängel nach sich ziehen können.

Ärzt:innen ist dringend nahezulegen, ein besonderes Augenmerk und eine besondere Sorgfalt auf eine ordnungsgemäße Aufklärung zu legen. Dies gilt umso mehr dann, wenn sie bei der Behandlung ärztliche Instrumente einsetzen, die Schmerzen zufügen können oder aber zu unwiederbringlichen Veränderungen bei der körperlichen Unversehrtheit der Patient:innen führen.

Die sorgfältige Dokumentation der Aufklärung spielt zwar für die Wirksamkeit einer Einwilligung eines Patienten keine Rolle. Die Dokumentation spielt aber eine gewichtige Rolle bei der forensischen Beweisführung. Fehlt es an der Dokumentation, fällt es beschuldigten Ärzt:innen regelmäßig schwer, die Behauptung von Patient:innen zu widerlegen, sie seien nicht sachgerecht aufgeklärt worden.

Wenn Sie als Ärzt:in mit strafbaren Vorwürfen konfrontiert werden, lassen Sie sich frühzeitig qualifiziert anwaltlich beraten. Diese anwaltliche Beratung sollte in jedem Fall erfolgen, bevor Sie als betroffene Ärzt:in eine Aussage bei der Polizei – oder aber im Rahmen der Durchsuchungssituation - gegenüber den Durchsuchungsbeamt:innen tätigen.

Wir als Anwälte raten grundsätzlich bei Durchsuchungen/Vernehmungen dazu zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen und schnellstmöglich einen Anwalt zu befragen.

Für eilige Fälle und für Notfälle – insbesondere bei Durchsuchungen – stehen wir Ihnen auch am Wochenende oder am Feiertag unter der Notrufnummer: 0179/4806223 zur Verfügung.

H

  • Hauptverhandlung
  • Hauptverhandlung

    Von einer Hauptverhandlung spricht man im Strafrecht, wenn grundsätzlich öffentlich vor Gericht ein strafrechtlicher Vorwurf überprüft wird. Das Hauptverfahren beginnt mit dem Eröffnungsbeschluss (Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung). Nach einer Vorbereitung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden (Termine, Terminsladungen der Zeuge, Sachverständigen etc.) beginnt die Hauptverhandlung mit dem sog. „Aufruf zur Sache“.

    Dieser Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) ist strafprozessual auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil ab diesem Zeitpunkt bestimmte prozessuale Handlungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sind. So ist bspw. die Rücknahme eines Einspruchs gegen den Strafbefehl ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) möglich. Nach dem Beginn der Hauptverhandlung muss die Staatsanwaltschaft der Einspruchsrücknahme zustimmen.

    Ob eine Hauptverhandlung eine Stunde dauert oder mehrere Tage, Wochen oder gar Jahre , hängt vom Umfang des Verfahrens, dem Umfang der Beweismittel (z.B. Anzahl der Zeugen) und auch davon ab, ob der Angeklagte geständig ist oder die Vorwürfe bestreitet. Bei einem geständigen Angeklagten kann naturgemäß die Dauer der Hauptverhandlung deutlich abgekürzt werden, was sich in der Regel am Strafmaß (sog. strafmildernde Wirkung eines Geständnisses) bemerkbar macht.

    Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich. Öffentlichkeit bedeutet, dass jeder Zugang zum Gericht hat, ohne dass eine Vorauswahl durch das Gericht oder sonst jemand getroffen werden kann. In Strafprozessen, die in der (Medien-) Öffentlichkeit ein gewisses Interesse gefunden haben, ist es möglich, einzelne Plätze bevorzugt für Medienvertreter zu reservieren. Dies ist Ausfluß der Meinungs- und Pressefreiheit.

    Der Angeklagte hat grundsätzlich keinen Einfluss darauf, wer im Zuschauerraum und damit in der Öffentlichkeit Platz nimmt und wer nicht. Es ist auch nicht zulässig und prozessual nicht möglich, das eigene Aussageverhalten davon abhängig zu machen, ob das Gericht bestimmte Personen „aus dem Gerichtssaal wirft“. Dies ist einem Gericht grundsätzlich verwehrt.

    Keineswegs ist es aber so, dass der Angeklagte und sein Verteidiger überhaupt keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben. Es gibt zahlreiche Konstellationen und Fälle, bei denen der Verteidiger beantragen kann, die Öffentlichkeit zumindest für Teile der Verhandlung auszuschließen. Dies gilt nicht nur für die Einlassung des Angeklagten, sondern auch für die verschiedenen Zeugenvernehmungen.

    Wichtig ist, dass ein Verteidiger in diesem Fall nach eingehender Beratung mit seinem Mandanten rechtzeitig den Antrag stellt. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit sollte auch sorgfältig begründet werden. Dies dient auch dazu, einen evtl. Fehler des Gerichts revisibel zu machen.

    In der Praxis erlebt man vielfach, dass Verteidiger nicht genügend vorbereitet sind, wenn es um Fragen der Öffentlichkeit geht. Häufig werden mündlich Anträge gestellt und nicht sorgfältig begründet. Dies hat oft zur Folge, dass das Gericht den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnt.

    Umgekehrt kann die Öffentlichkeit für den Verteidiger auch dazu genutzt werden herauszufinden, welche Zeugen beeinflusst sind oder wer sonst – aus dem Hintergrund – das Verfahren steuert. Als Verteidiger sollte man während einer Hauptverhandlung nicht nur den Blick nach vorne, also zum Gericht und zur Staatsanwaltschaft richten, sondern der Verteidiger muss immer auch die Öffentlichkeit im Blick haben. Es ist bemerkenswert, wer alles Interesse am Verlauf und dem Ausgang eines Strafverfahrens hat, aus welchem „Lager“ die interessierte Öffentlichkeit kommt, wie die verschiedenen Personen der Öffentlichkeit sich untereinander und miteinander verhalten und nicht zuletzt mit welchen Gesten und Zeichen versucht wird, auf den Angeklagten und sein Aussageverhalten Einfluss zu nehmen. All diese Aspekte sind für die Frage der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen entscheidend, etwa zur Frage, aus welchem „Lager“ ein Zeuge kommt; ob dieser Zeuge also eine sog. Belastungstendenz oder Begünstigungstendenz mitbringt.

    Manchmal ergeben sich für den Verteidiger aus dem Verhalten der Personen in der Öffentlichkeit auch Möglichkeiten, Anträge auf ergänzende Beweiserhebung zu stellen.

    Ein sorgfältger und umsichtiger Verteidiger wird deshalb die Beobachtung einer Hauptverhandlung durch die Öffentlichkeit genau im Blick haben. Er wird daraus die für seinen Mandanten wichtigen und ihm dienlichen Schlüsse ziehen und darauf strafprozessual reagieren.

    Die Hauptverhandlung selbst endet jeweils mit einer Abschlussentscheidung. Dies muss nicht zwingend ein Urteil sein. In vielen Fällen endet eine Hauptverhandlung auch durch einen Einstellungsbeschluss. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und auch mit Zustimmung des Verteidigers kann nämlich ein Strafverfahren noch in der laufenden Hauptverhandlung ohne Auflagen (§ 153 Abs. 2 StPO) oder aber mit Auflage (§ 153 a Abs. 2 StPO) eingestellt werden. Wenn ein Freispruch nicht erreicht werden kann, muss die Bemühung des Strafverteidigers in der laufenden Hauptverhandlung darauf gerichtet sein, zumindest eine Verurteilung zu verhindern. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Verteidiger aktiv auf die Verfahrenserledigung außerhalb eines Urteils hinwirkt.

    Schüchterne Zurückhaltung durch den Verteidiger oder passives Verhalten sind dabei fehl am Platze.

Hauptverhandlung

Von einer Hauptverhandlung spricht man im Strafrecht, wenn grundsätzlich öffentlich vor Gericht ein strafrechtlicher Vorwurf überprüft wird. Das Hauptverfahren beginnt mit dem Eröffnungsbeschluss (Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung). Nach einer Vorbereitung der Hauptverhandlung durch den Vorsitzenden (Termine, Terminsladungen der Zeuge, Sachverständigen etc.) beginnt die Hauptverhandlung mit dem sog. „Aufruf zur Sache“.

Dieser Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) ist strafprozessual auch deshalb von entscheidender Bedeutung, weil ab diesem Zeitpunkt bestimmte prozessuale Handlungen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sind. So ist bspw. die Rücknahme eines Einspruchs gegen den Strafbefehl ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung (Aufruf zur Sache) möglich. Nach dem Beginn der Hauptverhandlung muss die Staatsanwaltschaft der Einspruchsrücknahme zustimmen.

Ob eine Hauptverhandlung eine Stunde dauert oder mehrere Tage, Wochen oder gar Jahre , hängt vom Umfang des Verfahrens, dem Umfang der Beweismittel (z.B. Anzahl der Zeugen) und auch davon ab, ob der Angeklagte geständig ist oder die Vorwürfe bestreitet. Bei einem geständigen Angeklagten kann naturgemäß die Dauer der Hauptverhandlung deutlich abgekürzt werden, was sich in der Regel am Strafmaß (sog. strafmildernde Wirkung eines Geständnisses) bemerkbar macht.

Die Hauptverhandlung ist grundsätzlich öffentlich. Öffentlichkeit bedeutet, dass jeder Zugang zum Gericht hat, ohne dass eine Vorauswahl durch das Gericht oder sonst jemand getroffen werden kann. In Strafprozessen, die in der (Medien-) Öffentlichkeit ein gewisses Interesse gefunden haben, ist es möglich, einzelne Plätze bevorzugt für Medienvertreter zu reservieren. Dies ist Ausfluß der Meinungs- und Pressefreiheit.

Der Angeklagte hat grundsätzlich keinen Einfluss darauf, wer im Zuschauerraum und damit in der Öffentlichkeit Platz nimmt und wer nicht. Es ist auch nicht zulässig und prozessual nicht möglich, das eigene Aussageverhalten davon abhängig zu machen, ob das Gericht bestimmte Personen „aus dem Gerichtssaal wirft“. Dies ist einem Gericht grundsätzlich verwehrt.

Keineswegs ist es aber so, dass der Angeklagte und sein Verteidiger überhaupt keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben. Es gibt zahlreiche Konstellationen und Fälle, bei denen der Verteidiger beantragen kann, die Öffentlichkeit zumindest für Teile der Verhandlung auszuschließen. Dies gilt nicht nur für die Einlassung des Angeklagten, sondern auch für die verschiedenen Zeugenvernehmungen.

Wichtig ist, dass ein Verteidiger in diesem Fall nach eingehender Beratung mit seinem Mandanten rechtzeitig den Antrag stellt. Ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit sollte auch sorgfältig begründet werden. Dies dient auch dazu, einen evtl. Fehler des Gerichts revisibel zu machen.

In der Praxis erlebt man vielfach, dass Verteidiger nicht genügend vorbereitet sind, wenn es um Fragen der Öffentlichkeit geht. Häufig werden mündlich Anträge gestellt und nicht sorgfältig begründet. Dies hat oft zur Folge, dass das Gericht den Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit ablehnt.

Umgekehrt kann die Öffentlichkeit für den Verteidiger auch dazu genutzt werden herauszufinden, welche Zeugen beeinflusst sind oder wer sonst – aus dem Hintergrund – das Verfahren steuert. Als Verteidiger sollte man während einer Hauptverhandlung nicht nur den Blick nach vorne, also zum Gericht und zur Staatsanwaltschaft richten, sondern der Verteidiger muss immer auch die Öffentlichkeit im Blick haben. Es ist bemerkenswert, wer alles Interesse am Verlauf und dem Ausgang eines Strafverfahrens hat, aus welchem „Lager“ die interessierte Öffentlichkeit kommt, wie die verschiedenen Personen der Öffentlichkeit sich untereinander und miteinander verhalten und nicht zuletzt mit welchen Gesten und Zeichen versucht wird, auf den Angeklagten und sein Aussageverhalten Einfluss zu nehmen. All diese Aspekte sind für die Frage der Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Aussagen entscheidend, etwa zur Frage, aus welchem „Lager“ ein Zeuge kommt; ob dieser Zeuge also eine sog. Belastungstendenz oder Begünstigungstendenz mitbringt.

Manchmal ergeben sich für den Verteidiger aus dem Verhalten der Personen in der Öffentlichkeit auch Möglichkeiten, Anträge auf ergänzende Beweiserhebung zu stellen.

Ein sorgfältger und umsichtiger Verteidiger wird deshalb die Beobachtung einer Hauptverhandlung durch die Öffentlichkeit genau im Blick haben. Er wird daraus die für seinen Mandanten wichtigen und ihm dienlichen Schlüsse ziehen und darauf strafprozessual reagieren.

Die Hauptverhandlung selbst endet jeweils mit einer Abschlussentscheidung. Dies muss nicht zwingend ein Urteil sein. In vielen Fällen endet eine Hauptverhandlung auch durch einen Einstellungsbeschluss. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und auch mit Zustimmung des Verteidigers kann nämlich ein Strafverfahren noch in der laufenden Hauptverhandlung ohne Auflagen (§ 153 Abs. 2 StPO) oder aber mit Auflage (§ 153 a Abs. 2 StPO) eingestellt werden. Wenn ein Freispruch nicht erreicht werden kann, muss die Bemühung des Strafverteidigers in der laufenden Hauptverhandlung darauf gerichtet sein, zumindest eine Verurteilung zu verhindern. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Verteidiger aktiv auf die Verfahrenserledigung außerhalb eines Urteils hinwirkt.

Schüchterne Zurückhaltung durch den Verteidiger oder passives Verhalten sind dabei fehl am Platze.

K

  • Kindergeld und Steuerhinterziehung
  • Kindergeld und Steuerhinterziehung

    Die Berechtigung zum Erhalt von Kindergeld wird primär an die Einkommenssteuerpflicht geknüpft. Erhält ein Elternteil deshalb zu Unrecht Kindergeld, wird ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Der unberechtigte Erhalt von Kindergeld folgt deshalb den Regeln eines Steuerstrafverfahrens.

    Relevant wird die Frage, ob Kindergeld bezogen werden kann immer dann, wenn ein Umzug ins Ausland erfolgt.

    Leben deutsche Staatsangehörige im Ausland, muss zunächst die rechtliche Grundlage betrachtet werden, nach der Kindergeld bezahlt wird. Kindergeld wird entweder als Steuervergünstigung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder aber als Sozialleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gezahlt. Vorrang genießt der Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).

    Im Grunde kann man zur Frage der rechtlichen Grundlage für das Kindergeld wie folgt differenzieren:

    - Wenn der Antragsteller in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, so folgt der Bezug des Kindergeldes als Steuervergünstigung nach dem EStG;
    - Ist der Antragsteller demgegenüber in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so wird Kindergeld als Sozialleistung nach dem BKGG gewährt.

    a) Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG – unbeschränkt steuerpflichtig

    Anspruch auf Kindergeld aus dem EStG hat, wer in Deutschland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 62 Abs. EStG i.V.m. §§ 8, 9 AO).

    Auf Antrag können unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG auch Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, dann steht auch diesem Personenkreis ein Anspruch auf Kindergeld zu. Hierzu müssen (siehe § 1 Abs. 3 EStG) unter anderem mindestens 90 % der Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommenssteuer unterliegen.

    b) Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG – wohnhaft im Ausland und beschränkt steuerpflichtig

    Aus dem Bundeskindergeldgesetz kann sich ein Anspruch auf Kindergeld ergeben, wenn der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt außerhalb Deutschlands liegt und der Antragsteller beschränkt steuerpflichtig ist.

    Nach § 1 Abs. 4 EStG ist beschränkt steuerpflichtig, wer im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, im Inland aber Einkünfte nach § 49 EStG erzielt.

    Der Antragsteller muss – für den Erhalt von Kindergeld – eine der nachgenannten Voraussetzungen erfüllen:

    - Dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen;
    - Im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst oder Amtsverhältnisses jedenfalls vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert sein (darunter fallen etwas Diplomaten der Botschaft, Mitarbeiter der NATO etc.);
    - Als Entwicklungshelfer oder Missionar tätig sein;
    - Rente nach deutschen Vorschriften beziehen und in einem Mitgliedstaat der EU wohnen.

    Wichtig! Zu beachten ist stets:

    c) Voraussetzungen in der Person des Kindes

    Neben den zuvor genannten allgemeinen Voraussetzungen für Kindergeld besteht ein Anspruch nur dann, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. §§ 8, 9 AO) in Deutschland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR-Staat) hat. Diese Voraussetzung in der Person des Kindes gilt ungeachtet der Frage, ob die Ansprüche aus dem EStG oder dem BKGG abgeleitet werden.

    Fazit

    Zusammenfassend kann man sagen:

    Wer als deutscher Staatsangehöriger im Ausland lebt und in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem steht auch im Ausland ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG zu.

    Wer im Ausland wohnt und in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem kann ein Kindergeldanspruch als Sozialleistung nach dem BKGG zustehen.

    Sonderregelungen gelten für den Erhalt von Kindergeld für Grenzgänger. Arbeitet ein Elternteil beispielsweise in Österreich, obgleich die Familie in Deutschland wohnt, ist Österreich aufgrund der dortigen Erwerbstätigkeit primär zur Zahlung von Kindergeld verpflichtet. Der Kindergeldanspruch in Deutschland ruht solange. Deutschland stockt allerdings das Kindergeld auf, wenn die Ansprüche im grenznahen Ausland geringer sind.

    Kind zur Schulbildung /Studium / Berufsausbildung im Ausland

    Besonderheiten gelten auch, wenn das Kind in einem Staat außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Schul- oder Berufsausbildung aufhältig ist. Das gilt auch für ein dortiges Studium.

    Nach derzeit gültiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt es für den Erhalt von Kindergeld in Deutschland darauf an, ob das Kind durch regelmäßige Besuche in Deutschland seinen inländischen Wohnort nicht aufgegeben hat und diesen inländischen Wohnsitz aufgrund der starken Bindung zu seiner in Deutschland wohnhaften Familie beibehalten will. In der Regel ist der Bezug von Kindergeld dann unproblematisch, wenn der Auslandsaufenthalt weniger als 1 Jahr dauert.

    Entscheidend ist aber stets der Einzelfall.

    Besonderheiten bei türkischer Herkunft

    Hat ein deutscher Staatsangehöriger türkischer Abstammung in Deutschland seinen Wohnsitz und arbeitet er in Deutschland, ist er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Lebt sein Kind in der Türkei, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.

    Lebt nämlich ein Elternteil in Deutschland, kann Kindergeld in diesen Fällen nur bezogen werden, wenn das Kind in Deutschland, einem EU-Land oder in Island, Norwegen bzw. Lichtenstein wohnt. Die Türkei gehört explizit nicht dazu. Weil der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, kann er sich auch nicht auf das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit berufen. Dieses Abkommen gilt lediglich für türkische Arbeitnehmer.

    Anders ist es, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland lediglich beschränkt steuerpflichtig ist und mit seinem Kind in der Türkei lebt. In diesen Fällen kann ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, weil das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit diese Fälle erfasst.

    Wenn es um steuerstrafrechtliche Fragen beim angeblich unberechtigten Bezug von Kindergeld geht, kommt es stets auf den Einzelfall an. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob man sich überhaupt strafbar gemacht hat, sondern vor allem auch für die Frage der Strafzumessung.

    Fragen Sie deshalb in jedem Fall einen Rechtsanwalt.

Kindergeld und Steuerhinterziehung

Die Berechtigung zum Erhalt von Kindergeld wird primär an die Einkommenssteuerpflicht geknüpft. Erhält ein Elternteil deshalb zu Unrecht Kindergeld, wird ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Der unberechtigte Erhalt von Kindergeld folgt deshalb den Regeln eines Steuerstrafverfahrens.

Relevant wird die Frage, ob Kindergeld bezogen werden kann immer dann, wenn ein Umzug ins Ausland erfolgt.

Leben deutsche Staatsangehörige im Ausland, muss zunächst die rechtliche Grundlage betrachtet werden, nach der Kindergeld bezahlt wird. Kindergeld wird entweder als Steuervergünstigung nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder aber als Sozialleistung nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gezahlt. Vorrang genießt der Anspruch auf Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG).

Im Grunde kann man zur Frage der rechtlichen Grundlage für das Kindergeld wie folgt differenzieren:

- Wenn der Antragsteller in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, so folgt der Bezug des Kindergeldes als Steuervergünstigung nach dem EStG;
- Ist der Antragsteller demgegenüber in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig, so wird Kindergeld als Sozialleistung nach dem BKGG gewährt.

a) Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG – unbeschränkt steuerpflichtig

Anspruch auf Kindergeld aus dem EStG hat, wer in Deutschland seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist (§ 62 Abs. EStG i.V.m. §§ 8, 9 AO).

Auf Antrag können unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG auch Personen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, dann steht auch diesem Personenkreis ein Anspruch auf Kindergeld zu. Hierzu müssen (siehe § 1 Abs. 3 EStG) unter anderem mindestens 90 % der Einkünfte im Kalenderjahr der deutschen Einkommenssteuer unterliegen.

b) Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG – wohnhaft im Ausland und beschränkt steuerpflichtig

Aus dem Bundeskindergeldgesetz kann sich ein Anspruch auf Kindergeld ergeben, wenn der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt außerhalb Deutschlands liegt und der Antragsteller beschränkt steuerpflichtig ist.

Nach § 1 Abs. 4 EStG ist beschränkt steuerpflichtig, wer im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, im Inland aber Einkünfte nach § 49 EStG erzielt.

Der Antragsteller muss – für den Erhalt von Kindergeld – eine der nachgenannten Voraussetzungen erfüllen:

- Dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegen;
- Im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst oder Amtsverhältnisses jedenfalls vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert sein (darunter fallen etwas Diplomaten der Botschaft, Mitarbeiter der NATO etc.);
- Als Entwicklungshelfer oder Missionar tätig sein;
- Rente nach deutschen Vorschriften beziehen und in einem Mitgliedstaat der EU wohnen.

Wichtig! Zu beachten ist stets:

c) Voraussetzungen in der Person des Kindes

Neben den zuvor genannten allgemeinen Voraussetzungen für Kindergeld besteht ein Anspruch nur dann, wenn das Kind seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. §§ 8, 9 AO) in Deutschland oder einem Mitgliedstaat der Europäischen Union bzw. einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR-Staat) hat. Diese Voraussetzung in der Person des Kindes gilt ungeachtet der Frage, ob die Ansprüche aus dem EStG oder dem BKGG abgeleitet werden.

Fazit

Zusammenfassend kann man sagen:

Wer als deutscher Staatsangehöriger im Ausland lebt und in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem steht auch im Ausland ein Anspruch auf Kindergeld nach dem EStG zu.

Wer im Ausland wohnt und in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, dem kann ein Kindergeldanspruch als Sozialleistung nach dem BKGG zustehen.

Sonderregelungen gelten für den Erhalt von Kindergeld für Grenzgänger. Arbeitet ein Elternteil beispielsweise in Österreich, obgleich die Familie in Deutschland wohnt, ist Österreich aufgrund der dortigen Erwerbstätigkeit primär zur Zahlung von Kindergeld verpflichtet. Der Kindergeldanspruch in Deutschland ruht solange. Deutschland stockt allerdings das Kindergeld auf, wenn die Ansprüche im grenznahen Ausland geringer sind.

Kind zur Schulbildung /Studium / Berufsausbildung im Ausland

Besonderheiten gelten auch, wenn das Kind in einem Staat außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zur Schul- oder Berufsausbildung aufhältig ist. Das gilt auch für ein dortiges Studium.

Nach derzeit gültiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs kommt es für den Erhalt von Kindergeld in Deutschland darauf an, ob das Kind durch regelmäßige Besuche in Deutschland seinen inländischen Wohnort nicht aufgegeben hat und diesen inländischen Wohnsitz aufgrund der starken Bindung zu seiner in Deutschland wohnhaften Familie beibehalten will. In der Regel ist der Bezug von Kindergeld dann unproblematisch, wenn der Auslandsaufenthalt weniger als 1 Jahr dauert.

Entscheidend ist aber stets der Einzelfall.

Besonderheiten bei türkischer Herkunft

Hat ein deutscher Staatsangehöriger türkischer Abstammung in Deutschland seinen Wohnsitz und arbeitet er in Deutschland, ist er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Lebt sein Kind in der Türkei, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.

Lebt nämlich ein Elternteil in Deutschland, kann Kindergeld in diesen Fällen nur bezogen werden, wenn das Kind in Deutschland, einem EU-Land oder in Island, Norwegen bzw. Lichtenstein wohnt. Die Türkei gehört explizit nicht dazu. Weil der Antragsteller die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, kann er sich auch nicht auf das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit berufen. Dieses Abkommen gilt lediglich für türkische Arbeitnehmer.

Anders ist es, wenn ein türkischer Staatsangehöriger in Deutschland lediglich beschränkt steuerpflichtig ist und mit seinem Kind in der Türkei lebt. In diesen Fällen kann ein Anspruch auf Kindergeld bestehen, weil das deutsch-türkische Abkommen über soziale Sicherheit diese Fälle erfasst.

Wenn es um steuerstrafrechtliche Fragen beim angeblich unberechtigten Bezug von Kindergeld geht, kommt es stets auf den Einzelfall an. Dies gilt nicht nur für die Frage, ob man sich überhaupt strafbar gemacht hat, sondern vor allem auch für die Frage der Strafzumessung.

Fragen Sie deshalb in jedem Fall einen Rechtsanwalt.

O

  • Offener Vollzug
  • Offener Vollzug

    Wird eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so wird der Verurteilte zum Strafantritt geladen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Verurteilte bis zum Strafantritt nicht in Untersuchungshaft befindet.

    Der Strafvollzug findet grundsätzlich im geschlossenen Vollzug statt. Der Verurteilte ist also vom Strafantritt an durchgehend bis zu seiner (vorzeitigen) Entlassung in der JVA, und zwar sowohl tagsüber als auch nachts.

    Neben dem gelockerten Vollzug gibt es aber die Möglichkeit, den Strafvollzug im sog. offenen Vollzug zu vollstrecken.

    Offener Vollzug bedeutet, dass der Verurteilte tagsüber die Möglichkeit hat, außerhalb der JVA etwa einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Abends jedoch muss der Verurteilte auch im offenen Vollzug wieder zur JVA zurückkehren und in der JVA die Nacht verbringen. Erst am nächsten Morgen kann er wieder im Rahmen des offenen Vollzugs die JVA verlassen.

    Der offene Vollzug muss beantragt und sorgfältig vorbereitet werden. Nicht jeder Verurteilte eignet sich für den offenen Vollzug. Auch die Voraussetzungen sind von einem Bundesland zum anderen unterschiedlich. Denn Strafvollzug ist nach wie vor Ländersache. Gleiches gilt für die Regelungen des offenen Vollzugs.

    Die Vorbereitungen des offenen Vollzugs setzen grundsätzlich voraus, dass der Verurteilte eine Tätigkeit / eine Arbeitsstelle vorweisen kann. Der Arbeitgeber / Auftraggeber muss sich bereiterklären, den Verurteilten im Rahmen des offenen Vollzugs zu beschäftigen. Der Arbeitgeber / Auftraggeber wird dazu eingewiesen und angewiesen, bestimmte Pflichten zu übernehmen. So muss der Arbeitgeber / Auftraggeber z.B. die Verpflichtung übernehmen, den rechtzeitigen Arbeitsbeginn des Verurteilten während des offenen Vollzuges zu überwachen. Der Arbeitgeber wird angehalten, der JVA unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn der Verurteilte nicht wie vereinbart morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Arbeit erscheint.

    Nicht jede Arbeit und jede Tätigkeit eignet sich für den offenen Vollzug. Auch dies muss mit dem Verurteilten sorgfältig besprochen, geplant und vorbereitet werden. So eignen sich bspw. Tätigkeiten nicht, bei welchen der Verurteilte nicht rechtzeitig und sicher abends wieder in die JVA zurück kann (z.B. Tätigkeiten im Außendienst bundes- oder europaweit – Fernfahrer). Auch sind die Erfolgsaussichten der Bewilligung des offenen Vollzugs größer, wenn es sich um eine Überprüfbare Tätigkeit handelt, wie etwa eine Bürotätigkeit oder Tätigkeit in der Werkstatt /Produktion. Geeignet sind primär klassische abhängige Beschäftigungen, bei welchen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit von einem Arbeitsplatz aus zu verrichten hat. Je weniger Freiheiten ein Verurteilter dabei hat, desto größer sind erfahrungsgemäß die Zustimmungen zum offenen Vollzug zu erhalten.

    Selbstverständlich gibt es davon auch Ausnahmen, dies hängt ganz wesentlich von der Person und er Persönlichkeit des Verurteilten ab.

    Häufig wird gefragt, ob ein Verurteilter gleich vom ersten Tag an in den offenen Vollzug geladen werden kann. Dies würde bedeuten, dass der Verurteilte von Anfang an lediglich in der JVA schlafen muss, er tagsüber aber immer seiner früheren geregelten Tätigkeit nachgehen kann.

    Dies wird von einem Bundesland zum anderen gänzlich anders gehandhabt. So ist in Rheinland-Pfalz etwa – selbstverständlich bei entsprechender Vorbereitung, Planung und Antragstellung – es grundsätzilch möglich, sogar vom ersten Tag an in den offenen Vollzug zu gelangen. Selbstverständlich ist dies auch in Rheinland-Pfalz nicht der Regelfall.

    Deutlich strenger wird der Strafvollzug und der offene Vollzug in Baden-Württemberg oder Bayern gehandhabt. Erfahrungsgemäß dauert es mindestens ca. 3 Monate, bis offener Vollzug bewilligt wird.

    Aber auch dies erfordert eine umsichtige und vorbereitende Planung. Denn mit einem Arbeitgeber / Auftraggeber kann in vielen Fällen erreicht werden, dass der Verurteilte zunächst unbezahlten Urlaub erhält und er zunächst die ersten drei Monate sich im geschlossenen Vollzug bewähren kann. Willigt der Arbeitgeber ein, den Verurteilten im Anschluss daran im offenen Vollzug (weiter) zu beschäftigen, kann mit einer solchen Bestätigung des Arbeitgebers der offene Vollzug optimal vorbereitet werden.

    Offener Vollzug bedeutet aber nicht, dass der Verurteilte tagsüber völlig frei ist in seinen Entscheidungen. So ist der offene Vollzug nicht dafür geeignet, tagsüber seine Familie oder Freunde zu besuchen. Der offene Vollzug dient allein der Möglichkeit des Verurteilten, seiner geregelten Tätigkeit außerhalb der JVA nachzukommen. Der offene Vollzug ist somit ein Instrument der sog. „Resozialisierung“. Denn der Verurteilte verliert durch seine weitere Berufsausübung trotz Strafvollzug nicht seinen Bezug in das Leben außerhalb der JVA.

    Selbstverständlich spielen neben der Person und der Persönlichkeit des Verurteilten auch die Straftat, die Länge der verhängten Freiheitsstrafe, als auch das Verhalten des Verurteilten eine ganz entscheidende Rolle. So hat es ein Verurteilter deutlich leichter, in den offenen Vollzug zu gelangen, wenn er sich einsichtig und reuig zeigt. Ein Verurteilter, der nach seiner Verurteilung weiterhin jegliche Tatbeteiligung vehement bestreitet, wird erfahrungsgemäß nicht als geeigneter Kandidat für den offenen Vollzug gesehen.

    Dies führt vor allem dann in der praktischen Umsetzung zu Schwierigkeiten, wenn möglicher Weise ein fehlerhaftes Urteil (etwa im Rahmen eines Indizienprozesses) vorliegt. In solchen Fällen müssen mit dem Verurteilten die Vor- und Nachteile auch evtl. Wiederaufnahmeverfahren sorgfältig besprochen und abgewogen werden.

    Der offene Vollzug stellt zugleich eine Chance für den Verurteilten dar, sich zu „bewähren“. Denn wenn sich der Verurteilte an die Vorgaben im Rahmen des offenen Vollzugs pünktlich und zuverlässig hält, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass einer vorzeitigen Entlassung etwa nach der Hälfte oder aber nach 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe zugestimmt wird.

    Umgekehrt stellt der offene Vollzug aber gerade deshalb auch eine Gefahr im Strafvollzug dar. Gelingt es dem Verurteilten nämlich nicht, sich im offenen Vollzug zu „bewähren“, werden also Verstöße gegen die Regelungen und die Vorgaben im offenen Vollzug festgestellt, finden sich diese Verstöße auch fast immer in den Entscheidungen zur Reststrafenaussetzung nach der Hälfte bzw. 2/3 der Strafe. Vielfach erfährt man in der Praxis, dass bei Verstößen im Rahmen des offenen Vollzuges die JVA und ihr folgend die Staatsanwaltschaft die sog. Endstrafe fordert.

    Auch über diese Risiken muss der Strafverteidiger mit seinem Mandanten eingehend sprechen.

    Ein erfolgreicher Antrag auf Strafvollzug im offenen Vollzug stellt eine umsichtige und genaue Planung mit dem Verurteilten dar. Die größtmögliche Chance, offenen Vollzug bewilligt zu bekommen, erhält man dann, wenn Sie dies mit einem erfahrenen Strafverteidiger tun.

Offener Vollzug

Wird eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so wird der Verurteilte zum Strafantritt geladen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Verurteilte bis zum Strafantritt nicht in Untersuchungshaft befindet.

Der Strafvollzug findet grundsätzlich im geschlossenen Vollzug statt. Der Verurteilte ist also vom Strafantritt an durchgehend bis zu seiner (vorzeitigen) Entlassung in der JVA, und zwar sowohl tagsüber als auch nachts.

Neben dem gelockerten Vollzug gibt es aber die Möglichkeit, den Strafvollzug im sog. offenen Vollzug zu vollstrecken.

Offener Vollzug bedeutet, dass der Verurteilte tagsüber die Möglichkeit hat, außerhalb der JVA etwa einer geregelten Tätigkeit nachzugehen. Abends jedoch muss der Verurteilte auch im offenen Vollzug wieder zur JVA zurückkehren und in der JVA die Nacht verbringen. Erst am nächsten Morgen kann er wieder im Rahmen des offenen Vollzugs die JVA verlassen.

Der offene Vollzug muss beantragt und sorgfältig vorbereitet werden. Nicht jeder Verurteilte eignet sich für den offenen Vollzug. Auch die Voraussetzungen sind von einem Bundesland zum anderen unterschiedlich. Denn Strafvollzug ist nach wie vor Ländersache. Gleiches gilt für die Regelungen des offenen Vollzugs.

Die Vorbereitungen des offenen Vollzugs setzen grundsätzlich voraus, dass der Verurteilte eine Tätigkeit / eine Arbeitsstelle vorweisen kann. Der Arbeitgeber / Auftraggeber muss sich bereiterklären, den Verurteilten im Rahmen des offenen Vollzugs zu beschäftigen. Der Arbeitgeber / Auftraggeber wird dazu eingewiesen und angewiesen, bestimmte Pflichten zu übernehmen. So muss der Arbeitgeber / Auftraggeber z.B. die Verpflichtung übernehmen, den rechtzeitigen Arbeitsbeginn des Verurteilten während des offenen Vollzuges zu überwachen. Der Arbeitgeber wird angehalten, der JVA unverzüglich Meldung zu erstatten, wenn der Verurteilte nicht wie vereinbart morgens zu einem bestimmten Zeitpunkt bei der Arbeit erscheint.

Nicht jede Arbeit und jede Tätigkeit eignet sich für den offenen Vollzug. Auch dies muss mit dem Verurteilten sorgfältig besprochen, geplant und vorbereitet werden. So eignen sich bspw. Tätigkeiten nicht, bei welchen der Verurteilte nicht rechtzeitig und sicher abends wieder in die JVA zurück kann (z.B. Tätigkeiten im Außendienst bundes- oder europaweit – Fernfahrer). Auch sind die Erfolgsaussichten der Bewilligung des offenen Vollzugs größer, wenn es sich um eine Überprüfbare Tätigkeit handelt, wie etwa eine Bürotätigkeit oder Tätigkeit in der Werkstatt /Produktion. Geeignet sind primär klassische abhängige Beschäftigungen, bei welchen der Arbeitnehmer seine Tätigkeit von einem Arbeitsplatz aus zu verrichten hat. Je weniger Freiheiten ein Verurteilter dabei hat, desto größer sind erfahrungsgemäß die Zustimmungen zum offenen Vollzug zu erhalten.

Selbstverständlich gibt es davon auch Ausnahmen, dies hängt ganz wesentlich von der Person und er Persönlichkeit des Verurteilten ab.

Häufig wird gefragt, ob ein Verurteilter gleich vom ersten Tag an in den offenen Vollzug geladen werden kann. Dies würde bedeuten, dass der Verurteilte von Anfang an lediglich in der JVA schlafen muss, er tagsüber aber immer seiner früheren geregelten Tätigkeit nachgehen kann.

Dies wird von einem Bundesland zum anderen gänzlich anders gehandhabt. So ist in Rheinland-Pfalz etwa – selbstverständlich bei entsprechender Vorbereitung, Planung und Antragstellung – es grundsätzilch möglich, sogar vom ersten Tag an in den offenen Vollzug zu gelangen. Selbstverständlich ist dies auch in Rheinland-Pfalz nicht der Regelfall.

Deutlich strenger wird der Strafvollzug und der offene Vollzug in Baden-Württemberg oder Bayern gehandhabt. Erfahrungsgemäß dauert es mindestens ca. 3 Monate, bis offener Vollzug bewilligt wird.

Aber auch dies erfordert eine umsichtige und vorbereitende Planung. Denn mit einem Arbeitgeber / Auftraggeber kann in vielen Fällen erreicht werden, dass der Verurteilte zunächst unbezahlten Urlaub erhält und er zunächst die ersten drei Monate sich im geschlossenen Vollzug bewähren kann. Willigt der Arbeitgeber ein, den Verurteilten im Anschluss daran im offenen Vollzug (weiter) zu beschäftigen, kann mit einer solchen Bestätigung des Arbeitgebers der offene Vollzug optimal vorbereitet werden.

Offener Vollzug bedeutet aber nicht, dass der Verurteilte tagsüber völlig frei ist in seinen Entscheidungen. So ist der offene Vollzug nicht dafür geeignet, tagsüber seine Familie oder Freunde zu besuchen. Der offene Vollzug dient allein der Möglichkeit des Verurteilten, seiner geregelten Tätigkeit außerhalb der JVA nachzukommen. Der offene Vollzug ist somit ein Instrument der sog. „Resozialisierung“. Denn der Verurteilte verliert durch seine weitere Berufsausübung trotz Strafvollzug nicht seinen Bezug in das Leben außerhalb der JVA.

Selbstverständlich spielen neben der Person und der Persönlichkeit des Verurteilten auch die Straftat, die Länge der verhängten Freiheitsstrafe, als auch das Verhalten des Verurteilten eine ganz entscheidende Rolle. So hat es ein Verurteilter deutlich leichter, in den offenen Vollzug zu gelangen, wenn er sich einsichtig und reuig zeigt. Ein Verurteilter, der nach seiner Verurteilung weiterhin jegliche Tatbeteiligung vehement bestreitet, wird erfahrungsgemäß nicht als geeigneter Kandidat für den offenen Vollzug gesehen.

Dies führt vor allem dann in der praktischen Umsetzung zu Schwierigkeiten, wenn möglicher Weise ein fehlerhaftes Urteil (etwa im Rahmen eines Indizienprozesses) vorliegt. In solchen Fällen müssen mit dem Verurteilten die Vor- und Nachteile auch evtl. Wiederaufnahmeverfahren sorgfältig besprochen und abgewogen werden.

Der offene Vollzug stellt zugleich eine Chance für den Verurteilten dar, sich zu „bewähren“. Denn wenn sich der Verurteilte an die Vorgaben im Rahmen des offenen Vollzugs pünktlich und zuverlässig hält, dann ist die Wahrscheinlichkeit auch groß, dass einer vorzeitigen Entlassung etwa nach der Hälfte oder aber nach 2/3 der verhängten Freiheitsstrafe zugestimmt wird.

Umgekehrt stellt der offene Vollzug aber gerade deshalb auch eine Gefahr im Strafvollzug dar. Gelingt es dem Verurteilten nämlich nicht, sich im offenen Vollzug zu „bewähren“, werden also Verstöße gegen die Regelungen und die Vorgaben im offenen Vollzug festgestellt, finden sich diese Verstöße auch fast immer in den Entscheidungen zur Reststrafenaussetzung nach der Hälfte bzw. 2/3 der Strafe. Vielfach erfährt man in der Praxis, dass bei Verstößen im Rahmen des offenen Vollzuges die JVA und ihr folgend die Staatsanwaltschaft die sog. Endstrafe fordert.

Auch über diese Risiken muss der Strafverteidiger mit seinem Mandanten eingehend sprechen.

Ein erfolgreicher Antrag auf Strafvollzug im offenen Vollzug stellt eine umsichtige und genaue Planung mit dem Verurteilten dar. Die größtmögliche Chance, offenen Vollzug bewilligt zu bekommen, erhält man dann, wenn Sie dies mit einem erfahrenen Strafverteidiger tun.

P

  • Pflegefirma, Häusliche Krankenpflege, Abrechnungsbetrug
  • Pflegefirma, Häusliche Krankenpflege, Abrechnungsbetrug

    In jüngerer Zeit gibt es verstärkt Ermittlungen und strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Betreibern und Mitarbeitern von Pflegefirmen. In der Regel geht es um häufige Krankenpflegeleistungen, die nach SGB V mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Seltener demgegenüber sind Betrugsvorwürfe im Bereich der häuslichen Pflege nach SGB XI, für die die Pflegeversicherung einzustehen hat.

    Die politische Lage in Deutschland lässt es für Pflegefirmen schwer werden, ausreichend Pflegepersonal zu finden. Nicht nur die – verhältnismäßig – schlechten Verdienstmöglichkeiten für das Pflegepersonal, sondern vor allem auch die anstrengende Tätigkeit selbst schrecken vor allem deutsche Mitarbeiter ab, als Pflegekraft tätig zu sein.

    Man muss sich vergegenwärtigen, dass in vielen Fällen der häuslichen Krankenpflege, gerade bei intensivmedizinischer Krankenpflege, die Mitarbeiter 24 Stunden am Tag in einer fremden Umgebung sind. Vielfach werden die Pflegekräfte beim Patienten zu Hause untergebracht oder aber in nahegelegenen Hotels / Pensionen. Dies bringt eine Trennung von der eigenen Familie mit sich, ebenso eine Trennung vom Bekannten- und Freundeskreis.

    In dieser Not helfen sich Pflegefirmen vorwiegend mit ausländischen Pflegekräften. Solche kommen aus Ungarn, Bulgarien, Tschechien, vielfach aber auch aus dem außereuropäischen Ausland.

    Ein großes Problem stellen hierbei die Qualifikationen dieser Mitarbeiter dar. Auch wenn die ausländischen Pflegekräfte im Heimatland ausgebildete und examinierte Krankenschwestern / Krankenpfleger sind, stellt sich die Frage, inwieweit der ausländische Berufsabschluss in Deutschland die Ausführung der häuslichen Krankenpflege erlaubt. Hier gilt es eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften zu beachten, die vom Krankenpflegegesetz (KrPflG) über das Altenpflegegesetz (AltPflG) bis hin zum Bundesqualifikationsfeststellungsgesetz (BQSG) geregelt sind.

    Nach der im Moment vorherrschenden strafrechtlichen Rechtsprechung gilt im Übrigen eine sog. “streng sozialrechtliche Betrachtungsweise”; dies führt dazu, dass die Strafgerichte für die Beurteilung einer ausreichenden Qualifikation neben den gesetzlichen Regelungen vor allem auch die vertraglichen Vereinbarungen der Pflegefirmen mit den Krankenkassen zu berücksichtigen haben. Neben einem Rahmenvertrag werden in vielen Fällen auch individuelle Verträge für die häusliche Krankenpflege einzelner Patienten abgeschlossen. Die dort genannten Qualifikationen sind – ggf. im Wege der Auslegung – zu ermitteln und im Einzelfall zu überprüfen, ob die eingesetzten Pflegekräfte ausreichend qualifiziert sind.

    Bedauerlicher Weise spielt für die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise keine Rolle, ob die Patienten gut versorgt waren und es in keinem Fall zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben kam.

    Letztlich führt die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise der Strafgerichtsrechtsprechung auch zu einer immensen Schadenshöhe, weil eine Leistung als “nichts wert” gilt, wenn mit fehlerhaft qualifiziertem Personal häusliche Krankenpflege erbracht wurde. In machen Fällen gerät der verantwortliche Geschäftsführer eines Pflegeunternehmens dann in den Bereich vonn 7-stelligen Schadenssummen. Für eine Schadenssumme in dieser Größenordnung sieht die strafgerichtliche Rechtsprechung – was aus dem Steuerstrafrecht kommt – regelmäßig eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung vor.

    Wir haben besondere Erfahrungen im Bereich dieser Betrugsform. Es gibt vielfältig Verteidigungsmöglichkeiten, gerade im Zusammenhang mit der streng sozialrechtlichen Betrachtungsweise. Wir arbeiten in diesem Bereich mit qualifizierten sozialrechtlichen Rechtsanwaltskollegen zusammen, begleiten unsere Mandaten zu Gesprächen mit den Krankenkassen und argumentieren gegenüber den Ermittlungsbehörden mit einer sachgerechten Auslegung und einem richtigen Verständnis der jeweiligen Qualifikationen.

  • Präsentationsarzneimittel
  • Präsentationsarzneimittel

    Präsentationsarzneimittel werden ohne Rücksicht auf ihre pharmakologische Wirkung allein im Hinblick auf die durch ihre Bezeichnung oder Aufmachung geweckte Erwartung der Verbraucher als Arzneimittel verstanden. Nach der Rechtsprechung sind aus Gründen der Rechtssicherheit objektive Kriterien hierfür erforderlich. So ist zum Beispiel die Etikettierung wichtig, aber auch die Packungsbeilage, die bei einem verständigen Verbraucher den Eindruck erweckt, das Produkt besitze typische Eigenschaften eines Arzneimittels. Aber auch sonstige Hinweise können nach der Rechtsprechung Indizien für ein Präsentationsarzneimittel sein, wie etwa die Werbung für ein Produkt.

    Die Form der Darreichung des Produkts, also Tabletten, Kapseln oder Pillen haben heute demgegenüber keine entscheidende Aussagekraft mehr. Es findet sich auch eine Vielzahl von Nahrungsmitteln und vor allem Nahrungsergänzungsmitteln in der genannten Darreichungsform.

    Sofern in der Bewerbung eines Produktes Begriffe zu finden sind wie „Patient“ oder „Krankheit“ kann dies ein Indiz für ein (Präsentations-) Arzneimittel sein. Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffs der „Therapie“. Die Hersteller von Nahrungsmitteln/ Nahrungsergänzungsmitteln müssen deshalb bei der Formulierung der Produktinformationen und auch der Werbung vorsichtig sein, wenn sie nicht in die weitaus strengeren Regularien des Arzneimittelrechts (AMG) kommen wollen.

    Bei der Beschreibung eines Produktes gibt es arzneimitteltypische Bezeichnungen wie etwa „Forte“ oder „dolo“, die indiziell für ein Arzneimittel sprechen. Gleiches gilt auch für die Bezeichnung als „Retard“ oder aber die Bezeichnung des Produktes unter Verwendung des Bestandteils „…pharma“.

    Wenn in Produktbeschreibungen auch mit Fachinformationen geworben wird und dem Hinweis auf fachliche Beiträge von Ärzten oder Heilpraktikern, kann auch dies als Indiz verwendet werden für das Vorliegen eines Arzneimittels und gegen ein Nahrungs (-ergänzungs)mittel.

    Die Hersteller von Erzeugnissen sind die primär Verantwortlichen für dessen Qualifikation. Sie haben es durch die Bewerbung, Beschreibung und Formulierung ihres Produkts in der Hand, bei Verbrauchern den Eindruck hervorzurufen, es liege ein Nahrungsergänzungsmittel vor. Wird zu sehr „medizinisch“ geworben besteht die Gefahr
    der Einstufung eines Arzneimittels.

    Der Lebensmittelcharakter sollte deshalb bei der Bewerbung im Vordergrund stehen, will man erreichen, dass es ein Nahrungsmittel/Nahrungsergänzungsmittel bleibt.
    Für die Frage der Strafbarkeit § 95 AMG oder § 96 AMG ist die Einstufung und die Abgrenzung eines Präparates oder eines Produktes als Arzneimittel, Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Medizinprodukt oder Kosmetika von grundlegender Bedeutung.

Pflegefirma, Häusliche Krankenpflege, Abrechnungsbetrug

In jüngerer Zeit gibt es verstärkt Ermittlungen und strafrechtliche Vorwürfe gegenüber Betreibern und Mitarbeitern von Pflegefirmen. In der Regel geht es um häufige Krankenpflegeleistungen, die nach SGB V mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Seltener demgegenüber sind Betrugsvorwürfe im Bereich der häuslichen Pflege nach SGB XI, für die die Pflegeversicherung einzustehen hat.

Die politische Lage in Deutschland lässt es für Pflegefirmen schwer werden, ausreichend Pflegepersonal zu finden. Nicht nur die – verhältnismäßig – schlechten Verdienstmöglichkeiten für das Pflegepersonal, sondern vor allem auch die anstrengende Tätigkeit selbst schrecken vor allem deutsche Mitarbeiter ab, als Pflegekraft tätig zu sein.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass in vielen Fällen der häuslichen Krankenpflege, gerade bei intensivmedizinischer Krankenpflege, die Mitarbeiter 24 Stunden am Tag in einer fremden Umgebung sind. Vielfach werden die Pflegekräfte beim Patienten zu Hause untergebracht oder aber in nahegelegenen Hotels / Pensionen. Dies bringt eine Trennung von der eigenen Familie mit sich, ebenso eine Trennung vom Bekannten- und Freundeskreis.

In dieser Not helfen sich Pflegefirmen vorwiegend mit ausländischen Pflegekräften. Solche kommen aus Ungarn, Bulgarien, Tschechien, vielfach aber auch aus dem außereuropäischen Ausland.

Ein großes Problem stellen hierbei die Qualifikationen dieser Mitarbeiter dar. Auch wenn die ausländischen Pflegekräfte im Heimatland ausgebildete und examinierte Krankenschwestern / Krankenpfleger sind, stellt sich die Frage, inwieweit der ausländische Berufsabschluss in Deutschland die Ausführung der häuslichen Krankenpflege erlaubt. Hier gilt es eine Vielzahl von gesetzlichen Vorschriften zu beachten, die vom Krankenpflegegesetz (KrPflG) über das Altenpflegegesetz (AltPflG) bis hin zum Bundesqualifikationsfeststellungsgesetz (BQSG) geregelt sind.

Nach der im Moment vorherrschenden strafrechtlichen Rechtsprechung gilt im Übrigen eine sog. “streng sozialrechtliche Betrachtungsweise”; dies führt dazu, dass die Strafgerichte für die Beurteilung einer ausreichenden Qualifikation neben den gesetzlichen Regelungen vor allem auch die vertraglichen Vereinbarungen der Pflegefirmen mit den Krankenkassen zu berücksichtigen haben. Neben einem Rahmenvertrag werden in vielen Fällen auch individuelle Verträge für die häusliche Krankenpflege einzelner Patienten abgeschlossen. Die dort genannten Qualifikationen sind – ggf. im Wege der Auslegung – zu ermitteln und im Einzelfall zu überprüfen, ob die eingesetzten Pflegekräfte ausreichend qualifiziert sind.

Bedauerlicher Weise spielt für die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise keine Rolle, ob die Patienten gut versorgt waren und es in keinem Fall zu einer konkreten Gefährdung von Leib oder Leben kam.

Letztlich führt die streng sozialrechtliche Betrachtungsweise der Strafgerichtsrechtsprechung auch zu einer immensen Schadenshöhe, weil eine Leistung als “nichts wert” gilt, wenn mit fehlerhaft qualifiziertem Personal häusliche Krankenpflege erbracht wurde. In machen Fällen gerät der verantwortliche Geschäftsführer eines Pflegeunternehmens dann in den Bereich vonn 7-stelligen Schadenssummen. Für eine Schadenssumme in dieser Größenordnung sieht die strafgerichtliche Rechtsprechung – was aus dem Steuerstrafrecht kommt – regelmäßig eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung vor.

Wir haben besondere Erfahrungen im Bereich dieser Betrugsform. Es gibt vielfältig Verteidigungsmöglichkeiten, gerade im Zusammenhang mit der streng sozialrechtlichen Betrachtungsweise. Wir arbeiten in diesem Bereich mit qualifizierten sozialrechtlichen Rechtsanwaltskollegen zusammen, begleiten unsere Mandaten zu Gesprächen mit den Krankenkassen und argumentieren gegenüber den Ermittlungsbehörden mit einer sachgerechten Auslegung und einem richtigen Verständnis der jeweiligen Qualifikationen.

S

  • Scheinselbstständigkeit
  • Scheinselbstständigkeit

    Die sog. Scheinselbstständigkeit wird strafrechtlich unter den Begriff der “Schwarzarbeit” gefasst, weil es auch hierbei um die Frage geht, ob Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht nicht abgeführt worden sind. § 266 a StGB stellt das Vorenthalten und das Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter Strafe.

    Bei der Scheinselbstständigkeit geht es in der Praxis zumeist um die Abgrenzung zwischen einer echten Selbstständigkeit und einer Schein-Selbstständigkeit. Die Kriterien hierfür sind ebenso komplex wie umfangreich.

    Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sowohl im (Lohn-) Steuerrecht wie auch im Sozialversicherungsrecht Kriterien gibt und die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit sozialversicherungsrechtlich, lohnsteuerrechtlich und strafrechtlich unterschiedlich ausfallen kann und jeweils eigenen Regeln folgt.

    § 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) definiert – lohn-steuerrechtlich – Arbeitnehmer als Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Nach § 1 Abs. 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis dann vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (Öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvor-stand) seine Arbeitskraft schuldet.

    Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

    § 1 Abs. 3 LStDV sagt ferner aus, dass Arbeitnehmer nicht ist, wer Lieferungen oder sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um die Entgelte für diese Lieferungen oder sonstigen Leistungen handelt.

    Ob eine Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt oder aber auf Honorarbasis selbstständig erbracht wird, ist nicht nach der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Ausschlaggebend ist vielmehr die inhaltliche Ausgestaltung und die tatsächliche Durchführung. Ganz gleich also, ob über dem Vertrag “Freier Mitarbeiter” steht, ist entscheidend, ob dieser Mitarbeiter letztlich in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist oder aber ob er Unternehmer-initiative und Unternehmerrisiko tragen muss.

    Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, besteht – von wenigen Ausnahmen in der Rentenversicherung abgesehen – grundsätzlich keine Versicherungspflicht.

    Hinsichtlich der Lohnsteuer, die lediglich für den abhängig Beschäftigten abzuführen ist, ergeben sich weitere Abgrenzungskriterien aus den Einkommensteuerrichtlinien R 15.1 EStR und R 18.1 EStR. Dort finden sich beispielsweise weitere Abgrenzungskriterien zu verschiedenen Berufsgruppen, wie Versicherungsvertreter, Hausgewerbe-treibender, Heimarbeiter, Ärzte, Erfinder etc.. Die Richtlinie H 19.0 LStH gibt noch mehr Abgrenzungskriterien zu § 19 EStG an die Hand, die für die Abgrenzung von Arbeitnehmern zu Selbstständigen geprüft werden können. Darüber hinaus enthält die Richtlinie H 19.0 LStH eine Aufzählung einer Vielzahl von Berufsgruppen, die alphabetisch sortiert sind.

    Sozialversicherungsrechtlich bildet § 7 SGB IV die Rechtsgrundlage für die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit. Diese Regelung definiert den Begriff der unselbstständigen Beschäftigung. Darüber hinaus enthält das gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger zum 21.03.2019 (GR v. 21.03.2019 -II) detaillierte und ausführliche Aussagen zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zur echten Selbstständigkeit.

    Daneben gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung zu beachten.

    Die Frage, ob ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger erbringt, ist zum Teil schwierig zu beantworten. Die Grenze zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit ist fließend und häufig nicht eindeutig zu beantworten.

    Bei der Abgrenzung kommt es weniger auf eine formale Betrachtung, etwa die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Mitarbeiterver-hältnis an. Die tatsächliche Durchführung ist vielmehr ausschlaggebend, die in der
    strafrechtlichen Praxis durch eine umfangreiche Beweisaufnahme aufzuklären ist.

    Zusammengefasst lässt sich sagen, dass nur derjenige selbstständig ist, der Weisungen eines Dritten nicht zu befolgen hat und der auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet. Die entscheidenden Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit ist also eine (mehr oder weniger) freie Bestimmung und Gestaltung der Betätigung, insbesondere die Organisation und der Ablauf der eigenen Tätigkeit sowie die Möglichkeit, seine Leistung auf dem Markt unternehmerisch, also auch gegenüber mehreren Auftraggebern, anzubieten; man spricht auch von der sog. Unternehmerinitiative. Damit einher geht das verbundene Risiko der Entlohnung; der Selbstständige muss also auf eigene Rechnung am Markt tätig werden können (sog. Unternehmerrisiko).

    Der selbstständig Tätige kann mithin durch ein erfolgreiches Auftreten am Markt seine Vergütung steigern. Zugleich trägt er aber auch das wirtschaftliche Risiko, dass sich die von ihm angebotene Leistung nicht gewinnbringend vermarkten lässt. Eine Unternehmerinitiative kann sich auch darin zeigen, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, seinerseits die Arbeitsleistung durch Dritte, nämlich etwa durch von ihm selbst beschäftigte Arbeitnehmer oder Subunternehmer, erbringen zu lassen.

    Die für den Arbeitnehmer typischerweise fremd bestimmte Tätigkeit – in Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit – kann anhand von verschiedenen Merkmalen indiziert werden. Dabei kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die dort vorgefundene tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an. Merkmale, die für eine Arbeitnehmerschaft sprechen, können insbesondere sein:

    -persönliche Abhängigkeit

    -Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit

    -feste Arbeitszeiten

    -Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort

    -feste Bezüge

    -Urlaubsanspruch

    -Anspruch auf sonstige Sozialleistungen

    -Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall

    -Überstundenvergütung

    -zeitlicher Umfang der Dienstleistungen

    -Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit

    -kein Unternehmerrisiko

    -keine Unternehmerinitiative

    -kein Kapitaleinsatz

    -keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln

    -Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern

    -Eingliederung in den Betrieb

    -Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges

    -Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist

    Die vorgenannten Kriterien stammen aus der Richtlinie H 19.0 LStH.

    Weiter heißt es in der Richtlinie:

    “Diese Merkmale ergeben sich regelmäßig aus dem bei Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt sind und tatsächlich durchgeführt werden (…). Dabei sind die für oder gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale ihrer Bedeutung ent- sprechend gegeneinander abzuwägen. Die arbeitsrechtliche Fiktion eines Dienstverhältnisses ist steuerrechtlich nicht maßgebend (…).”

    Auch die Weisungsgebundenheit – als prägendes Merkmal einer abhängigen Beschäftigung – kann von einem Fall zum nächsten ganz anders gestaltet sein. So heißt es in der Richtlinie H 19.0 LStH zur Weisungsgebundenheit:

    “Die in § 1 Abs. 2 LStDV genannte Weisungsgebundenheit kann auf einem besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis beruhen, wie z.B. bei Beamten und Richtern, oder Ausfluss des Direktionsrechts sein, mit dem ein Arbeitgeber die Art und Weise, Ort, Zeit und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung bestimmt. Die Weisungsbefugnis kann eng aber auch locker sein, wie z.B. bei einem angestellten Chefarzt, der fachlich weitgehend eigenverant- lich handelt; entscheidend ist, ob die beschäftigte Person einer etwaigen Weisung bei der Art und Weise der Ausführung der ge- schuldeten Arbeitsleistung zu folgen verpflichtet ist oder ob ein solches Weisungsrecht nicht besteht. Maßgebend ist das Innenver- hältnis; die Weisungsgebundenheit muss im Auftreten der be- schäftigten Person nach außen nicht erkennbar werden (…). Die Eingliederung in einen Betrieb kann auch bei einer kurzfristigen Beschäftigung gegeben sein, wie z.B. bei einem Apothekervertreter als Urlaubsvertretung. Sie ist aber eher bei einfachen als bei gehobenen Arbeiten anzunehmen, z.B. bei einem Gelegenheitsarbeiter, der zu bestimmten unter Aufsicht durchzuführenden Arbeiten heran- gezogen wird. Die vorstehenden Kriterien gelten auch für die Ent- scheidung, ob ein sog. Schwarzarbeiter Arbeitnehmer des Auftrag- gebers ist.”

    Anwälte und Strafverteidiger können im Bereich der Scheinselbstständigkeit durch eine sorgfältige Argumentation und das klare Herausstellen der Merkmale, die der tatsächlichen Durchführung eines Vertrages ihr Gepräge geben, entscheidend auf den weiteren Verlauf eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Einfluss nehmen. Im Grenzbereich zwischen echter Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit, wenn möglicherweise verschiedene Behörden, Institutionen oder Personen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, lassen sich auch über den Tatvorsatz die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in eine Richtung lenken, dass der Betroffene mit einer Einstellung des Verfahrens oder aber einem Freispruch rechnen kann.

    Lassen Sie sich deshalb frühzeitig beraten.

  • Schwarzarbeit
  • Schwarzarbeit

    Der Vorwurf der Schwarzarbeit nimmt im wirtschaftsstrafrechtlichen Bereich einen immensen Stellenwert ein. Primär zuständig für die Ermittlungen ist hierbei das Hauptzollamt (HZA).

    Zum Bereich der Schwarzarbeit werden nicht nur solche (eindeutigen) Fälle gezählt, bei denen Mitarbeiter ohne jede Anmeldung (also vollständig “schwarz”) beschäftigt werden. Auch diejenigen Fälle sind unproblematisch, bei denen ein Mitarbeiter geringfügig beschäftigt oder teilzeitbeschäftigt ist, tatsächlich aber Vollzeit arbeitet. In der Strafrechtpraxis werden vielfach die gemeldeten Löhne formal ordnungsgemäß der Sozialversicherungspflicht unterworfen und der formal richtig angemeldete Lohn durch Überweisung an den Arbeitnehmer bezahlt. Der darüber hinausgehende “Schwarzlohnanteil” wird regelmäßig bar an den Mitarbeiter überlassen.

    Häufig werden in der Praxis über fingierte Betriebsausgaben in Form von Scheinrechnungen liquide Mittel generiert, um Barvermögen zur Auszahlung von Schwarzlohnzahlungen zur Verfügung zu haben. In diesen Fällen liegt neben einem Schwarzarbeitsverfahren regelmäßig auch ein steuerstrafrechtliches Verfahren aufgrund der Verbuchung von Scheinrechnungen vor.

    Den Arbeitgeber (das kann auch eine Kapitalgesellschaft, also eine GmbH, AG, GmbH & Co.KG etc. sein) trifft in diesen Fällen eine hohe Beitragsnachforderung sowohl gegenüber den Krankenkassen, als auch gegenüber den Finanzämtern/Stadt (Gewerbesteuer). Daneben haftet der tatsächlich Verantwortliche persönlich mit seinem gesamten Privatvermögen aufgrund seiner deliktischen/strafbaren Verhaltensweise für den gesamten Sozialversicherungsschaden und Steuerschaden.

    Hinzugesetzt werden in den Bescheiden/Haftungsbescheiden neben den Zinsen auch Säumniszuschläge, die gerade im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht bei lange zurückliegenden Zeiträumen enorm zu Buche schlagen. So betragen die Säumniszuschläge bei nachzuentrichtenden Sozialversicherungsbeiträgen 1% des ausstehenden Beitrages. Im Steuer- (- straf -) recht werden für die nachzuentrichtenden Steuern 0,5% pro Monat, mithin also 6% pro Jahr an Zinsen fällig. Wird eine Steuer mittels eines Steuerbescheides (nachträglich) festgesetzt und wird die Steuerschuld nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt, so ist für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1% des rückständigen Steuerbetrages zu bezahlen.

    Schwierig ist die Frage der Schwarzarbeit im Bereich der sog. Scheinselbstständigkeit zu beurteilen. In diesen Fällen ist die betreffende Person – vordergründig betrachtet – selbstständig. In vielen Fällen “fühlt sich” dieser Auftragnehmer auch selbstständig. Bei genauerem Hinsehen aber kann sich eine solche “selbstständige Tätigkeit” als bloßer Schein entpuppen.

    Auch der Bereich der Scheinselbstständigkeit gehört zur Schwarzarbeit und zum Wirtschaftsstrafrecht.

    Die Abgrenzung zwischen Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit wird in einem gesonderten Artikel dargestellt.

    Die Fälle der Schwarzarbeit führen in der Praxis aufgrund der enormen Beitrags-nachforderungen und Steuerzahlungen vielfach nicht nur zum wirtschaftlichen Ruin und zur Insolvenz des Arbeitgebers/der Arbeitgeberin, sondern auch zum persönlichen Ruin, zur Privatinsolvenz oder zur Abgabe der Vermögensauskunft bei dem handelnden Geschäftsführer oder dem faktischen Geschäftsführer sowie den weiteren dafür verantwortlichen Personen.

    Daneben wird die Schwarzarbeit auch hartnäckig von den zuständigen Ermittlungsbehörden (Straf- und Bußgeldsachenstelle / Hauptzollamt / Staatsanwaltschaft) verfolgt. Aufgrund der entstehenden hohen Nachzahlungen und den damit verbundenen hohen Schäden strafrechtlicher Art enden die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Bereich der Schwarzarbeit häufig nicht mit einer Einstellung gegen Geldauflage nach § 153 a StPO, sondern im Strafbefehlswege oder aber im Rahmen einer Anklage nach einer öffentlichen Hauptverhandlung durch Urteil.

    Wenn Sie Fragen zum Bereich der Schwarzarbeit haben oder selbst Beschuldigte/-r eines solchen Verfahrens sind, kontaktieren Sie uns frühzeitig, damit so früh wie möglich die Weichen im Strafverfahren richtig gestellt werden können.

  • Strafantritt und Strafaufschub
  • Strafantritt und Strafaufschub

    Ladung zum Strafantritt und Strafaufschub

    Sobald eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung vorliegt und nicht bereits Untersuchungshaft vollstreckt wird, wird man zum Strafantritt in die zuständige Justizvollzugsanstalt geladen.

    1.

    Die zuständige Justizvollzugsanstalt ergibt sich aus den Vollstreckungsplänen der Bundesländer. Grundsätzlich sind die Justizvollzugsanstalten für bestimmte Strafarten in bestimmten Bezirken zuständig.

    Die Zuständigkeit richtet sich nach Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit und Vollzugsdauer. Auch Merkmale wie Wohn- oder Aufenthaltsort sind entscheidend.

    Die einzelnen Vollstreckungspläne kann man online aufrufen.

    Hier finden Sie beispielsweise den Vollstreckungsplan Baden-Württemberg: https://vollstreckungsplan.online/vp_bw_vollstrpl_20150414.pdf

    Eine Abweichung vom Vollstreckungsplan ist möglich. Es kann beispielsweise eine Verlegung oder Ladung in eine -eigentlich unzuständige- Justizvollzugsanstalt beantragt werden, um eine größere Nähe zum Heimatort und der Familie zu gewährleisten, da stets der Resozialisierungsgedanke im Vordergrund steht.

     

    2.

    Die Ladung enthält eine Frist, innerhalb derer die Strafe angetreten werden muss.

    Gerade im Hinblick auf den weiteren Vollzug (Lockerungen, offener Vollzug u.a.) ist es dringend anzuraten, diese Frist einzuhalten. Auch kann bei Nichtantritt oder bei Fluchtgefahr ein Vorführungsbefehl oder ein Haftbefehl zur Vollstreckung erlassen werden.

    Es besteht jedoch die Möglichkeit vor Strafantritt einen Vollstreckungsaufschub zu beantragen, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen, § 456 Abs. 1 StPO.

    Der Aufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen, § 456 Abs. 2 StPO. Eventuell macht die Vollstreckungsbehörde (idR die Staatsanwaltschaft) den Aufschub von einer Sicherheitsleistung oder einer anderen Bedingung abhängig.

    Gegen die ablehnende Entscheidung der Vollstreckungsbehörde hinsichtlich des Aufschubs kann gerichtliche Entscheidung beantragt werden und sofern das Gericht den Aufschub weiterhin ablehnt, kann sofortige Beschwerde erhoben werden.

     

    Sollten Sie eine Ladung zum Strafantritt erhalten haben und hierzu Fragen haben, können Sie sich jederzeit an uns wenden. Wir beraten Sie gerne.

     

  • Strafbefehl
  • Strafbefehl

    Ein Strafbefehl wird gelegentlich, aber irrtümlich (!) wie ein Bußgeldbescheid wahrgenommen – schließlich steht auch im Strafbefehl ein Gesetzesverstoß und zumeist eine Geldsumme, die bezahlt werden soll. Die Folgen eines Strafbefehls können allerdings weitaus gravierender sein.

    Was ist ein Strafbefehl?

    Ein Strafbefehl wird von der Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht beantragt. Er entspricht im Aufbau zunächst einer Anklageschrift. Die Besonderheit besteht jedoch darin, dass neben der Anklage, also dem auf den Einzelfall bezogenen Strafvorwurf, darüber hinaus bereits eine konkrete Rechtsfolge benannt wird. Häufig ist diese Rechtsfolge eine Geldstrafe, möglich sind allerdings auch Nebenstrafen (etwa ein Fahrverbot) oder sogar eine Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Der zuständige Richter prüft diesen Strafbefehlsantrag aufgrund der Aktenlage und fertigt diesen aus, wenn er die Einschätzung der Staatsanwaltschaft teilt. Nach der Ausfertigung entspricht der Strafbefehl einem Urteil. Es existiert also ein „Urteil“, ohne dass jemals eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat.

    Sodann wird der Strafbefehl der beschuldigten Person zugestellt. Der Strafbefehl wird rechtskräftig, wenn nicht frist- und formgerecht Rechtsmittel eingelegt wird. Es muss also innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt werden. Andernfalls ist der Strafbefehl nicht mehr anfechtbar.

    Was sind die Vor- und Nachteile eines Strafbefehls?

    Der Vorteil für Staatsanwaltschaft und Gericht liegt im Strafbefehlsverfahren darin, dass eine Hauptverhandlung vermieden und das Verfahren schnell erledigt wird. Für den Beschuldigten kann dies durchaus ebenfalls vorteilhaft sein. So fallen Gerichtsgebühren niedriger aus und es findet keine stigmatisierende öffentliche Hauptverhandlung statt.

    Der Nachteil für die beschuldigte Person liegt darin, dass sie keine Gelegenheit hatte sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erklären und die Vorwürfe auszuräumen. Auch kennt sie nicht die konkreten Beweismittel, auf die die Justiz ihre Einschätzung stützt. Im Strafbefehl werden lediglich Beweismittel, wie etwa die Namen der Zeugen, benannt.

    Was sind die Folgen?

    Da ein rechtskräftiger Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil entspricht, gilt der Adressat des Strafbefehls als verurteilt. Für die Eintragung im Bundeszentralregister macht es keinen Unterschied, ob die rechtskräftige Strafe auf einem Urteil oder einem Strafbefehl beruht. Das bedeutet, dass neben der genannten Strafe weitere schwerwiegende Einschnitte auf die dann verurteilte Person zukommen können, die im Strafbefehl selbst nicht benannt sind. Dies können z.B. sein: Schadensersatzforderungen, berufs- oder arbeitsrechtliche, fahrerlaubnisrechtliche und ausländerrechtliche Konsequenzen.

    Was kann man tun?

    Wenn man mit der Strafe einverstanden und sich der weiteren Konsequenzen durch eine Verurteilung bewusst ist, kann man den Strafbefehl akzeptieren. Hierzu muss nichts weiter getan werden. Der Strafbefehl wird nach zwei Wochen rechtskräftig und kann nicht mehr angefochten werden.

    Wenn man mit der Strafe nicht einverstanden ist oder unsicher ist, ob die Strafe gerechtfertigt ist, muss der Einspruch form- und fristgerecht (binnen zwei Wochen) erfolgen. Hierzu sollten Sie zeitnah nach Erhalt des Strafbefehls einen Verteidiger beauftragen. Es ist nicht Voraussetzung, dass der Einspruch von einem Verteidiger eingelegt wird. Allerdings raten wir Ihnen dringend hierzu einen Strafverteidiger zu beauftragen. Einerseits besteht die Gefahr, dass der Einspruch unwirksam eingelegt wird. Andererseits kann der Verteidiger zu einem Zeitpunkt die Verteidigung aufnehmen, in der die Weichen für einen positiven Ausgang des Verfahrens gestellt. Hierzu wird er Einsicht in die Gerichtsakte beantragen und sich mit Ihnen über die Erfolgsaussichten einer Verteidigung beraten.

    Kann es nach dem Einspruch schlimmer werden?

    Wenn der Einspruch wirksam eingelegt wurde, wird das Gericht einen Termin zur mündlichen Hauptverhandlung bestimmen. Das Gericht ist dann nicht mehr an den Strafvorschlag gebunden, es kann daher auch eine höhere Strafe verhängen. Allerdings kann der Einspruch zurückgenommen werden. Dies ist bis zum Beginn der Hauptverhandlung einseitig möglich. (Hat der Termin der Hauptverhandlung begonnen, müssen zur Rücknahme Staatsanwaltschaft und Gericht zustimmen.).

  • Strafentschädigung
  • Strafentschädigung

    Stellt sich nach Abschluss eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens heraus, dass Strafverfolgungsmaßnahmen – wie beispielsweise Untersuchungshaft oder die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis – zu Unrecht eingeleitet wurden, stellt sich in der Regel die Frage nach dem entsprechenden Ausgleich.

    Das Strafentschädigungsgesetz (StrEG) gewährt bei unrechtmäßigen Strafverfolgungsmaßnahmen den Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden.

    Es ist zu beachten, dass freisprechende Urteile zwar grundsätzlich eine Kostenentscheidung enthalten, mit welcher die Kosten der Staatskasse auferlegt werden. Hierunter fallen jedoch nicht die Entschädigungsansprüche nach dem StrEG.
    Diese müssen gesondert geltend gemacht werden.

    Das Entschädigungsverfahren ist unterteilt in das Grund- und das Betragsverfahren.

    Im Rahmen des Grundverfahrens wird geprüft und festgestellt, ob ein Entschädigungsanspruch besteht, §§ 8, 9 StrEG. Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig eingestellt, so unterrichtet sie den Entschädigungsberechtigten über seinen Anspruch. Dieser muss anschließend innerhalb einer Monatsfrist einen Antrag an das zuständige Gericht (das Amtsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft) stellen, um die Entschädigungspflicht der Staatskasse feststellen zu lassen.

    Liegt eine positive Entschädigungsgrundentscheidung vor oder hat das Gericht im Rahmen eines freisprechenden Urteils bereits die Entschädigungspflicht festgestellt, so schließt sich das Betragsverfahren an, §§ 10, 7 StrEG.
    Der Anspruch ist innerhalb von sechs Monaten bei der Staatsanwaltschaft geltend zu machen, welche die Ermittlungen im ersten Rechtszug zuletzt geführt hat.

    Im Antrag ist die Höhe der Schadenspositionen zu benennen und ggfs. entsprechende Belege beizufügen.

    Für die Höhe des Anspruchs ist § 7 StrEG ausschlaggebend.

    Bei materiellen Schäden (Vermögensschäden) sind die jeweiligen Schäden darzulegen und nachzuweisen. Hierunter fallen insbesondere entgangener Gewinn, Nutzungsausfall bzgl. des KfZ, Urlaub, Nachteile bezüglich der Rentenversicherung, Mehrkosten/ Fahrtkosten aufgrund vorläufiger Entziehung der Fahrerlaubnis.

    Unter immateriellem Schaden ist der Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen zu verstehen. In den meisten Fällen betrifft dies die Entschädigung für eine zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft.

    In diesem Fall wird eine Pauschale gewährt: 25 Euro pro angefangenem Tag des Freiheitsentzuges, § 7 Abs. 3 StrEG.

    Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass eine Freiheitsentziehung ohne gerichtliche Entscheidung (z.B. vorläufige Festnahme) keine immaterielle Entschädigungspflicht nach sich zieht.

    Selbstverständlich können bei freiheitsentziehenden Maßnahmen auch materielle Ansprüche entstehen und entschädigt werden, so beispielsweise der Verlust der Wohnung und der damit einhergehenden Kosten oder der Verlust des Arbeitsplatzes.

    Wenn Sie Fragen zu den Strafentschädigungsansprüchen haben, so wenden Sie sich bitte frühzeitig an uns, sodass die entsprechenden Fristen gewahrt werden können und wir Sie ausführlich beraten können.

Scheinselbstständigkeit

Die sog. Scheinselbstständigkeit wird strafrechtlich unter den Begriff der “Schwarzarbeit” gefasst, weil es auch hierbei um die Frage geht, ob Sozialversicherungsbeiträge zu Unrecht nicht abgeführt worden sind. § 266 a StGB stellt das Vorenthalten und das Veruntreuen von Arbeitsentgelt unter Strafe.

Bei der Scheinselbstständigkeit geht es in der Praxis zumeist um die Abgrenzung zwischen einer echten Selbstständigkeit und einer Schein-Selbstständigkeit. Die Kriterien hierfür sind ebenso komplex wie umfangreich.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass es sowohl im (Lohn-) Steuerrecht wie auch im Sozialversicherungsrecht Kriterien gibt und die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit sozialversicherungsrechtlich, lohnsteuerrechtlich und strafrechtlich unterschiedlich ausfallen kann und jeweils eigenen Regeln folgt.

§ 1 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) definiert – lohn-steuerrechtlich – Arbeitnehmer als Personen, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Nach § 1 Abs. 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis dann vor, wenn der Angestellte (Beschäftigte) dem Arbeitgeber (Öffentliche Körperschaft, Unternehmer, Haushaltsvor-stand) seine Arbeitskraft schuldet.

Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitsgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

§ 1 Abs. 3 LStDV sagt ferner aus, dass Arbeitnehmer nicht ist, wer Lieferungen oder sonstige Leistungen innerhalb der von ihm selbstständig ausgeübten gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit im Inland gegen Entgelt ausführt, soweit es sich um die Entgelte für diese Lieferungen oder sonstigen Leistungen handelt.

Ob eine Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausgeübt oder aber auf Honorarbasis selbstständig erbracht wird, ist nicht nach der Bezeichnung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Ausschlaggebend ist vielmehr die inhaltliche Ausgestaltung und die tatsächliche Durchführung. Ganz gleich also, ob über dem Vertrag “Freier Mitarbeiter” steht, ist entscheidend, ob dieser Mitarbeiter letztlich in den Betrieb seines Auftraggebers eingegliedert ist oder aber ob er Unternehmer-initiative und Unternehmerrisiko tragen muss.

Liegt eine selbstständige Tätigkeit vor, besteht – von wenigen Ausnahmen in der Rentenversicherung abgesehen – grundsätzlich keine Versicherungspflicht.

Hinsichtlich der Lohnsteuer, die lediglich für den abhängig Beschäftigten abzuführen ist, ergeben sich weitere Abgrenzungskriterien aus den Einkommensteuerrichtlinien R 15.1 EStR und R 18.1 EStR. Dort finden sich beispielsweise weitere Abgrenzungskriterien zu verschiedenen Berufsgruppen, wie Versicherungsvertreter, Hausgewerbe-treibender, Heimarbeiter, Ärzte, Erfinder etc.. Die Richtlinie H 19.0 LStH gibt noch mehr Abgrenzungskriterien zu § 19 EStG an die Hand, die für die Abgrenzung von Arbeitnehmern zu Selbstständigen geprüft werden können. Darüber hinaus enthält die Richtlinie H 19.0 LStH eine Aufzählung einer Vielzahl von Berufsgruppen, die alphabetisch sortiert sind.

Sozialversicherungsrechtlich bildet § 7 SGB IV die Rechtsgrundlage für die Abgrenzung von echter Selbstständigkeit zur Scheinselbstständigkeit. Diese Regelung definiert den Begriff der unselbstständigen Beschäftigung. Darüber hinaus enthält das gemeinsame Rundschreiben der Sozialversicherungsträger zum 21.03.2019 (GR v. 21.03.2019 -II) detaillierte und ausführliche Aussagen zur Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung zur echten Selbstständigkeit.

Daneben gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung zu beachten.

Die Frage, ob ein Beschäftigter seine Arbeitsleistung als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger erbringt, ist zum Teil schwierig zu beantworten. Die Grenze zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit ist fließend und häufig nicht eindeutig zu beantworten.

Bei der Abgrenzung kommt es weniger auf eine formale Betrachtung, etwa die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsvertrag oder freies Mitarbeiterver-hältnis an. Die tatsächliche Durchführung ist vielmehr ausschlaggebend, die in der
strafrechtlichen Praxis durch eine umfangreiche Beweisaufnahme aufzuklären ist.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass nur derjenige selbstständig ist, der Weisungen eines Dritten nicht zu befolgen hat und der auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitet. Die entscheidenden Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit ist also eine (mehr oder weniger) freie Bestimmung und Gestaltung der Betätigung, insbesondere die Organisation und der Ablauf der eigenen Tätigkeit sowie die Möglichkeit, seine Leistung auf dem Markt unternehmerisch, also auch gegenüber mehreren Auftraggebern, anzubieten; man spricht auch von der sog. Unternehmerinitiative. Damit einher geht das verbundene Risiko der Entlohnung; der Selbstständige muss also auf eigene Rechnung am Markt tätig werden können (sog. Unternehmerrisiko).

Der selbstständig Tätige kann mithin durch ein erfolgreiches Auftreten am Markt seine Vergütung steigern. Zugleich trägt er aber auch das wirtschaftliche Risiko, dass sich die von ihm angebotene Leistung nicht gewinnbringend vermarkten lässt. Eine Unternehmerinitiative kann sich auch darin zeigen, dass der Auftragnehmer berechtigt ist, seinerseits die Arbeitsleistung durch Dritte, nämlich etwa durch von ihm selbst beschäftigte Arbeitnehmer oder Subunternehmer, erbringen zu lassen.

Die für den Arbeitnehmer typischerweise fremd bestimmte Tätigkeit – in Abgrenzung zur selbstständigen Tätigkeit – kann anhand von verschiedenen Merkmalen indiziert werden. Dabei kommt es auf den jeweiligen Einzelfall und die dort vorgefundene tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses an. Merkmale, die für eine Arbeitnehmerschaft sprechen, können insbesondere sein:

-persönliche Abhängigkeit

-Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit

-feste Arbeitszeiten

-Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort

-feste Bezüge

-Urlaubsanspruch

-Anspruch auf sonstige Sozialleistungen

-Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall

-Überstundenvergütung

-zeitlicher Umfang der Dienstleistungen

-Unselbstständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit

-kein Unternehmerrisiko

-keine Unternehmerinitiative

-kein Kapitaleinsatz

-keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln

-Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern

-Eingliederung in den Betrieb

-Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolges

-Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist

Die vorgenannten Kriterien stammen aus der Richtlinie H 19.0 LStH.

Weiter heißt es in der Richtlinie:

“Diese Merkmale ergeben sich regelmäßig aus dem bei Beschäftigung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis, sofern die Vereinbarungen ernsthaft gewollt sind und tatsächlich durchgeführt werden (…). Dabei sind die für oder gegen ein Dienstverhältnis sprechenden Merkmale ihrer Bedeutung ent- sprechend gegeneinander abzuwägen. Die arbeitsrechtliche Fiktion eines Dienstverhältnisses ist steuerrechtlich nicht maßgebend (…).”

Auch die Weisungsgebundenheit – als prägendes Merkmal einer abhängigen Beschäftigung – kann von einem Fall zum nächsten ganz anders gestaltet sein. So heißt es in der Richtlinie H 19.0 LStH zur Weisungsgebundenheit:

“Die in § 1 Abs. 2 LStDV genannte Weisungsgebundenheit kann auf einem besonderen öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnis beruhen, wie z.B. bei Beamten und Richtern, oder Ausfluss des Direktionsrechts sein, mit dem ein Arbeitgeber die Art und Weise, Ort, Zeit und Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung bestimmt. Die Weisungsbefugnis kann eng aber auch locker sein, wie z.B. bei einem angestellten Chefarzt, der fachlich weitgehend eigenverant- lich handelt; entscheidend ist, ob die beschäftigte Person einer etwaigen Weisung bei der Art und Weise der Ausführung der ge- schuldeten Arbeitsleistung zu folgen verpflichtet ist oder ob ein solches Weisungsrecht nicht besteht. Maßgebend ist das Innenver- hältnis; die Weisungsgebundenheit muss im Auftreten der be- schäftigten Person nach außen nicht erkennbar werden (…). Die Eingliederung in einen Betrieb kann auch bei einer kurzfristigen Beschäftigung gegeben sein, wie z.B. bei einem Apothekervertreter als Urlaubsvertretung. Sie ist aber eher bei einfachen als bei gehobenen Arbeiten anzunehmen, z.B. bei einem Gelegenheitsarbeiter, der zu bestimmten unter Aufsicht durchzuführenden Arbeiten heran- gezogen wird. Die vorstehenden Kriterien gelten auch für die Ent- scheidung, ob ein sog. Schwarzarbeiter Arbeitnehmer des Auftrag- gebers ist.”

Anwälte und Strafverteidiger können im Bereich der Scheinselbstständigkeit durch eine sorgfältige Argumentation und das klare Herausstellen der Merkmale, die der tatsächlichen Durchführung eines Vertrages ihr Gepräge geben, entscheidend auf den weiteren Verlauf eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens Einfluss nehmen. Im Grenzbereich zwischen echter Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit, wenn möglicherweise verschiedene Behörden, Institutionen oder Personen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, lassen sich auch über den Tatvorsatz die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren in eine Richtung lenken, dass der Betroffene mit einer Einstellung des Verfahrens oder aber einem Freispruch rechnen kann.

Lassen Sie sich deshalb frühzeitig beraten.

T

  • Team-Time-Out
  • Team-Time-Out

    Immer wieder kommt es bei Operationen zu Fehlern durch die behandelnden Ärzte, die unter bestimmten Umständen auch zu einer strafrechtlichen Verantwortung des behandelnden Arztes führen können. Um die Wahrscheinlichkeit solcher Fehler einzugrenzen, wurden vom Gesetzgeber bestimmte Abläufe vorgeschrieben. Unter anderem muss vor jeder Operation ein sog. Team-Time-Out durchgeführt werden.

    Das sog. Team-Time-Out stellt eine letzte Sicherheitsstufe vor operativen Eingriffen dar.

    Mit dem Team-Time-Out werden vor Beginn der eigentlichen Operation ein letztes Mal die wesentlichen Eckdaten abgefragt und durch das anwesende Operationsteam auf eine breitere Basis gestellt. So werden beim Team-Time-Out in mehreren Stufen wiederholt von allen an der Operation beteiligten Personen

    - der Patient identifiziert,
    - die Besonderheiten des Eingriffs kurz besprochen und
    - der Eingriffsort nochmals wiederholt und bestätigt.

    Die Team-Time-Out-Prozedur dient also der Durchführung der abschließenden Verifikation des richtigen Patienten, des richtigen Eingriffs, des richtigen Eingriffsortes, der richtigen Lagerung des Patienten, der Bereitstellung der richtigen Implantate und der erforderlichen Spezialapparaturen bzw. Spezialinstrumente.

    In der Regel wird bereits vor der Übernahme in den OP durch die Anästhesiepflegekraft mit der Überprüfung der vorgenannten Eckdaten begonnen. Der Anästhesist setzt dies unmittelbar vor der Narkoseeinleitung beim noch wachen Patienten durch eine Befragung und parallelen Abgleich mit den vorliegenden Einwilligungsdokumenten fort.

    Als Patient haben Sie sich vielleicht schon gefragt, warum Ihnen im Rahmen einer Operation und deren Vorbereitung mehrfach die gleichen Fragen gestellt werden. Sie müssen dadurch nicht verunsichert sein, die Ärzte, Anästhesisten und weiteren beteiligten Akteure sind nicht etwa unwissend, ihnen fehlt auch nicht die Kenntnis über Ihre Person als Patient bzw. die bevorstehende Behandlung. Diese Fragen sind vielmehr beabsichtigt und dienen in besonderem Maße Ihrer eigenen Sicherheit.

    Das eigentliche und letzte Team-Time-Out findet unmittelbar vor Beginn des operativen Eingriffs statt. Dieses bekommen Sie als Patient im anästhesierten Zustand zumeist nicht mehr mit.

    Dieses Team-Time-Out findet im Operationssaal statt, der Patient ist bereits korrekt für den bevorstehenden Eingriff gelagert.

    Vor dem ersten operativen Hautschnitt werden ein letztes Mal die genannten Eckdaten abgefragt und kollektiv geprüft. Während des Team-Time-Outs ruhen alle Aktivitäten, wobei die Sicherheit des Patienten dabei nicht gefährdet ist. Die Konzentration aller an der Operation beteiligten Personen ist auf die aktive Verifizierung gerichtet.

    Durch Ansage und Vergleich werden die folgenden Punkte geprüft:

    - die richtige Identität des Patienten
    - die richtige Seite und der richtige Eingriffsort
    - Einigkeit hinsichtlich des vorgesehenen Eingriffs
    - die richtige Lagerung des Patienten
    - das Vorhandensein der richtigen Implantate und Spezialinstrumente.

    Das Team-Time-Out wird von einem qualifizierten Koordinator initiiert. Er ist ein Mitglied des OP-Teams, in der Regel der Operateur oder Anästhesist.

    Die Durchführung des Team-Time-Out ist in Deutschland standardmäßig formalisiert. In der Patientenakte ist deshalb bei operativen Eingriffen ein Formular über die Einhaltung und Durchführung des Team-Time-Outs vorhanden.

    Die Durchführung und ordnungsgemäße Dokumentation des Team-Time-Outs stellt nicht nur für die an der Operation beteiligten Ärzte, Anästhesisten und weitere beteiligte Personen eine wichtige Sorgfaltspflicht dar, sondern vor allem auch für den Krankenhausträger. Denn die Einhaltung der anerkannten Sicherheitsstandards (sog. Verkehrssicherungspflicht) wird damit dokumentiert. Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung und Dokumentation des Team-Time-Out können haftungsrechtliche Risiken, vor allem aber auch strafrechtliche Risiken (etwa wegen Körperverletzung durch den operativen Eingriff) begrenzt werden.

    Wenn Sie Fragen zu einer ordnungsgemäßen Durchführung einer Operation oder strafrechtliche Folgen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Kanzlei. Unser Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Behandlung und Bearbeitung von medizinstrafrechtlichen Fragestellungen.

Team-Time-Out

Immer wieder kommt es bei Operationen zu Fehlern durch die behandelnden Ärzte, die unter bestimmten Umständen auch zu einer strafrechtlichen Verantwortung des behandelnden Arztes führen können. Um die Wahrscheinlichkeit solcher Fehler einzugrenzen, wurden vom Gesetzgeber bestimmte Abläufe vorgeschrieben. Unter anderem muss vor jeder Operation ein sog. Team-Time-Out durchgeführt werden.

Das sog. Team-Time-Out stellt eine letzte Sicherheitsstufe vor operativen Eingriffen dar.

Mit dem Team-Time-Out werden vor Beginn der eigentlichen Operation ein letztes Mal die wesentlichen Eckdaten abgefragt und durch das anwesende Operationsteam auf eine breitere Basis gestellt. So werden beim Team-Time-Out in mehreren Stufen wiederholt von allen an der Operation beteiligten Personen

- der Patient identifiziert,
- die Besonderheiten des Eingriffs kurz besprochen und
- der Eingriffsort nochmals wiederholt und bestätigt.

Die Team-Time-Out-Prozedur dient also der Durchführung der abschließenden Verifikation des richtigen Patienten, des richtigen Eingriffs, des richtigen Eingriffsortes, der richtigen Lagerung des Patienten, der Bereitstellung der richtigen Implantate und der erforderlichen Spezialapparaturen bzw. Spezialinstrumente.

In der Regel wird bereits vor der Übernahme in den OP durch die Anästhesiepflegekraft mit der Überprüfung der vorgenannten Eckdaten begonnen. Der Anästhesist setzt dies unmittelbar vor der Narkoseeinleitung beim noch wachen Patienten durch eine Befragung und parallelen Abgleich mit den vorliegenden Einwilligungsdokumenten fort.

Als Patient haben Sie sich vielleicht schon gefragt, warum Ihnen im Rahmen einer Operation und deren Vorbereitung mehrfach die gleichen Fragen gestellt werden. Sie müssen dadurch nicht verunsichert sein, die Ärzte, Anästhesisten und weiteren beteiligten Akteure sind nicht etwa unwissend, ihnen fehlt auch nicht die Kenntnis über Ihre Person als Patient bzw. die bevorstehende Behandlung. Diese Fragen sind vielmehr beabsichtigt und dienen in besonderem Maße Ihrer eigenen Sicherheit.

Das eigentliche und letzte Team-Time-Out findet unmittelbar vor Beginn des operativen Eingriffs statt. Dieses bekommen Sie als Patient im anästhesierten Zustand zumeist nicht mehr mit.

Dieses Team-Time-Out findet im Operationssaal statt, der Patient ist bereits korrekt für den bevorstehenden Eingriff gelagert.

Vor dem ersten operativen Hautschnitt werden ein letztes Mal die genannten Eckdaten abgefragt und kollektiv geprüft. Während des Team-Time-Outs ruhen alle Aktivitäten, wobei die Sicherheit des Patienten dabei nicht gefährdet ist. Die Konzentration aller an der Operation beteiligten Personen ist auf die aktive Verifizierung gerichtet.

Durch Ansage und Vergleich werden die folgenden Punkte geprüft:

- die richtige Identität des Patienten
- die richtige Seite und der richtige Eingriffsort
- Einigkeit hinsichtlich des vorgesehenen Eingriffs
- die richtige Lagerung des Patienten
- das Vorhandensein der richtigen Implantate und Spezialinstrumente.

Das Team-Time-Out wird von einem qualifizierten Koordinator initiiert. Er ist ein Mitglied des OP-Teams, in der Regel der Operateur oder Anästhesist.

Die Durchführung des Team-Time-Out ist in Deutschland standardmäßig formalisiert. In der Patientenakte ist deshalb bei operativen Eingriffen ein Formular über die Einhaltung und Durchführung des Team-Time-Outs vorhanden.

Die Durchführung und ordnungsgemäße Dokumentation des Team-Time-Outs stellt nicht nur für die an der Operation beteiligten Ärzte, Anästhesisten und weitere beteiligte Personen eine wichtige Sorgfaltspflicht dar, sondern vor allem auch für den Krankenhausträger. Denn die Einhaltung der anerkannten Sicherheitsstandards (sog. Verkehrssicherungspflicht) wird damit dokumentiert. Bei einer ordnungsgemäßen Durchführung und Dokumentation des Team-Time-Out können haftungsrechtliche Risiken, vor allem aber auch strafrechtliche Risiken (etwa wegen Körperverletzung durch den operativen Eingriff) begrenzt werden.

Wenn Sie Fragen zu einer ordnungsgemäßen Durchführung einer Operation oder strafrechtliche Folgen haben, wenden Sie sich gerne an unsere Kanzlei. Unser Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Behandlung und Bearbeitung von medizinstrafrechtlichen Fragestellungen.

U

  • Untersuchungshaft / U-Haft
  • Untersuchungshaft / U-Haft

    Die Untersuchungshaft – kurz U-Haft genannt – ist der denkbar schwerste Eingriff in die (Freiheits-) Rechte der Bürger. Denn mit der Untersuchungshaft (U-Haft) wird ein noch unschuldiger Bürger seiner Fortbewegungsfreiheit beraubt; er kommt ins Gefängnis. Die Untersuchungshaft ist dabei nicht etwa eine vorgezogene Strafe. Vielmehr dient die Untersuchungshaft (U-Haft) der Verfahrenssicherung.

    Die Untersuchungshaft (U-Haft) braucht nämlich für ihre Anordnung einen Haftgrund. Solche Haftgründe sind u.a.

    -die Flucht
    -die Fluchtgefahr
    -die Verdunkelungsgefahr sowie
    -die Wiederholungsgefahr.

    Daneben gibt es den Haftgrund der sog. Schwerstkriminalität, der in der Regel bei Kapitalstrafsachen wie Mord, Totschlag etc. angeordnet wird.

    Wie sich insbesondere aus den in der Praxis häufigsten Haftgründen der Verdunkelungsgefahr und der Fluchtgefahr ergibt, liegt die Verfahrenssicherung darin, dass der Beschuldigte durch die Inhaftierung sich seinem Strafverfahren stellt und er in der Hauptverhandlung anwesend ist (Fluchtgefahr / Flucht); bei der Verdunkelungsgefahr demgegenüber will die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft und Polizei) sicherstellen, dass während des Ermittlungsverfahrens keine unlautere Einflussnahme auf Beweismittel vorgenommen wird. Eine solche unlautere Einflussnahme wird z.B. bejaht, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte auf Zeugen einwirkt, um diese zu einem bestimmten Aussageverhalten zu veranlassen oder wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte etwa Urkunden vernichtet oder sonstige Tatwerkzeuge oder Tatmittel bzw. aus der Tat erlangte Beute beiseite schafft.

    Untersuchungshaft (U-Haft) setzt stets den Erlass eines Haftbefehls (U-Haft-Befehl) voraus. Dies ist stets ein richterlicher Beschluss.

    Nicht verwechselt werden darf die sog. vorläufige Festnahme mit der Untersuchungshaft.

    Bei der vorläufigen Festnahme wird ein Verdächtiger / Beschuldigter von der Polizei – wie der Name bereits sagt – vorläufig festgenommen. Dies setzt lediglich einen Polizeiverwaltungsakt voraus, nämlich die Festnahmeerklärung. Eines richterlichen Beschlusses dafür bedarf es noch nicht. Es reicht auch Anfangsverdacht aus, wobei die vorläufige Festnahme erforderlich, notwendig und angemessen sein muss, um bestimmte polizeiliche Zwangsmaßnahmen (wie etwa eine erkennungsdienstliche Behandlung, eine Durchsuchung etc. durchzuführen.

    Bei der vorläufigen Festnahme wird der Verdächtige / Beschuldigte in der Regel mit dem Polizeifahrzeug auf das Polizeirevier mitgenommen. Dort kann er in einer Verwahrzelle verwahrt werden, bis die polizeilichen Maßnahmen (z.B. die ED-Behandlung) abgeschlossen ist. Eine vorläufige Festnahme darf in der Bundesrepublik Deutschland aber niemals länger dauern als 24 Stunden (beginnend ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme). Es ist grundrechtlich vorgeschrieben, dass ein unschuldiger Bürger, wozu auch die Verdächtigen / Beschuldigten gehören, so lange sie nicht rechtskräftig verurteilt wurden, längstens innerhalb von 24 Stunden einem Haftrichter vorzuführen sind oder aber freizulassen sind.

    Bei der Vorführung vor den Haftrichter hat der Haftrichter zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Erlasses eines Untersuchungshaftbefehls (U-Haftbefehles) vorliegen.

    Der Erlass eines Untersuchungshaftbefehles (U-Haftbefehles) setzt neben dem vorgenannten Haftgrund (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr etc. auch dringenden Tatverdacht voraus. Außerdem darf der Vollzug der Untersuchungshaft (also die Inhaftierung) nicht außer Verhältnis zu der Verdächtigten Straftat stehen. Die verdächtigte Straftat muss also ein gewisses Gewicht haben, sie muss eine gewisse Schwere haben.

    Wenn es um U-Haft-Fragen geht, ist es zwingend notwendig, sich unverzüglich anwaltlichen Beistand zu suchen. Dies geschieht häufig auch durch die Angehörigen, weil ja der Verdächtige / Beschuldigte durch seine Inhaftierung dazu nicht mehr in der Lage ist. Wenn es um den Erlass eines Haftbefehles geht, muss der Rechtsanwalt / Strafverteidiger unverzüglich handeln. Ein zeitlicher Aufschub ist nicht möglich. Alle anderen Dinge des Rechtsanwalts / Strafverteidigers sind zurückzustellen.

    Für diese Zwecke habe ich ein Notdiensttelefon eingerichtet mit einer mobilen Erreichbarkeit für 24 Stunden, auch an Wochenenden.

    Notdienst-Nummer lautet: 0179 / 480 6223.

    Wenn der Haftbefehl noch nicht erlassen wurde, kann mit dem Beschuldigten in vielen Fällen noch erreicht werden, dass er auf freien Fuß kommt. Dies muss in einer sofortigen Besprechung geschehen, noch bevor der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt wird. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Rechtsanwalt als Strafverteidiger den Beschuldigten in der Verwahrzelle des Polizeipräsidiums / des Amtsgerichts (Haftrichters) aufsucht.

    Ein erfahrener Strafverteidiger weiß auch, dass er einen Anspruch darauf hat, von den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft / Polizei) Informationen darüber zu erhalten, aus welchen Gründen der Haftbefehl erlassen werden soll. Der erfahrene Strafverteidiger versteht es auch, diese Rechte durchzusetzen. In der Praxis zeigt sich manchmal, dass die (Kriminal-) Polizei versucht, Strafverteidiger möglichst lange aus dem Verfahren rauszuhalten; denn mit der Einschaltung eines Strafverteidigers wird naturgemäß die Arbeit der Kriminalpolizei erschwert. Denn der Strafverteidiger klärt seinen Mandanten über seine Rechte – natürlich auch über seine Pflichten- auf (z.B. über sein Schweigerecht).

    Wenn der Erlass eines Haftbefehls nicht mehr abgewendet werden kann, so geben viele Fälle Anlass dazu, zumindest eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen. Bei einer Außervollzugsetzung wird der Haftbefehl zwar erlassen, der Beschuldigte muss aber dennoch nicht ins Gefängnis. Der Vollzug der Untersuchungshaft wird vielmehr gegen Auflagen zurückgestellt.

    Auf diese Möglichkeit muss der Strafverteidiger den Haftrichter hinweisen und vielleicht auch bestimmte Auflagen anbieten.

    Solche Auflagen können sein eine regelmäßige Meldepflicht bei einer Polizeidienststelle, ein Kontaktverbot – etwa mit Mitbeschuldigten / Zeugen – oder auch eine Kautionsleistung. Gerade bei einer Kaution (Sicherheitsleistung durch Geld) muss der Verteidiger mit dem Beschuldigten oder aber dessen Angehörigen oder Freunden sprechen, inwieweit eine Kautionszahlung möglich ist.

    Kann der Erlass eines Haftbefehl nicht verhindert werden oder wird der Strafverteidiger etwa nach Erlass eines Haftbefehls beauftragt, ist es erforderlich, dass der Strafverteidiger den Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) unverzüglich aufsucht. Auch muss der Strafverteidiger regelmäßig Kontakt zu seinem Mandanten in der JVA halten und ihm über den jeweiligen Stand der Ermittlungen berichten. In der Praxis ist der Strafverteidiger häufig auch der Vermittler zwischen dem inhaftierten Beschuldigten und dessen Angehörigen / Freunden. Diese machen sich zu Recht Sorgen über ihren inhaftierten Freund / Verwandten und wollen wissen, wie lange die Untersuchungshaft (-U-Haft) noch andauert. Wenn der Strafverteidiger von seinem Mandanten von seiner Schweigepflicht entbunden wird, dann darf / muss der Strafverteidiger darüber mit den Angehörigen sprechen.

    Der Strafverteidiger ist aber auch für zahlreiche weitere Fragen während der der Untersuchungshaft (-U-Haft) der Ansprechpartner. So kümmere ich mich auch um Besuchserlaubnisse für die Angehörigen / Freunde, den Umstand, dass der Beschuldigte in der Haft Geld auf seinem Gefangenenkonto (für Einkäufe etc.) hat, saubere und frische Kleidung erhält etc.

    Meine oberste Pflicht als Strafverteidiger sehe ich jedoch darin, täglich das laufende Verfahren darauf zu überwachen, ob nicht eine Entlassung aus der Untersuchungshaft (-U-Haft) möglich ist. Der Haftbefehl muss nicht kommentarlos hingenommen werden. Der Beschuldigte / sein Verteidiger haben verschiedene Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit eines Haftbefehls überprüfen zu lassen.

    Eine Haftprüfung kann beantragt werden, wodurch der Haftbefehl zunächst vor dem Haftrichter überprüft wird, der ihn auch erlassen hat. Dort können (neue) Argumente oder auch tatsächlicher Sachvortrag vorgetragen werden, wodurch der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr rechtmäßig ist und vielleicht eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht werden kann. Der Beschuldigte wird zu diesem Zweck aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Der Beschuldigte ist also bei der Haftprüfung anwesend.

    Daneben kann der Beschuldigte / sein Verteidiger jederzeit Haftbeschwerde beantragen. Bei der Haftbeschwerde wird in rechtlicher Hinsicht die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls überprüft. Bei der Haftbeschwerde entscheidet in der Regel das höhere Gericht (in der Regel das Landgericht) darüber, ob der Haftrichter den Haftgrund, die dringenden Verdachtsgründe sowie die Verhältnismäßigkeit zu Recht bejaht hat.

    Die Dauer der Untersuchungshaft (U-Haft) ist grundsätzlich zeitlich nicht befristet. Je länger aber die Untersuchungshaft dauert, desto größer wird der (Freiheits) Anspruch des Beschuldigten. Die Praxis zeigt, dass bei einer Untersuchungshaft von mehr als 6 Monaten die Strafverfolgungsbehörde bedeutsame und gewichtige Gründe anführen muss, um die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls über 6 Monate hinaus zu begründen. Die Grenze von 6 Monaten ist für die Ermittlungsbehörden deshalb eine gefährliche, weil kraft Gesetzes nach 6 Monaten das Oberlandesgericht (OLG) über die Rechtmäßigkeit des Fortbestandes der Untersuchungshaft entscheiden muss. Viele OLG`s sind recht streng mit ihren Ermittlungsbehörden und haben keine Hemmungen, bei entsprechenden Argumenten des Beschuldigten / Verteidigers, den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft aufzuheben und den Beschuldigten auf freien Fuß zu setzen.

    Spätestens nach einem Jahr Untersuchungshaft (auch nach einem Jahr muss das Oberlandesgericht von Gesetzes wegen entscheiden) entfallen für die Strafverfolgungsbehörde jegliche Argumente für die Aufrechterhaltung des Haftbefehls (eine Ausnahme gilt allenfalls in äußerst komplexen und umfangreichen Verfahren wie Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, mehrfache Mordverfahren etc.).

    Die Untersuchungshaft (-U-Haft) ist für die Betroffenen und deren Familie in den meisten Fällen ein tiefgreifender Einschnitt. Der Verteidiger muss erfahren sein und die notwendige Kompetenz haben, auf Augenhöhe mit den Strafverfolgungsbehörden den „Kampf um die Rechte des Beschuldigten“ aufzunehmen. Für den Verteidiger hat seine Tätigkeit bei Haftsachen oberste Priorität. Der Strafverteidiger muss sich stets bewusst machen, dass sein Mandant unschuldig im Gefängnis sitzt.

  • Unternehmensstrafrecht
  • Unternehmensstrafrecht

    Aufgrund unserer wirtschaftsstrafrechtlichen und steuerstrafrechtlichen Spezialisierung sind wir in vielen Bereichen des sog. “Unternehmensstrafrechts” tätig.

    Das Unternehmensstrafrecht stellt nicht etwa ein eigenes Rechtsgebiet dar. Vielmehr geht es um strafbare Vorwürfe, die aus der unternehmerischen Betätigung heraus resultieren. Ganz gleich, ob es sich um große Konzerne, mittelständische Unternehmen oder aber kleinere Betriebe oder Handwerksfirmen handelt, die Zahl von Gesetzen und Rechtsvorschriften, deren Verletzung straf- oder bussgeldbewehrt ist, ist unüberschaubar. Ständig kommen neue Vorschriften hinzu oder alte Vorschriften werden geändert – kaum hat man sie einmal verinnerlicht.

    Deshalb geraten Unternehmen häufig in das Visier von Ermittlungsbehörden.

    Dabei geht es nicht nur um strafrechtliche Kernvorschriften, wie etwa das strafbare Nichtabführen von Sozialabgaben (§ 266 a StGB) , Betrug (§ 263 StGB) oder aber Untreue (§ 266 StGB) bzw. Bestechungsvorwürfe, sondern vielfach auch um Arbeitnehmerschutzvorschriften oder Unfallverhütungsregelungen.

    Aufgrund der Vielzahl von Behörden, öffentlichen Stellen oder Ämtern ist auch die Gefahr groß, dass Ermittlungsbehörden von Amts wegen Kenntnis von möglichen Verstößen erlangen. So erstatten häufig Berufsgenossenschaften (im Falle eines Arbeitsunfalls) oder Aufsichtsämter von Amts wegen Anzeige, wenn sie von angeblichen Fehlverhaltensweisen erfahren.

    Im Unternehmensstrafrecht übernehmen wir die Verantwortung nicht nur als Individualverteidiger etwa der beschuldigten Geschäftsführer, Vorstände oder Prokuristen. Vielmehr vertreten wir auch das Unternehmen selbst, etwa bei einer unternehmensinternen Aufklärung oder aber – präventiv – bei der Umsetzung von Compliance-Maßnahmen.

    Hierbei arbeiten wir vielfach mit spezialisierten Rechtsanwaltskollegen aus anderen Bereichen, etwa dem Steuerrecht oder dem Arbeitsrecht sowie dem Gesellschafts- und Insolvenzrecht zusammen. Denn nur durch unseren hohen Spezialisierungsgrad erreichen wir die besten Ergebnisse für unsere Mandanten.

    Im Unternehmensstrafrecht ist es manchmal erforderlich, Mitarbeiter als Zeugenbeistand zu begleiten, wenn diese zur Zeugenvernehmung vorgeladen werden. Mitarbeiter haben nämlich vielfach – durchaus berechtigt – Sorge, dass sie sich bei einer wahrheitsgemäßen Beantwortung von Fragen selbst belasten könnten. Verantwortungsvolle Arbeitgeber und Unternehmensführungen sorgen in diesen Fällen für ihre Mitarbeiter und bieten ihnen die Möglichkeit eines erfahrenen Rechtsanwaltes als Zeugenbeistand an.

    Zum Unternehmensstrafrecht gehört aber auch die aktive Strafverfolgung im Unternehmen. Denn Unternehmen selbst sind bei unternehmensbezogenen Straftaten häufig auch Geschädigte. Als Unternehmensstrafrechtler helfen wir unseren Mandanten bei der Anzeigenerstattung gegen eigene (frühere) Mitarbeiter oder Konkurrenten. Ein solches strafrechtliches Ermittlungsverfahren hilft dem geschädigten Unternehmen vielfach bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen.

    In jüngerer Zeit ist zu beobachten, dass die Ermittlungsbehörden verstärkt im unternehmensstrafrechtlichen Bereich nicht nur gegen die handelnden Veranwortlichen vorgehen, sondern im Rahmen des § 30 OWiG gegen das Unternehmen selbst. Derartige Verbandsgeldbußen können für ein Unternehmen nicht nur wirtschaftlich sehr teuer werden. Durch die Eintragungspflicht solcher Geldbußen z.B. in das Gewerbezentralregister oder das Korruptionsregister kann es bei Unternehmen existenziell werden, wenn es z.B. auf öffentliche Aufträge angewiesen ist. Denn mit der Eintragung in einem solchen Register ist das Unternehmen über Jahre hinweg von solchen Aufträgen ausgeschlossen.

    Im Unternehmensstrafrecht zeigen wir unseren Mandanten den effektiven und zielführenden Weg aus der krisenbehafteten Zeit. Wir unterstützen Sie in der unternehmensinternen Kommunikation ebenso, wie in der Korrespondenz mit den Ermittlungsbehörden oder dem Gericht.

Untersuchungshaft / U-Haft

Die Untersuchungshaft – kurz U-Haft genannt – ist der denkbar schwerste Eingriff in die (Freiheits-) Rechte der Bürger. Denn mit der Untersuchungshaft (U-Haft) wird ein noch unschuldiger Bürger seiner Fortbewegungsfreiheit beraubt; er kommt ins Gefängnis. Die Untersuchungshaft ist dabei nicht etwa eine vorgezogene Strafe. Vielmehr dient die Untersuchungshaft (U-Haft) der Verfahrenssicherung.

Die Untersuchungshaft (U-Haft) braucht nämlich für ihre Anordnung einen Haftgrund. Solche Haftgründe sind u.a.

-die Flucht
-die Fluchtgefahr
-die Verdunkelungsgefahr sowie
-die Wiederholungsgefahr.

Daneben gibt es den Haftgrund der sog. Schwerstkriminalität, der in der Regel bei Kapitalstrafsachen wie Mord, Totschlag etc. angeordnet wird.

Wie sich insbesondere aus den in der Praxis häufigsten Haftgründen der Verdunkelungsgefahr und der Fluchtgefahr ergibt, liegt die Verfahrenssicherung darin, dass der Beschuldigte durch die Inhaftierung sich seinem Strafverfahren stellt und er in der Hauptverhandlung anwesend ist (Fluchtgefahr / Flucht); bei der Verdunkelungsgefahr demgegenüber will die Strafverfolgungsbehörde (Staatsanwaltschaft und Polizei) sicherstellen, dass während des Ermittlungsverfahrens keine unlautere Einflussnahme auf Beweismittel vorgenommen wird. Eine solche unlautere Einflussnahme wird z.B. bejaht, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte auf Zeugen einwirkt, um diese zu einem bestimmten Aussageverhalten zu veranlassen oder wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte etwa Urkunden vernichtet oder sonstige Tatwerkzeuge oder Tatmittel bzw. aus der Tat erlangte Beute beiseite schafft.

Untersuchungshaft (U-Haft) setzt stets den Erlass eines Haftbefehls (U-Haft-Befehl) voraus. Dies ist stets ein richterlicher Beschluss.

Nicht verwechselt werden darf die sog. vorläufige Festnahme mit der Untersuchungshaft.

Bei der vorläufigen Festnahme wird ein Verdächtiger / Beschuldigter von der Polizei – wie der Name bereits sagt – vorläufig festgenommen. Dies setzt lediglich einen Polizeiverwaltungsakt voraus, nämlich die Festnahmeerklärung. Eines richterlichen Beschlusses dafür bedarf es noch nicht. Es reicht auch Anfangsverdacht aus, wobei die vorläufige Festnahme erforderlich, notwendig und angemessen sein muss, um bestimmte polizeiliche Zwangsmaßnahmen (wie etwa eine erkennungsdienstliche Behandlung, eine Durchsuchung etc. durchzuführen.

Bei der vorläufigen Festnahme wird der Verdächtige / Beschuldigte in der Regel mit dem Polizeifahrzeug auf das Polizeirevier mitgenommen. Dort kann er in einer Verwahrzelle verwahrt werden, bis die polizeilichen Maßnahmen (z.B. die ED-Behandlung) abgeschlossen ist. Eine vorläufige Festnahme darf in der Bundesrepublik Deutschland aber niemals länger dauern als 24 Stunden (beginnend ab dem Zeitpunkt der vorläufigen Festnahme). Es ist grundrechtlich vorgeschrieben, dass ein unschuldiger Bürger, wozu auch die Verdächtigen / Beschuldigten gehören, so lange sie nicht rechtskräftig verurteilt wurden, längstens innerhalb von 24 Stunden einem Haftrichter vorzuführen sind oder aber freizulassen sind.

Bei der Vorführung vor den Haftrichter hat der Haftrichter zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Erlasses eines Untersuchungshaftbefehls (U-Haftbefehles) vorliegen.

Der Erlass eines Untersuchungshaftbefehles (U-Haftbefehles) setzt neben dem vorgenannten Haftgrund (Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr etc. auch dringenden Tatverdacht voraus. Außerdem darf der Vollzug der Untersuchungshaft (also die Inhaftierung) nicht außer Verhältnis zu der Verdächtigten Straftat stehen. Die verdächtigte Straftat muss also ein gewisses Gewicht haben, sie muss eine gewisse Schwere haben.

Wenn es um U-Haft-Fragen geht, ist es zwingend notwendig, sich unverzüglich anwaltlichen Beistand zu suchen. Dies geschieht häufig auch durch die Angehörigen, weil ja der Verdächtige / Beschuldigte durch seine Inhaftierung dazu nicht mehr in der Lage ist. Wenn es um den Erlass eines Haftbefehles geht, muss der Rechtsanwalt / Strafverteidiger unverzüglich handeln. Ein zeitlicher Aufschub ist nicht möglich. Alle anderen Dinge des Rechtsanwalts / Strafverteidigers sind zurückzustellen.

Für diese Zwecke habe ich ein Notdiensttelefon eingerichtet mit einer mobilen Erreichbarkeit für 24 Stunden, auch an Wochenenden.

Notdienst-Nummer lautet: 0179 / 480 6223.

Wenn der Haftbefehl noch nicht erlassen wurde, kann mit dem Beschuldigten in vielen Fällen noch erreicht werden, dass er auf freien Fuß kommt. Dies muss in einer sofortigen Besprechung geschehen, noch bevor der Beschuldigte dem Haftrichter vorgeführt wird. Zu diesem Zweck ist es notwendig, dass der Rechtsanwalt als Strafverteidiger den Beschuldigten in der Verwahrzelle des Polizeipräsidiums / des Amtsgerichts (Haftrichters) aufsucht.

Ein erfahrener Strafverteidiger weiß auch, dass er einen Anspruch darauf hat, von den Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft / Polizei) Informationen darüber zu erhalten, aus welchen Gründen der Haftbefehl erlassen werden soll. Der erfahrene Strafverteidiger versteht es auch, diese Rechte durchzusetzen. In der Praxis zeigt sich manchmal, dass die (Kriminal-) Polizei versucht, Strafverteidiger möglichst lange aus dem Verfahren rauszuhalten; denn mit der Einschaltung eines Strafverteidigers wird naturgemäß die Arbeit der Kriminalpolizei erschwert. Denn der Strafverteidiger klärt seinen Mandanten über seine Rechte – natürlich auch über seine Pflichten- auf (z.B. über sein Schweigerecht).

Wenn der Erlass eines Haftbefehls nicht mehr abgewendet werden kann, so geben viele Fälle Anlass dazu, zumindest eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen. Bei einer Außervollzugsetzung wird der Haftbefehl zwar erlassen, der Beschuldigte muss aber dennoch nicht ins Gefängnis. Der Vollzug der Untersuchungshaft wird vielmehr gegen Auflagen zurückgestellt.

Auf diese Möglichkeit muss der Strafverteidiger den Haftrichter hinweisen und vielleicht auch bestimmte Auflagen anbieten.

Solche Auflagen können sein eine regelmäßige Meldepflicht bei einer Polizeidienststelle, ein Kontaktverbot – etwa mit Mitbeschuldigten / Zeugen – oder auch eine Kautionsleistung. Gerade bei einer Kaution (Sicherheitsleistung durch Geld) muss der Verteidiger mit dem Beschuldigten oder aber dessen Angehörigen oder Freunden sprechen, inwieweit eine Kautionszahlung möglich ist.

Kann der Erlass eines Haftbefehl nicht verhindert werden oder wird der Strafverteidiger etwa nach Erlass eines Haftbefehls beauftragt, ist es erforderlich, dass der Strafverteidiger den Beschuldigten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) unverzüglich aufsucht. Auch muss der Strafverteidiger regelmäßig Kontakt zu seinem Mandanten in der JVA halten und ihm über den jeweiligen Stand der Ermittlungen berichten. In der Praxis ist der Strafverteidiger häufig auch der Vermittler zwischen dem inhaftierten Beschuldigten und dessen Angehörigen / Freunden. Diese machen sich zu Recht Sorgen über ihren inhaftierten Freund / Verwandten und wollen wissen, wie lange die Untersuchungshaft (-U-Haft) noch andauert. Wenn der Strafverteidiger von seinem Mandanten von seiner Schweigepflicht entbunden wird, dann darf / muss der Strafverteidiger darüber mit den Angehörigen sprechen.

Der Strafverteidiger ist aber auch für zahlreiche weitere Fragen während der der Untersuchungshaft (-U-Haft) der Ansprechpartner. So kümmere ich mich auch um Besuchserlaubnisse für die Angehörigen / Freunde, den Umstand, dass der Beschuldigte in der Haft Geld auf seinem Gefangenenkonto (für Einkäufe etc.) hat, saubere und frische Kleidung erhält etc.

Meine oberste Pflicht als Strafverteidiger sehe ich jedoch darin, täglich das laufende Verfahren darauf zu überwachen, ob nicht eine Entlassung aus der Untersuchungshaft (-U-Haft) möglich ist. Der Haftbefehl muss nicht kommentarlos hingenommen werden. Der Beschuldigte / sein Verteidiger haben verschiedene Möglichkeiten, die Rechtmäßigkeit eines Haftbefehls überprüfen zu lassen.

Eine Haftprüfung kann beantragt werden, wodurch der Haftbefehl zunächst vor dem Haftrichter überprüft wird, der ihn auch erlassen hat. Dort können (neue) Argumente oder auch tatsächlicher Sachvortrag vorgetragen werden, wodurch der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht mehr rechtmäßig ist und vielleicht eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls erreicht werden kann. Der Beschuldigte wird zu diesem Zweck aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Der Beschuldigte ist also bei der Haftprüfung anwesend.

Daneben kann der Beschuldigte / sein Verteidiger jederzeit Haftbeschwerde beantragen. Bei der Haftbeschwerde wird in rechtlicher Hinsicht die Rechtmäßigkeit des Haftbefehls überprüft. Bei der Haftbeschwerde entscheidet in der Regel das höhere Gericht (in der Regel das Landgericht) darüber, ob der Haftrichter den Haftgrund, die dringenden Verdachtsgründe sowie die Verhältnismäßigkeit zu Recht bejaht hat.

Die Dauer der Untersuchungshaft (U-Haft) ist grundsätzlich zeitlich nicht befristet. Je länger aber die Untersuchungshaft dauert, desto größer wird der (Freiheits) Anspruch des Beschuldigten. Die Praxis zeigt, dass bei einer Untersuchungshaft von mehr als 6 Monaten die Strafverfolgungsbehörde bedeutsame und gewichtige Gründe anführen muss, um die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls über 6 Monate hinaus zu begründen. Die Grenze von 6 Monaten ist für die Ermittlungsbehörden deshalb eine gefährliche, weil kraft Gesetzes nach 6 Monaten das Oberlandesgericht (OLG) über die Rechtmäßigkeit des Fortbestandes der Untersuchungshaft entscheiden muss. Viele OLG`s sind recht streng mit ihren Ermittlungsbehörden und haben keine Hemmungen, bei entsprechenden Argumenten des Beschuldigten / Verteidigers, den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft aufzuheben und den Beschuldigten auf freien Fuß zu setzen.

Spätestens nach einem Jahr Untersuchungshaft (auch nach einem Jahr muss das Oberlandesgericht von Gesetzes wegen entscheiden) entfallen für die Strafverfolgungsbehörde jegliche Argumente für die Aufrechterhaltung des Haftbefehls (eine Ausnahme gilt allenfalls in äußerst komplexen und umfangreichen Verfahren wie Bildung einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung, mehrfache Mordverfahren etc.).

Die Untersuchungshaft (-U-Haft) ist für die Betroffenen und deren Familie in den meisten Fällen ein tiefgreifender Einschnitt. Der Verteidiger muss erfahren sein und die notwendige Kompetenz haben, auf Augenhöhe mit den Strafverfolgungsbehörden den „Kampf um die Rechte des Beschuldigten“ aufzunehmen. Für den Verteidiger hat seine Tätigkeit bei Haftsachen oberste Priorität. Der Strafverteidiger muss sich stets bewusst machen, dass sein Mandant unschuldig im Gefängnis sitzt.

V

  • Vermögensabschöpfung im Strafrecht
  • Vermögensabschöpfung im Strafrecht

    Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erhebliche Änderungen im materiellen Recht der Einziehung umgesetzt. Die europäische Vorgabe hierzu hat der Gesetzgeber für die Einziehung sogar überboten, weil die zuvor in § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB aF enthaltene Härteklausel gestrichen wurde.

    Mit dem neuen Einziehungsrecht hat der Gesetzgeber die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte verpflichtet, die Vermögensabschöpfung selbst im Bereich der massenhaft begangenen Kleinstkriminalität zu betreiben. Diese führt bei den Strafverfolgungsbehörden und der Strafjustiz zu einem spürbaren Mehraufwand. Auch steigt der Aufwand für die Ermittlungsbehörden und die Strafjustiz bei der Vermögensabschöpfung sowie der Einziehung in umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen.

    Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und dem neuen Einziehungsrecht vor allem von dem Gedanken leiten lassen, den das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 14.01.2004 (BVerfGE 110, 1 – 2 BvR 564/95) aufgestellt hat. Dort heißt es wörtlich:

    „Der Gesetzgeber hält es nicht für sinnvoll, den Täter zu bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne geradezu als Anreiz zur Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken.“

    Beim neuen Einziehungsrecht hat sich auch in den verschiedenen Lesungen und Anhörungen immer wieder das Schlagwort durchgesetzt:

    „Straftaten dürfen sich nicht lohnen!“

    Ziel des Gesetzgebers im neuen Recht zur Einziehung war es, für das Opfer von Straftaten und die Verletzten vereinfacht Möglichkeiten zur Schadenswidergutmachung zu schaffen. Kernstück der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung war deshalb das sog. „Opferentschädigungsmodell“. Opfern von (Vermögens-) Straftaten soll ein „einfacher und kostenloser“ Weg zur „Schadenswidergutmachung“ bereitet werden.

    Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit der Neuregelung der strafrechtlichen Einziehung wurde am 23.04.2017 verkündet und trat am 01.07.2017 in Kraft. Es gilt gemäß Artikel 316 h EGStGB ohne Übergangsregelung, also auch schon für laufende Verfahren, sofern noch keine instanzgerichtliche Entscheidung getroffen wurde.

    Von der Einziehung betroffen sind nicht nur die Beschuldigten / Angeklagten, sondern nach § 73 b StGB auch Dritte, die Nichttäter oder Teilnehmer sind. § 73 b Abs. 1 StGB heißt wörtlich:

    „Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73 a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn

    1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,

    2. ihm das Erlangte
    a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
    b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt oder

    3. das Erlangte auf ihn
    a) als Erbe übergegangen ist oder
    b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.

    Satz 1 Nr. 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.“

    Der „Andere“ in diesem Sinne kann jede natürliche, aber auch juristische Person oder Personengruppe sein. Auf die Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit dieses „Anderen“ kommt es nicht an. Ist der „Andere“ eine juristische Person, also etwa eine GmbH oder AG und werden diesem „Anderen“ gegenüber Einziehungsmaßnahmen verhängt, kann dies zu Friktionen auch mit einer möglichen Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO führen.

    Dieses Spannungsverhältnis der strafrechtlichen Einziehung von Dritt-Einziehungsbeteiligten sowie den daraus resultierenden Verpflichtungen und Folgen aus anderen Rechtsvorschriften, gehört noch zu den ungeklärten Fragen der praktischen Anwendung des neuen Einziehungsrechts.

    Im Bereich des Unternehmensstrafrechts ist es wichtig, sich so bald wie möglich anwaltlich beraten zu lassen, um den von der Einziehung Betroffenen und insbesondere Unternehmen vor existenziellen Risiken zu schützen. Es stehen dabei manchmal Arbeitsplätze auf dem Spiel.

    Nur über wirtschaftsstrafrechtlich versierte Strafverteidiger können Sie sich selbst, Ihr Unternehmen und die daran hängenden Arbeitsplätze effektiv schützen. Herr Rechtsanwalt Gärtner ist nicht nur Fachanwalt für Strafrecht, sondern auch zertifizierter Verteidiger für Wirtschaftsstrafrecht (DSV) und zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht (DSV) und berät Sie gerne. Sprechen Sie uns an.

  • Verletzter im Sinne der Vermögensabschöpfung
  • Verletzter im Sinne der Vermögensabschöpfung

    Mit der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung hat der Gesetzgeber verschiedene Begrifflichkeiten ersetzt oder neu gefasst. So wurde der Begriff des früheren „Verfalls“ durch den Begriff der „Einziehung“ von Taterträgen ersetzt. Der frühere „dingliche Arrest“ wurde in „Vermögensarrest“ umbenannt.

    Das neue Vermögensabschöpfungsrecht und das neu gefasste Einziehungsrecht haben auch den Begriff des „Verletzten“ neu gefasst. Verletzter nach den neuen Regelungen der Einziehung ist derjenige, dem aus der Tat ein Anspruch erwachsen ist, sofern die Tat zum Zeitpunkt der vorläufigen Sicherungsanordnung oder aber zum Zeitpunkt des Urteils überhaupt noch Gegenstand des staatlichen Vorwurfs ist. Der Begriff des Verletzten im Recht der Einziehung ist also nicht statisch, sondern kann sich im Laufe des Verfahrens verändern. Verletzter ist also nur derjenige, der zum Zeitpunkt der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung überhaupt noch als Verletzter geführt wird. Nur diese letzte gerichtliche Entscheidung ist dann auch die Grundlage der Sicherung der Einziehung oder aber der späteren Vollstreckung.

    So kann die Verletztenstellung im Laufe des Verfahrens etwa durch eine Teileinstellung nach § 154 StPO oder einer Beschränkung der Strafverfolgung nach § 154 a StPO verloren gehen. Wahrscheinlich wird man deshalb in Zukunft bei den „Opfern von Straftaten“ zwischen den „Geschädigten einer Straftat“ und den „Verletzten im Sinne der Vermögensabschöpfung“ zu unterscheiden haben.

    Verletzte im Sinne der Vermögensabschöpfung können dabei neben den natürlichen Personen, selbstverständlich auch juristische Personen, Personenvereinigungen, Unternehmen etc. sein, die durch Straftaten geschädigt wurden.

    Als Verletzter im Sinne der Einziehung ist man darauf angewiesen, dass die Staatsanwaltschaft als Verfolgungsbehörde die den Verletzten betroffene Straftat nicht nur verfolgt, sondern auch anklagt – und während der Hauptverhandlung aufrechterhält. Gerade bei Serienstraftaten ist man als Verletzter von verschiedenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft oder aber den Strafgerichten abhängig. Die Möglichkeiten des Verletzten, Einfluss auf Teileinstellungen nach §§ 154, 154 a StPO zu nehmen sind in der Praxis sehr beschränkt.

    Nur der Verletzte im Sinne der Vermögensabschöpfung kann sich im Strafvollstreckungsverfahren nach §§ 459 h bis 459 o StPO vereinfacht für den erlittenen stoffgleichen Schaden befriedigen.

    Es stellt sich deshalb für die Verletzten im Strafverfahren von Beginn des Verfahrens an die Frage, ob sie sich nicht eigenständig einen zivilrechtlichen Vollstreckungstitel (§ 794 ZPO), insbesondere ein vollstreckbares Endurteil (§ 704 ZPO) erstreiten. Die Möglichkeit eines selbstständigen zivilrechtlichen Vorgehens der Tatverletzten bleibt neben dem neuen Entschädigungsmodell möglich. Als Verletzter muss man sich auch klar machen, dass bis zur Einleitung des Strafvollstreckungsverfahrens und Rechtskraft der Einziehungsanordnung viele Jahre verstreichen können. Hinzu kommt weiter, dass eventuelle Schmerzensgeldansprüche und Zinsansprüche von einer abschöpfungsrechtlichen Entschädigung ebenso ausgenommen sind, wie Rechtsverfolgungskosten. Nur der stoffgleiche Schaden des Verletzten kann über die neue Opferentschädigung ohne einen Vollstreckungstitel vom Verurteilten erlangt werden.

    Ein eigenständiges zivilrechtliches Vorgehen des Tatverletzten muss deshalb vom Verletzten ernsthaft in Betracht gezogen werden. Aus anwaltlicher Sicht ist deshalb in vielen Fällen ein eigenes zivilrechtliches Vorgehen zu empfehlen.

    Problematisch gestaltet sich für diesen Fall die Vorschrift des § 111 h Abs. 2 StPO, die Ausfluss der Gläubigergleichbehandlung ist. Nach § 111 h StPO hat die Vollziehung eines Vermögensarrestes die Wirkung eines Veräußerungsverbots im Sinne des § 136 BGB. Für das Sicherungsrecht, das in Vollziehung des Vermögensarrestes entsteht, gilt § 80 Abs 2 Satz 1 der InsO. Diese Vorschrift führt dazu, dass ein Verletzter, der selbstständig ein zivilrechtliches Urteil erstritten hat, in den von der Staatsanwaltschaft gesicherten Vermögenswert nicht vollstrecken kann. Der Tatverletzte wird also durch die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Rahmen der Vermögensabschöpfung in der Vollstreckung eingeschränkt und gehindert.

    Eine Ausnahme gilt nur für den Fiskus, der als Verletzter einer Steuerstraftat im Wege des § 324 AO schneller als andere die Zwangsvollstreckung betreiben kann und deshalb privilegiert wird.

    Verletzte von Straftaten haben mit dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung und den neuen Einziehungsvorschriften erheblichen rechtlichen Beratungsbedarf. Ob mit der Reform der Vermögensabschöpfung tatsächlich eine Vereinfachung der Verletztenrechte einhergeht, darf mitunter bezweifelt werden.

    Wenn Sie Verletzter einer Straftat sind oder wenn Ihr Unternehmen strafrechtlich geschädigt wurde sprechen Sie uns gerne an. Über das neue Einziehungsrecht kann auf der strafrechtlichen Ebene in vielen Fällen etwas erreicht werden. Manchmal ist es aber auch erforderlich, parallel dazu als Verletzter im Strafrecht eigene Wege zu gehen.
    Wir sind eine auf das Strafrecht spezialisierte Kanzlei und werden Sie sachgerecht beraten.

  • Vorzeitige Haftentlassung
  • Vorzeitige Haftentlassung

    Wer zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt wurde, muss diese nicht unbedingt bis zum letzten Tag verbüßen.
    Ein Verurteilter kann bereits nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe – und unter besonderen Umständen bereits nach der Hälfte – vorzeitig aus der Haft entlassen werden, § 57 StGB.

    Hierfür müssen zunächst folgende Voraussetzungen vorliegen:

    1. Zwei Drittel der verhängten Strafe, mindestens jedoch zwei Monate, müssen verbüßt sein.
    2. Die Entlassung kann unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden.
    3. Die verurteilte Person willigt in die Entlassung ein.

    Die Haftzeit berechnet sich ab dem ersten Tag der Inhaftierung, die Dauer einer Untersuchungshaft wird angerechnet. Der Zweidritteltermin ist jedoch auch auf der jeweiligen Haftzeitenübersicht, welche dem Inhaftierten ausgehändigt wird, vermerkt.

    Ob durch eine vorzeitige Entlassung das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gefährdet wäre, wird das zuständige Gericht unter Abwägung der Umstände des Einzelfalles entscheiden. Maßgeblich für die Beurteilung sind vor allem die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts, das Verhalten des Verurteilten im Vollzug, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen, die von der Aussetzung zur Bewährung für ihn zu erwarten sind.

    Eine positive Entscheidung setzt jedoch keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraus, sondern es genügt das Bestehen einer naheliegenden Chance hierfür. Zu berücksichtigen ist dabei ebenfalls, inwieweit einem möglichen Rückfallrisiko durch Auflagen und Weisungen entgegengewirkt werden kann, beispielsweise bei einer Verurteilung wegen einer Betäubungsmittelstraftat durch eine Drogenberatung oder entsprechende Kontrolluntersuchungen nach der vorzeitigen Entlassung.

    Schon nach Verbüßung der Hälfte, mindestens jedoch nach sechs Monaten, kann das Gericht die Vollstreckung des Restes nach § 57 Abs. 2 StGB zur Bewährung aussetzen, wenn

    1. die verurteilte Person erstmals eine Freiheitsstrafe verbüßt und diese zwei Jahre nicht übersteigt oder
    2. die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit der verurteilten Person und ihrer
    Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass besondere Umstände vor-
    liegen

    und die übrigen oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

    Dem sog. „Erstverbüßer-Privileg“ kommt entscheidende Bedeutung zu, da Personen, die sich zuvor noch nicht in Haft befunden haben, als besonders haftempfindlich anzusehen sind. Nicht als „Erstverbüßung“ ist wegen der andersartigen Haftsituation die angerechnete Untersuchungshaft anzusehen.

    Sofern die verhängte Strafe zwei Jahre übersteigt, kann das Gericht die Strafe bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise bereits nach der Hälfte zur Bewährung aussetzen.
    Bei den besonderen Umständen handelt es sich um Milderungsgründe von enormen Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe von über zwei Jahren widerspiegelt, nicht als unangebracht erscheinen lassen. Aufgrund dieser Umstände muss eine Strafaussetzung ohne Gefährdung der allgemeinen Interessen verantwortet werden können.

    Solche Umstände sind beispielsweise sehr lange zurückliegenden Straftaten, hohes oder sehr junges Alter des Verurteilten und damit einhergehend erhöhte Haftempfindlichkeit oder schlechter Gesundheitszustand des Verurteilten. Aber auch besondere familiäre Umstände (Krankheit des Ehepartners/ des Kindes, nahender Tod eines Angehörigen) oder finanzielle und berufliche Gründe (Inhaftierter war Alleinverdiener, Familie ist dringend auf das Einkommen angewiesen) können eine Halbstrafenentlassung begründen.

    Entscheidend ist jedoch immer der jeweilige Einzelfall.

    Über eine vorzeitige Haftentlassung entscheidet die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts auf Antrag des Verurteilten oder bei einer Zweidrittelentlassung auch von Amts wegen –folglich ohne Antrag des Verurteilten-. Jedoch ist auch im letztgenannten Fall ein schriftlicher Antrag empfehlenswert, da der Inhaftierte dem Gericht so die maßgeblichen Umstände (beispielsweise die familiäre Situation oder die berufliche Perspektive), schildern und ggfs. belegen kann.

    In der Regel sollte ein solcher Antrag 2-3 Monate vor dem erstrebten Entlasszeitpunkt gestellt werden.
    Es ist zudem empfehlenswert, bereits frühzeitig auf eine mögliche Haftentlassung hinzuarbeiten und sich in der JVA um einen positiven Eindruck zu bemühen. Beispielsweise erhöht es die Erfolgsaussichten eines Antrags, wenn Vollzugslockerungen beantragt und bewilligt wurden.
    Auch um eine mögliche Unterkunft und eine Arbeitsstelle (oder um einen Termin beim Jobcenter) sollte man sich frühzeitig kümmern, da dies die positive Prognose verstärkt.

    Auch Inhaftierte, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden sind, haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch auf vorzeitige Haftentlassung, § 57a StGB. In diesen Fällen setzt das Gericht die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind und nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet. Desweiteren muss eine vorzeitige Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden können.

    Verurteilte sollten sich am besten von einem Strafverteidiger beraten lassen, welche Chancen sie auf eine vorzeitige Haftentlassung haben. Dieser kann insbesondere anhand von Akteneinsicht prüfen, ab wann ein Antrag Sinn macht und diesen auch entsprechend begründen.

    Wenden Sie sich hierfür gerne an uns.

Vermögensabschöpfung im Strafrecht

Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erhebliche Änderungen im materiellen Recht der Einziehung umgesetzt. Die europäische Vorgabe hierzu hat der Gesetzgeber für die Einziehung sogar überboten, weil die zuvor in § 73 c Abs. 1 Satz 1 StGB aF enthaltene Härteklausel gestrichen wurde.

Mit dem neuen Einziehungsrecht hat der Gesetzgeber die Staatsanwaltschaft und die Strafgerichte verpflichtet, die Vermögensabschöpfung selbst im Bereich der massenhaft begangenen Kleinstkriminalität zu betreiben. Diese führt bei den Strafverfolgungsbehörden und der Strafjustiz zu einem spürbaren Mehraufwand. Auch steigt der Aufwand für die Ermittlungsbehörden und die Strafjustiz bei der Vermögensabschöpfung sowie der Einziehung in umfangreichen Wirtschaftsstrafsachen.

Der Gesetzgeber hat sich bei der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung und dem neuen Einziehungsrecht vor allem von dem Gedanken leiten lassen, den das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom 14.01.2004 (BVerfGE 110, 1 – 2 BvR 564/95) aufgestellt hat. Dort heißt es wörtlich:

„Der Gesetzgeber hält es nicht für sinnvoll, den Täter zu bestrafen und ihm zugleich das aus der Tat unrechtmäßig Erlangte zu belassen; dies könne geradezu als Anreiz zur Begehung weiterer entgelt- und gewinneinbringender Straftaten wirken.“

Beim neuen Einziehungsrecht hat sich auch in den verschiedenen Lesungen und Anhörungen immer wieder das Schlagwort durchgesetzt:

„Straftaten dürfen sich nicht lohnen!“

Ziel des Gesetzgebers im neuen Recht zur Einziehung war es, für das Opfer von Straftaten und die Verletzten vereinfacht Möglichkeiten zur Schadenswidergutmachung zu schaffen. Kernstück der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung war deshalb das sog. „Opferentschädigungsmodell“. Opfern von (Vermögens-) Straftaten soll ein „einfacher und kostenloser“ Weg zur „Schadenswidergutmachung“ bereitet werden.

Das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit der Neuregelung der strafrechtlichen Einziehung wurde am 23.04.2017 verkündet und trat am 01.07.2017 in Kraft. Es gilt gemäß Artikel 316 h EGStGB ohne Übergangsregelung, also auch schon für laufende Verfahren, sofern noch keine instanzgerichtliche Entscheidung getroffen wurde.

Von der Einziehung betroffen sind nicht nur die Beschuldigten / Angeklagten, sondern nach § 73 b StGB auch Dritte, die Nichttäter oder Teilnehmer sind. § 73 b Abs. 1 StGB heißt wörtlich:

„Die Anordnung der Einziehung nach den §§ 73 und 73 a richtet sich gegen einen anderen, der nicht Täter oder Teilnehmer ist, wenn

1. er durch die Tat etwas erlangt hat und der Täter oder Teilnehmer für ihn gehandelt hat,

2. ihm das Erlangte
a) unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder
b) übertragen wurde und er erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt oder

3. das Erlangte auf ihn
a) als Erbe übergegangen ist oder
b) als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.

Satz 1 Nr. 2 und 3 findet keine Anwendung, wenn das Erlangte zuvor einem Dritten, der nicht erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, entgeltlich und mit rechtlichem Grund übertragen wurde.“

Der „Andere“ in diesem Sinne kann jede natürliche, aber auch juristische Person oder Personengruppe sein. Auf die Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit dieses „Anderen“ kommt es nicht an. Ist der „Andere“ eine juristische Person, also etwa eine GmbH oder AG und werden diesem „Anderen“ gegenüber Einziehungsmaßnahmen verhängt, kann dies zu Friktionen auch mit einer möglichen Insolvenzantragspflicht nach § 15 a InsO führen.

Dieses Spannungsverhältnis der strafrechtlichen Einziehung von Dritt-Einziehungsbeteiligten sowie den daraus resultierenden Verpflichtungen und Folgen aus anderen Rechtsvorschriften, gehört noch zu den ungeklärten Fragen der praktischen Anwendung des neuen Einziehungsrechts.

Im Bereich des Unternehmensstrafrechts ist es wichtig, sich so bald wie möglich anwaltlich beraten zu lassen, um den von der Einziehung Betroffenen und insbesondere Unternehmen vor existenziellen Risiken zu schützen. Es stehen dabei manchmal Arbeitsplätze auf dem Spiel.

Nur über wirtschaftsstrafrechtlich versierte Strafverteidiger können Sie sich selbst, Ihr Unternehmen und die daran hängenden Arbeitsplätze effektiv schützen. Herr Rechtsanwalt Gärtner ist nicht nur Fachanwalt für Strafrecht, sondern auch zertifizierter Verteidiger für Wirtschaftsstrafrecht (DSV) und zertifizierter Verteidiger für Steuerstrafrecht (DSV) und berät Sie gerne. Sprechen Sie uns an.

Z

  • Zwischenverfahren
  • Zwischenverfahren

    Vom Zwischenverfahren spricht man, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht erhoben hat. Beim Zwischenverfahren geht die Verfahrensherrschaft von der Staatsanwaltschaft auf das Gericht über. In der Praxis heißt das, dass die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift und die gesamten Ermittlungsakten nebst Beweismittelakten an das aus ihrer Sicht zuständige Strafgericht schickt. Das Strafgericht hat nun nach der StPO zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht hinreichenden Tatverdacht bejaht hat. Dazu soll das Strafgericht nach der Rechtslage anhand der Anklageschrift überprüfen, ob am Ende einer gedachten Hauptverhandlung die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte, der nun Angeschuldigter heißt, auch verurteilt wird.

    Dazu soll das Strafgericht die Ermittlungsergebnisse und die zugrunde liegenden Beweismittel überprüfen.

    Ein sorgfältiges Strafgericht, welches erfahrungsgemäß in der Praxis nicht immer anzutreffen ist, liest zu diesem Zweck die gesamten Ermittlungsergebnisse, prüft und würdigt die jeweiligen Aussagen von Zeugen, Beschuldigten und Sachverständigen, prüft die Urkunden und überlegt sich, ob dies alles ausreicht, um am Ende einer gedachten Hauptverhandlung den Beschuldigten der Tat zu überführen.

    Sofern das Strafgericht den hinreichenden Tatverdacht bejaht, lässt es die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zu. Diesen Beschluss nennt man den sog. Eröffnungsbeschluss.

    Mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses endet das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren beginnt. Den Eröffnungsbeschluss erhält die Staatsanwaltschaft ebenso zugestellt wie der Beschuldigte.

    Sollte das Strafgericht zum Ergebnis kommen, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift in rechtlicher Hinsicht die Taten falsch gewürdigt hat, ist es möglich, dass das Strafgericht auf diesen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt hinweist. Dies kommt in der Praxis, vor allem bei umfangreichen Anklageschriften, gelegentlich vor. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht kann das Strafgericht von den Vorgaben aus der Anklageschrift abweichen und unter veränderten Gesichtspunkten die Anklage zur Hauptverhandlung zulassen. Der Beschuldigte kann sich mit seinem Verteidiger auf diese geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte in der bevorstehenden Hauptverhandlung vorbereiten. Die Staatsanwaltschaft kann gegen eine geänderte Anklageschrift Beschwerde einlegen.

    Es finden sich gelegentlich –wenn auch selten – Fälle, dass das Strafgericht eine Anklageerhebung ablehnt. Das geschieht dann, wenn das Strafgericht nach Durchsicht der Anklageschrift und der Ermittlungsakten der Auffassung ist, hinreichender Tatverdacht liege nicht vor. Dann ist das Strafgericht der Meinung, dass es nicht gelingen wird, am Ende einer Hauptverhandlung den Beschuldigten zu verurteilen. In noch selteneren Fällen geschieht dies aus rechtlichen Gründen (z.B. dann, wenn die Staatsanwaltschaft irrig eine Strafbarkeit annimmt, obgleich eine solche nicht vorliegt; Verjährungsfristen werden von der Staatsanwaltschaft übersehen; Verfolgungshindernisse werden von der Staatsanwaltschaft übersehen etc.), in häufigeren Fällen geschieht dies, wenn die Staatsanwaltschaft noch nicht ausreichend ermittelt hat.

    Der abgelehnte Eröffnungsbeschluss (Ablehnung der Eröffnung aus tatsächlichen Gründen) kann von der Staatsanwaltschaft mittels Beschwerde angefochten werden. In der Praxis gibt das Strafgericht häufig Hinweise dazu, welche weiteren Ermittlungen die Staatsanwaltschaft tätigen soll. So werden häufig ergänzend Zeugen vernommen oder aber bislang unbekannte Zeugen werden zur neuerlichen Vernehmung vorgeladen.

    Viele Verteidiger sind der Meinung, dass im Zwischenverfahren nichts weiter veranlasst werden soll. Viele Verteidiger warten die Hauptverhandlung ab, um dann in der Hauptverhandlung evtl. neue und weitere Beweismittel, wie Zeugen oder Sachverständige, zu präsentieren.

    Nach meinem Dafürhalten kann nicht pauschal dem Beschuldigten geraten werden, im Zwischenverfahren nichts zu unternehmen. Es gibt vielfach Situationen, bei denen der Beschuldigte von seinem Verteidiger will, alles zu unternehmen, um eine öffentliche Hauptverhandlung zu vermeiden. Denn ist eine Anklageschrift erst einmal zugelassen, findet grundsätzlich eine sog. Öffentliche Hauptverhandlung statt.

    Gerade wenn ein Beschuldigter eine namhafte Person des Zeitgeschehens ist oder er aber sonstige persönliche oder berufliche Reputationen durch die (Medien-) Öffentlichkeit fürchtet, ist dies ein berechtigtes und auch verständliches Anliegen. Dann ist es wichtig und sinnvoll, bereits im Zwischenverfahren weitere tatsächliche und rechtliche Argumente vorzutragen, um das Strafgericht zu veranlassen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

    Die Frage, ob im Zwischenverfahren ein weiterer Schriftsatz des Verteidigers gefertigt werden soll, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Man muss sich darüber im klaren sein, dass bei der Benennung weiterer – bislang etwa nicht vernommener –Zeugen diese auch von der Polizei / Staatsanwaltschaft im Auftrag des Gerichts vernommen werden. Dies ist deshalb in vielen Fällen problematisch, weil der Verteidiger und der Beschuldigte bei dieser Zeugenvernehmung nicht anwesend sind, ja noch nicht einmal über den Termin der Zeugenvernehmung informiert werden. Nicht selten erlebt man in der Strafrechtspraxis, dass Zeugen nach einer polizeilichen Vernehmung nicht mehr das Aussageverhalten an den Tag legen, wie dies zuvor getan wurde. Jede Vernehmung birgt auch die Gefahr in sich, dass suggestiv auf den Zeugen eingewirkt wird und dieser in seinem Aussageverhalten in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. Ob dies bewusst oder unbewusst seitens der Ermittlungsbehörden geschieht, kann dahinstehen. Denn im Ergebnis kann sich dieser Zeuge möglicher Weise nicht mehr an alle Details, vor allem entlastende Details, erinnern.

    Ist bei der Zeugenvernehmung ein Verteidiger anwesend, der sich mit Vernehmungspsychologie und Vernehmungstechnik auskennt, kann dieser Gefahr während der Vernehmung vorgebeugt werden, indem unzulässige oder suggestive Fragen beanstandet werden. Erfahrungsgemäß werden derartige Fragen bei Anwesenheit eines Verteidigers aber gar nicht erst gestellt.

    Deswegen muss sorgfältig überlegt und abgewogen werden, ob im Zwischenverfahren tatsächlich weitere Beweismittel, insbesondere Zeugen benannt werden. Werden erst in der Hauptverhandlung neue Zeugen benannt, ist der Verteidiger nämlich von Anfang an (also bei der Erstvernehmung) anwesend.

    Sofern Anklage erhoben ist, das Zwischenverfahren also begonnen hat, sind andere Erledigungsmöglichkeiten wie Strafbefehl, Einstellung gegen Auflage, Einstellung ohne Auflage, aber in der Regel vom Tisch. Nur mit viel Mühe ist es dann als Verteidiger noch möglich, ohne eine öffentliche Hauptverhandlung zu einer anderen Verfahrenserledigung zu kommen.

    Dies zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, möglichst frühzeitig einen Verteidiger zu beauftragen. Am effektivsten kanne ein Verteidigung geführt werden, wenn der Verteidiger sofort hinzugezogen wird, sobald der Beschuldigte von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt.

  • Zeugenbeistand
  • Zeugenbeistand

    Als Zeugenbeistand nehmen wir die Rechte von Zeugen wahr. Zeugenvernehmungen sind das wichtigste Ermittlungsinstrument der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Zeugen werden in der Regel schriftlich vorgeladen, wobei die Vorladung in aller Regel vor die Polizei erfolgt, in seltenen Fällen auch vor die Staatsanwaltschaft oder den Ermittlungsrichter.

    Zeugen müssen wahrheitsgemäße Angaben machen, wenn sie zur Aussage verpflichtet sind. Hier setzt die Tätigkeit des Zeugenbeistands an, der nicht nur eine seelsorgerische Aufgabe übernimmt. Vielmehr gilt es im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob der Zeuge / die Zeugin Auskunftsverweigerungs- oder Schweigerechte hat.

    Ein Schweigerecht hat ein Zeuge etwa nach § 52 StPO dann, wenn er zum Beschuldigten in einem verwandtschaftlichen Verhältnis steht. Für diesen Fall muss ein Zeuge überhaupt keine Angaben machen, er kann also die Aussage insgesamt verweigern. Praktische Probleme ergeben sich hierbei manchmal dann, wenn die Person des Beschuldigten noch gar nicht feststeht, der Zeuge also nicht weiß, gegen wen sich das Ermittlungsverfahren richtet, in dem er aussagen soll. Diese Konstellation kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn das Ermittlungsverfahren noch gegen “Unbekannt” geführt wird.

    Schweigerechte für Zeugen ergeben sich auch aus §§ 53, 53 a StPO etwa aus beruflichen Stellungen. Wenn ein Rechtsanwalt, ein Steuerberater, ein Arzt etc. zeugenschaftlich vernommen werden soll, dann darf ein solcher Geheimnissträger aus beruflichen Gründen nur dann aussagen, wenn eine (wirksame) Entbindung von der Schweigepflicht vorliegt. Schwierigkeiten in der Praxis ergeben sich beispielsweise dann, wenn neben dem Geschäftsführer / Vorstand etwa ein Insolvenzverwalter vorhanden ist. Es stellt sich dann die rechtlich schwierige Frage, ob alleine der Insolvenzverwalter einen Steuerberater von seiner Verschwiegenheit entbinden kann, wenn der frühere Geschäftsführer / Vorstand mit einer Entbindung nicht einverstanden ist. Derart komplexe rechtliche Fragenstellungen hilft Ihnen ein qualifizierter Rechtsbeistand in Form eines Zeugenbeistands zu lösen.

    Die häufigste Gestaltung einer Zeugenvernehmung, für die ein Zeugenbeistand notwendig ist, findet sich aber in einer anderen Konstellation. Zeugen müssen nämlich die Wahrheit sagen, worüber sie vor ihrer Vernehmung zu belehren sind. In vielen Fällen hat ein Zeuge aber die – durchaus berechtigte – Befürchtung, dass er sich bei einer wahrheitsgemäßen Aussage selbst belasten würde. Oder aber es steht zu befürchten, dass er nahe Angehörige (etwa seine Eltern, Geschwister oder seine Kinder) bei einer wahrheitsgemäßen Antwort einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit bezichtigen würde. Für diese Fälle hat der Gesetzgeber ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO vorgesehen.

    In der Praxis ist es schwierig, dieses Auskunftsverweigerungsrecht durchzusetzen. Denn zum einen gibt das Auskunftsverweigerungsrecht dem Zeugen / der Zeugin lediglich das Recht, die Beantwortung einzelner Fragen zu verweigern. Es muss deshalb nach jeder Frage gesondert überlegt und entschieden werden, ob die Beantwortung dieser Frage verweigert werden kann. Dies führt – etwa in einer öffentlichen Hauptverhandlung – bei einem Zeugen, der keinen Zeugenbeistand an seiner Seite weiß, zu einer immensen Streßbelastung. Zum anderen aber gilt es, dieses Auskunftsverweigerungsrecht in der Vernehmungssituation auch durchzusetzen. Vielfach ziehen sich die Vernehmungsbeamten (Polizei, Staatsanwaltschaft oder Richter) darauf zurück, dass sie ein solches Auskunftsverweigerungsrecht nicht erkennen können. Manchmal werden gar Ordnungsgelder angedroht, wenn die Antwort auf einzelne Fragen verweigert wird.

    In solchen Situationen helfen wir Ihnen als Zeugenbeistand und setzen Ihre Recht durch.

Zwischenverfahren

Vom Zwischenverfahren spricht man, wenn die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht erhoben hat. Beim Zwischenverfahren geht die Verfahrensherrschaft von der Staatsanwaltschaft auf das Gericht über. In der Praxis heißt das, dass die Staatsanwaltschaft die Anklageschrift und die gesamten Ermittlungsakten nebst Beweismittelakten an das aus ihrer Sicht zuständige Strafgericht schickt. Das Strafgericht hat nun nach der StPO zu prüfen, ob die Staatsanwaltschaft zu Recht hinreichenden Tatverdacht bejaht hat. Dazu soll das Strafgericht nach der Rechtslage anhand der Anklageschrift überprüfen, ob am Ende einer gedachten Hauptverhandlung die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass der Beschuldigte, der nun Angeschuldigter heißt, auch verurteilt wird.

Dazu soll das Strafgericht die Ermittlungsergebnisse und die zugrunde liegenden Beweismittel überprüfen.

Ein sorgfältiges Strafgericht, welches erfahrungsgemäß in der Praxis nicht immer anzutreffen ist, liest zu diesem Zweck die gesamten Ermittlungsergebnisse, prüft und würdigt die jeweiligen Aussagen von Zeugen, Beschuldigten und Sachverständigen, prüft die Urkunden und überlegt sich, ob dies alles ausreicht, um am Ende einer gedachten Hauptverhandlung den Beschuldigten der Tat zu überführen.

Sofern das Strafgericht den hinreichenden Tatverdacht bejaht, lässt es die Anklageschrift zur Hauptverhandlung zu. Diesen Beschluss nennt man den sog. Eröffnungsbeschluss.

Mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses endet das Zwischenverfahren und das Hauptverfahren beginnt. Den Eröffnungsbeschluss erhält die Staatsanwaltschaft ebenso zugestellt wie der Beschuldigte.

Sollte das Strafgericht zum Ergebnis kommen, dass die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift in rechtlicher Hinsicht die Taten falsch gewürdigt hat, ist es möglich, dass das Strafgericht auf diesen geänderten rechtlichen Gesichtspunkt hinweist. Dies kommt in der Praxis, vor allem bei umfangreichen Anklageschriften, gelegentlich vor. Aber auch in tatsächlicher Hinsicht kann das Strafgericht von den Vorgaben aus der Anklageschrift abweichen und unter veränderten Gesichtspunkten die Anklage zur Hauptverhandlung zulassen. Der Beschuldigte kann sich mit seinem Verteidiger auf diese geänderten tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte in der bevorstehenden Hauptverhandlung vorbereiten. Die Staatsanwaltschaft kann gegen eine geänderte Anklageschrift Beschwerde einlegen.

Es finden sich gelegentlich –wenn auch selten – Fälle, dass das Strafgericht eine Anklageerhebung ablehnt. Das geschieht dann, wenn das Strafgericht nach Durchsicht der Anklageschrift und der Ermittlungsakten der Auffassung ist, hinreichender Tatverdacht liege nicht vor. Dann ist das Strafgericht der Meinung, dass es nicht gelingen wird, am Ende einer Hauptverhandlung den Beschuldigten zu verurteilen. In noch selteneren Fällen geschieht dies aus rechtlichen Gründen (z.B. dann, wenn die Staatsanwaltschaft irrig eine Strafbarkeit annimmt, obgleich eine solche nicht vorliegt; Verjährungsfristen werden von der Staatsanwaltschaft übersehen; Verfolgungshindernisse werden von der Staatsanwaltschaft übersehen etc.), in häufigeren Fällen geschieht dies, wenn die Staatsanwaltschaft noch nicht ausreichend ermittelt hat.

Der abgelehnte Eröffnungsbeschluss (Ablehnung der Eröffnung aus tatsächlichen Gründen) kann von der Staatsanwaltschaft mittels Beschwerde angefochten werden. In der Praxis gibt das Strafgericht häufig Hinweise dazu, welche weiteren Ermittlungen die Staatsanwaltschaft tätigen soll. So werden häufig ergänzend Zeugen vernommen oder aber bislang unbekannte Zeugen werden zur neuerlichen Vernehmung vorgeladen.

Viele Verteidiger sind der Meinung, dass im Zwischenverfahren nichts weiter veranlasst werden soll. Viele Verteidiger warten die Hauptverhandlung ab, um dann in der Hauptverhandlung evtl. neue und weitere Beweismittel, wie Zeugen oder Sachverständige, zu präsentieren.

Nach meinem Dafürhalten kann nicht pauschal dem Beschuldigten geraten werden, im Zwischenverfahren nichts zu unternehmen. Es gibt vielfach Situationen, bei denen der Beschuldigte von seinem Verteidiger will, alles zu unternehmen, um eine öffentliche Hauptverhandlung zu vermeiden. Denn ist eine Anklageschrift erst einmal zugelassen, findet grundsätzlich eine sog. Öffentliche Hauptverhandlung statt.

Gerade wenn ein Beschuldigter eine namhafte Person des Zeitgeschehens ist oder er aber sonstige persönliche oder berufliche Reputationen durch die (Medien-) Öffentlichkeit fürchtet, ist dies ein berechtigtes und auch verständliches Anliegen. Dann ist es wichtig und sinnvoll, bereits im Zwischenverfahren weitere tatsächliche und rechtliche Argumente vorzutragen, um das Strafgericht zu veranlassen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen.

Die Frage, ob im Zwischenverfahren ein weiterer Schriftsatz des Verteidigers gefertigt werden soll, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Man muss sich darüber im klaren sein, dass bei der Benennung weiterer – bislang etwa nicht vernommener –Zeugen diese auch von der Polizei / Staatsanwaltschaft im Auftrag des Gerichts vernommen werden. Dies ist deshalb in vielen Fällen problematisch, weil der Verteidiger und der Beschuldigte bei dieser Zeugenvernehmung nicht anwesend sind, ja noch nicht einmal über den Termin der Zeugenvernehmung informiert werden. Nicht selten erlebt man in der Strafrechtspraxis, dass Zeugen nach einer polizeilichen Vernehmung nicht mehr das Aussageverhalten an den Tag legen, wie dies zuvor getan wurde. Jede Vernehmung birgt auch die Gefahr in sich, dass suggestiv auf den Zeugen eingewirkt wird und dieser in seinem Aussageverhalten in eine bestimmte Richtung gedrängt wird. Ob dies bewusst oder unbewusst seitens der Ermittlungsbehörden geschieht, kann dahinstehen. Denn im Ergebnis kann sich dieser Zeuge möglicher Weise nicht mehr an alle Details, vor allem entlastende Details, erinnern.

Ist bei der Zeugenvernehmung ein Verteidiger anwesend, der sich mit Vernehmungspsychologie und Vernehmungstechnik auskennt, kann dieser Gefahr während der Vernehmung vorgebeugt werden, indem unzulässige oder suggestive Fragen beanstandet werden. Erfahrungsgemäß werden derartige Fragen bei Anwesenheit eines Verteidigers aber gar nicht erst gestellt.

Deswegen muss sorgfältig überlegt und abgewogen werden, ob im Zwischenverfahren tatsächlich weitere Beweismittel, insbesondere Zeugen benannt werden. Werden erst in der Hauptverhandlung neue Zeugen benannt, ist der Verteidiger nämlich von Anfang an (also bei der Erstvernehmung) anwesend.

Sofern Anklage erhoben ist, das Zwischenverfahren also begonnen hat, sind andere Erledigungsmöglichkeiten wie Strafbefehl, Einstellung gegen Auflage, Einstellung ohne Auflage, aber in der Regel vom Tisch. Nur mit viel Mühe ist es dann als Verteidiger noch möglich, ohne eine öffentliche Hauptverhandlung zu einer anderen Verfahrenserledigung zu kommen.

Dies zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, möglichst frühzeitig einen Verteidiger zu beauftragen. Am effektivsten kanne ein Verteidigung geführt werden, wenn der Verteidiger sofort hinzugezogen wird, sobald der Beschuldigte von dem gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren Kenntnis erlangt.